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# taz.de -- Jugendprojekt Mellowpark: Bauplatz für moderne Abenteurer
> Mehr als zwei Jahre lang kämpfte das Köpenicker Jugendprojekt Mellowpark
> gegen das Aus und für einen neuen Standort. Mit Erfolg: An der Wuhlheide
> bauen junge Leute derzeit ihren neuen Parcours auf - mit Skaterrampen und
> BMX-Strecke, Tonstudio und Werkstätten
Bild: Action im Mellowpark
Dichtes Gebüsch und hohe Bäume entlang der Zufahrt, die Umrisse einiger
verlassener Gebäude im Hintergrund: Noch ist der typische Charme einer
Brachfläche nicht von dem Grundstück entlang der vielbefahrenen Straße im
Köpenicker Westen gewichen. Nur das rote Banner am Zaun kündet von der
Zukunft des riesigen Areals zwischen Spree und Wuhlheide: "Mellowpark"
steht dort, und schon lange wissen nicht nur Skateboarder und BMX-Fans, was
damit gemeint ist. Das seit etwas mehr als einem Jahrzehnt existierende
Jugendprojekt mit seinen weit über Berlin hinaus bekannten Skate- und
BMX-Parks wird hier, auf satten 70.000 Quadratmetern, direkt an der Spree
im Frühjahr 2011 seinen neuen Standort eröffnen.
Bis dahin gibt es noch viel zu tun: Gleich hinter dem Zaun, den Büschen und
Bäumen steht das Holz-Skelett einer Miniramp, der leicht abgewandelten Form
einer Halfpipe. Ein Dutzend junger Männer in breiten Hosen und Kappen
schraubt und hämmert an diesem Nachmittag daran herum. Zwischen
Bretterstapeln und Werkzeug steht Tobias Wicke und lässt seinen Blick über
die Rampe, die riesige Fußballwiese und das Basketballfeld dahinter
streifen. "Das wird der absolute Oberknaller", strahlt der 28-jährige
Marzahner. Er muss es wissen: Wicke ist Profisportler, seitdem er vor zehn
Jahren BMX-Weltmeister wurde.
Etwa ebenso lang ist sein erster Besuch im Mellowpark her, damals noch am
alten Standort in der Friedrichshagener Straße. "Da haben wir eine Rampe
aufgebaut", erinnert er sich. Dasselbe macht er jetzt, doch diesmal legt
Wicke nicht nur selbst Hand an, er hat die Rampe entworfen: Auf ihr sollen
schon bald waghalsige Sprünge mit Trickfahrrädern zu bestaunen sein. Wicke
ist zu Wettbewerben in der ganzen Welt unterwegs, aber den Weg nach
Köpenick findet er immer noch so oft wie möglich: "Ich brauche Rampen und
Freunde. Dafür gab es schon im alten Mellowpark das perfekte Arsenal."
Der "alte Mellowpark": An ihn und seine letzen Tage erinnert ein Aufkleber
auf einem abgestellten Auto: "Hände weg vom Mellowpark" steht da - der
Slogan, mit dem die Köpenicker um ihr Fortbestehen an einem neuen Standort
kämpften, nachdem ihnen auf dem alten Grundstück gekündigt worden war. "In
dieser Zeit habe ich viel über Politik und Gesellschaft gelernt", sagt Jens
Werner. So entspannt wie jetzt wirkten die Gesichtszüge des
Mellowpark-Projektleiters lange nicht. Immer nur kurzfristige Verträge,
immer kurzzeitig kündbar, keine langfristige Planung möglich: Das
Mellowpark-Dasein damals war das typische Zwischennutzer-Schicksal. Dennoch
kamen jedes Jahr mehrere 10.000 Jugendliche auf das Gelände, das Gelände
war in der Szene deutschlandweit bekannt.
Doch schließlich kam die Kündigung wegen Wohnungsbauplänen auf dem
Nachbargrundstück. Und es kam noch schlimmer: Das anvisierte Ersatzareal an
der Wuhlheide hatte das Land praktisch schon verkauft.
Monatelang lavierten Politiker im Bezirk und im Abgeordnetenhaus herum,
wenn es um die Zukunft des beliebten Jugendprojekts ging. "Wir sind durch
diese Existenzangst an unsere Grenzen gestoßen, das hat Kraft gekostet",
erzählt Werner. Und etwas gebracht: Die Jugendlichen und Macher des
Projekts erzeugten mit Demonstrationen, Medienpräsenz und
Diskussionsveranstaltungen so viel öffentlichen Druck, dass die Politik den
Verkauf des Grundstücks durch den Liegenschaftsfonds doch noch stoppte. Der
Weg an die Wuhlheide, zehn Minuten mit dem Fahrrad vom alten Standort
entfernt, war frei.
Derzeit klären Bezirkssportamt und Mellowpark noch Formalien für den
Mietvertrag über die eine Hälfte des Grundstücks. Für die andere Hälfte ist
er aber bereits unterschrieben: Über zehn Jahre plus Option auf fünf
weitere läuft der Vertrag, lediglich die Betriebskosten muss das Projekt
dem Jugendamt bezahlen. "Jetzt müssen wir nicht mehr quatschen, sondern
können einfach machen", freut sich Werner. Und das heißt: selber machen.
"Natürlich brauchen wir auch externe Hilfe, etwa einen Architekten für den
Bauantrag. Aber wir versuchen, so viel wie möglich selbst zu leisten",
erzählt Werner. Ehrenamtliche Arbeit von Handwerkern; der Vater eines
Jugendlichen, der einen Gabelstapler gratis ausleiht, oder ein Sponsor, der
einen Radlader organisiert: Wie schon der alte entsteht auch der neue
Mellowpark fast vollständig durch Eigeninitiative und die Hilfe von
Unterstützern. Vor allem aber durch die Beteiligung der Jugendlichen, für
die der Mellowpark so etwas wie ein zweites Zuhause ist. "Für die ist das
hier ist natürlich ist ein riesengroßer Abenteuerspielplatz", sagt Werner
und schmunzelt.
Im Oktober kampierten rund 40 Jugendliche auf dem neuen Areal, erkundeten
es, planten die Standorte für die verschiedenen Stationen und begannen mit
ersten Aufräumarbeiten. "Innerhalb von zwei Tagen Workshop hatte die Gruppe
selbstständig eine Gratislieferung Lehm organisiert, um mit der
Dirtjump-Strecke anzufangen", erzählt Werner begeistert und zeigt auf
meterhoch aufgeschüttete Erdhügel für Tricksprünge auf BMX-Fahrrädern.
Mit Ausbesserungsarbeiten an einer der Schanzen ist der vierzehnjährige
Christian aus Schöneweide beschäftigt: "Es geht darum, eine Fläche zu
schaffen, auf der man nach einem Sprung weich landet", erklärt er
fachmännisch und lehnt sich auf seine Schaufel. Jeden freien Nachmittag sei
er auf dem neuen Gelände, um mit anzupacken. "Das ist genau unser Ding",
erklärt Projektleiter Jens Werner: "Orte mitzugestalten, sie sich zu
erobern. Ich bin kein Freund von Jugendparlamenten, sondern mein Ding ist
die praktische Mitbestimmung."
Der Mellowpark ist auch ein Modellprojekt des Bundesinstituts für Bau-,
Stadt- und Raumforschung. Es will herausfinden, wie sich Jugendliche besser
an Stadtentwicklung beteiligen lassen. Dafür ist das Köpenicker Projekt
schon von seiner Entstehungsgeschichte her ein Paradebeispiel. Jens Werner
war einer von zehn Jugendlichen, die den heutigen Mellowpark-Trägerverein
all eins 1994 im so genannten Allende-Viertel eins gründeten, um ihre
Freizeitgestaltung selbst zu bestimmen. "Das hatten wir schon immer
gemacht, sind dann aber an Grenzen gestoßen, wenn wir etwa für ein
Fußballturnier keine Halle mieten konnten, ohne ein Verein zu sein",
erinnert sich Werner. Seitdem haben sich die Mitstreiter einen super Ruf
erarbeitet. "Viele stellten sich unter dem Mellowpark halt ein paar Skater
vor und wussten gar nicht, was für eine Kreativschmiede das hier ist. Das
sickert jetzt so langsam durch", sagt Jens Werner.
BMX-Strecke, Skaterampe, Sportflächen und eine überdachte Skatehalle sind
der Anfang, an Ende soll auch das noch in der Friedrichshagener Straße
residierende Jugendzentrum an die Westseite des neuen Areals umziehen. "Da
haben wir Inhalte, die man in der Öffentlichkeit gar nicht so kennt: ein
Tonstudio, eigenes Label, eine Siebdruckwerkstatt", freut sich Werner.
Die Zukunft hier gehört dem Mellowpark, da ist er sich sicher, wenn er den
Blick die Spree hinunter zur Köpenicker Altstadt und dem dortigen Rathaus
schweifen lässt: "Die können vielleicht unseren Vertrag irgendwann wieder
kündigen. Aber die Kids kriegen die hier nicht mehr weg."
15 Jun 2010
## AUTOREN
Sebastian Puschner
Sebastian Puschner
## TAGS
Sozialarbeit
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