# taz.de -- Beispiel Kachelmann: Promis am Pranger | |
> Selbst wenn Kachelmann am Ende freigesprochen würde, droht seiner | |
> Karriere ein schwerer Dämpfer. Müssen verdächtige Prominente vor den | |
> Medien geschützt werden? | |
Bild: Die Justizvollzugsanstalt Mannheim, wo Jörg Kachelmann in Untersuchungsh… | |
Auch ein Prominenter gilt formal als unschuldig, bis er verurteilt und kein | |
Rechtsmittel mehr möglich ist. Doch was ist das für eine "Unschuld", wenn | |
der Betroffene laufend mit Bild und vollem Namen in Zusammenhang mit einem | |
schweren strafrechtlichen Vorwurf genannt wird? | |
Fast täglich wird zurzeit über den Fall des Wetter-Moderators Jörg | |
Kachelmann berichtet, dem die Vergewaltigung einer Freundin vorgeworfen | |
wird. Selbst wenn er am Ende freigesprochen würde, droht seiner Karriere | |
ein schwerer Dämpfer, weil in der öffentlichen Wahrnehmung meist eben doch | |
etwas hängen bleibt. | |
Der Berliner Presserechtler und Prominentenanwalt Christian Schertz | |
forderte deshalb bei einer Veranstaltung der Karlsruher | |
Justizpressekonferenz die Staatsanwaltschaften auf, zu verhindern, dass | |
Showstars, Politiker und Manager sofort am medialen Pranger stehen, wenn | |
gegen sie strafrechtlich ermittelt wird. Der Stuttgarter | |
Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger warnt dagegen vor übertriebenen | |
Erwartungen: "Wir haben eine Auskunftspflicht." | |
Die Rolle der Staatsanwaltschaften ist wirklich nicht einfach. Die | |
Verteidiger von prominenten Beschuldigten machen oft professionelle | |
Pressearbeit, um öffentliches Verständnis für ihre Mandanten zu schaffen. | |
Inzwischen pflegen die Ankläger selbst mehr oder weniger offensive | |
Medienkontakte. Generalstaatsanwalt Pflieger hält dies im Prinzip für | |
richtig: "Wenn wir mit Journalisten reden, können wir ein objektiveres Bild | |
des Verfahrens vermitteln." Auch Anwalt Schertz will der Staatsanwaltschaft | |
nicht jede Öffentlichkeitsarbeit verbieten. Aber sie habe eine | |
Mitverantwortung dafür, dass der "Medien-Tsunami" nicht schon viel zu früh, | |
also im bloßen Ermittlungsstadium, über prominente Beschuldigten | |
hereinbricht. "Zur Auskunft sind Sie nur verpflichtet, wenn das öffentliche | |
Interesse überwiegt", sagte Scherz an die Adresse des Staatsanwalts, "und | |
die Prominenz des Beschuldigten allein reicht als Grund für eine | |
Information der Medien nicht aus." | |
Staatsanwalt Pflieger will im frühen Stadium der Ermittlungen auch nicht | |
von sich aus an die Presse gehen. "Aber wenn jemand fragt, ob ein | |
Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten Prominenten eingeleitet wurde, | |
und das stimmt, dann bestätigen wir es auch", so Pflieger. Das Problem | |
sahen Schertz und Pflieger übereinstimmend darin, dass die Presse über | |
undichte Stellen bei Justiz und Polizei oft viel zu früh von Strafanzeigen | |
und Ermittlungen erfahre. | |
Anwalt Schertz fordert daher, dass die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen | |
zumindest stigmatisierende Bilder verhindern muss. "Wenn vor Herrn | |
Zumwinkels Haus bereits die Kamerateams stehen, dann sollte die | |
Staatsanwältin ihn nicht auch noch durch die Vordertür herausbegleiten, so | |
als ob er abgeführt wurde." Bei Ex-Postchef Klaus Zumwinkel, der später | |
wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, fand im Februar 2008 eine | |
Hausdurchsuchung statt - durch eine Indiskretion erfuhren die Medien davon. | |
"Die damals entstanden Fotos gelten als Inbegriff einer medialen | |
Vorverurteilung." | |
9 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verteidiger Kubicki über den Fall Kachelmann: Wie man die Medien benutzt | |
Im Fall Kachelmann gibt es Exklusivinformationen gegen wohlwollende | |
Berichterstattung, sagt der Strafverteidiger Kubicki. Er kennt das Spiel | |
aus eigener Erfahrung. | |
Berichterstattung um Lafontaine: Eine verhängnisvolle Affäre | |
Oskar Lafontaine hat Krebs. Damit werden Spekulationen um eine Affäre | |
entkräftet, die der "Spiegel" veröffentlichte. Wie weit dürfen Journalisten | |
eigentlich gehen? |