# taz.de -- Koffer auf Irrwege: Teure Unterhosen aus Hammadi | |
> Ein "Ja" kann so vieles bedeuten, vor allem bei der Lufthansa. Was aber | |
> tun ohne Koffer in Ägypten? | |
Bild: Koffer am Frankfurter Flughafen. | |
Ein Ja ist ein Ja ist ein Ja. Sie hatte "ja" gesagt, die Frau am | |
Lufthansa-Schalter des Frankfurter Flughafens, auf meine Frage, ob unsere | |
Koffer denn von Frankfurt über Kairo direkt bis nach Luxor in Oberägypten | |
transportiert werden würden. "Ja." Trau, schau, wem. Versprochen ist | |
versprochen und wird auch nicht gebrochen. Deine Rede sei ja, ja, nein, | |
nein, alles was dazwischen liegt, ist von Übel. | |
In Luxor aber kamen keine Koffer an, stattdessen zeigt uns der nette | |
ägyptische Zöllner einen Raum, in dem sich verlorene Gepäckstücke aus den | |
letzten Jahrhunderten stapelten. Es sollte uns beruhigen, bewirkte | |
allerdings das Gegenteil. Nun gut, reisen ohne Gepäck ist nicht nur | |
physisch bequemer, es erleichtert auch die Kontaktaufnahme zur | |
einheimischen Bevölkerung. Mir tat es nur ein wenig leid um meine | |
Reisebegleiterin Barbara, weil Frauen bei fehlender Ersatzunterwäsche viel | |
nervöser reagieren als Männer. | |
Die Einkaufsliste war schnell geschrieben: ein Hemd, eine Hose, eine | |
Unterhose und Socken für mich; für Barbara das nämliche, plus ein | |
Büstenhalter, auf Englisch wahrscheinlich "chestholder". Wir fuhren also | |
ins nächstgelegene Städtchen am Nil, Hammadi, nie gehört. Es gibt hier | |
weder Tempel noch Pyramiden, nur staubige Straßen und einen kleinen Basar. | |
"Do you have underware?" | |
Im ersten Laden zeigten sie uns Kopftücher, im zweiten fiel die | |
Umkleidekabine um, als Barbara gerade eine Männerhose ausprobierte, im | |
dritten Laden stürzte der Ständer mit Gürteln auf den Boden und wir liefen | |
lachend davon. Der vierte Laden war der richtige, obwohl im Schaufenster | |
nur Parfümfläschchen der Marke "never die" (sterbe nie) zu sehen waren. | |
Mich hatte immer schon interessiert, was arabische Frauen unter ihren | |
langen Röcken tragen. Nun stand ich vor des Rätsels Lösung. Die Verkäuferin | |
hielt es offenbar für normal, dass ein Mann bei der Auswahl des richtigen | |
Schlüpfers hilft. | |
Jedenfalls breitete sie die wenigen Modelle auf dem kleinen Tresen vor uns | |
aus, weiße Höschen ohne Schnick und Schnack, auf die das Wort "Dessous" so | |
passend schien wie "Haute Cuisine" für eine Dampfnudel. Aber immerhin war | |
es aus purer ägyptischer Baumwolle. Und alles zum Schnäppchenpreis. | |
Beim "chestholder" verzichtete Barbara auf meine Ratschläge und bat mich | |
nach draußen. Während ich auf der Straße eine Zigarette rauchte, kicherte | |
es hinter mir. "So was gibt es bei uns nicht mehr", zeigte sie mir später | |
ihre neu erstandene weibliche Schutzbewehrung aus betonhartem Gewebe. Damit | |
hätte sie jeden Lastwagenunfall überlebt. Mir schien das Teil sogar | |
kugelsicher. "Guter Kauf", bestätigte ich und war zufrieden, als auch ich | |
meine Liste abgehakt hatte. Die Wahl fiel wesentlich leichter: In Hammadi | |
gibt es für Männer nur ein Unterhosenmodell in zwei Größen. Mit meiner | |
Frage: "Haben Sie die auch in Schwarz?", löste ich nur irritierte Blicke | |
aus und bohrte also nicht länger nach, sondern bezahlte. | |
Die Koffer waren inzwischen in Kairo aufgetaucht. Lufthansa erklärte sich | |
für nicht zuständig, und so verhandelten wir direkt mit dem ägyptischen | |
Zoll die Übergabemodalitäten. | |
Wie oft in arabischen Ländern, entschied sich die Behörde schließlich für | |
die einfachste Lösung: Ein Zollbeamter wurde für einen Tag vom Dienst | |
befreit und flog (auf unsere Kosten) von Kairo mit den Koffern nach Luxor. | |
Dort übergab er sie einem Fahrer, der sie (auf unsere Kosten) einige | |
hundert Kilometer nilabwärts transportierte. So gesehen waren es die | |
teuersten Unterhosen meines Lebens. | |
Der Beschwerdebrief an Lufthansa nach unserer Rückkehr wurde nie | |
beantwortet. Ich hatte darin höflich angefragt, ob die Firma gedenke, sich | |
an den entstandenen Kosten zu beteiligen. Wenigstens "ja" hätten sie | |
antworten können. Dann hätte ich gewusst, dass sie "nein" meinen. | |
Nachtrag: Gerade klingelt das Telefon: Eine sehr nette Mitarbeiterin der | |
Lufthansa bitte um Einsendung der Kaufbelege. Ich bin gerührt und glaube ab | |
sofort wieder an das Gute. Leider werden Unterhosen in Hammadi | |
grundsätzlich ohne Quittung verkauft. | |
Ja? | |
taz vom 10.11.2006 | |
10 Nov 2006 | |
## AUTOREN | |
Philipp Mausshardt | |
## TAGS | |
Reiseland Ägypten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |