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# taz.de -- Als Unternehmer in Nordkorea: IT-Firma ohne Internet
> Die Mitarbeiter von Nosotek sind Informatiker. Im Internet zu surfen ist
> ihnen dennoch untersagt. Wie schafft man es, in Nordkorea ein
> IT-Unternehmen zu führen?
Bild: Die digitale Brücke zum Rest der Welt fehlt: Pjöngjang.
"Das hier ist ein Konzentrationsspiel für Zappelkinder", erklärt Volker
Elösser und weist auf einen Bildschirm. Auf einem anderen Monitor schießen
fleischfressende Pflanzen mit Samenkugeln auf Roboter. Über den
Schreibtischen prangen zwei Bilder, die den Staatsgründer Kim Il Sung und
seinen Sohn zeigen, den allgegenwärtigen nordkoreanischen Herrscher Kim
Jong Il.
Willkommen bei Nosotek, willkommen in Nordkorea - jenem rätselhaften Land,
das nach dem Untergang des südkoreanischen Kriegsschiffes "Cheosan" vor
Kurzem wieder ins Rampenlicht der internationalen Öffentlichkeit geriet.
Doch hier, im ersten Stock eines unauffälligen Geschäftshauses in der
Hauptstadt Pjöngjang, ist von Spannungen nichts zu merken. Hingen nicht die
beiden Kim-Porträts an der Wand und trügen die Spieledesigner und
Informatiker nicht ihre Kim-Anstecker am Hemd, dann könnte man das
Unternehmen wohl irgendwo in Asien vermuten. Denn bei Nosotek - der Name
ist eine Kurzform für "Number One Software Technology" - entstehen
Computerspiele und Anwendungen für Handys und iPhones, die Fans überall auf
der Welt herunterladen.
Chef ist der deutsche IT-Unternehmer Volker Elösser. Seine Geschäftspartner
in Europa und Amerika, sagt er, "wollen ihren Namen nicht in der Presse
genannt wissen". Denn sie fürchten, ihre Kunden könnten davor
zurückschrecken, Technik auf ihre Geräte zu laden, die aus dem "Reich des
Bösen" stammen, wie der amerikanische Expräsident George W. Bush Nordkorea
einst bezeichnete.
Begonnen hat Elössers Abenteuer in Nordkorea vor fünf Jahren, als er mit
einer Firmendelegation erstmals nach Nordkorea reiste. Damals besaß er in
Osnabrück eine IT-Firma. Unter Fachleuten war Pjöngjang schon damals kein
Geheimtipp mehr für die Produktion von Zeichentrickfilmen; so entstand der
Walt-Disney-Streifen "König der Löwen" zum Beispiel in nordkoreanischen
Studios.
Der 40-jährige Elösser ist ein groß gewachsener Mann mit kräftigem
Selbstbewusstsein. Schon als Schüler entwickelte er Computerspiele, später
produzierte er Titel wie "Moorhuhn Camera X" und "Angriff des Killervirus".
2008 zog er nach Pjöngjang. "Es reizte mich, Pionier zu sein", sagt er.
Inzwischen besitzt seine Firma sogar ein eigenes Geschäftshaus. 35 feste
Mitarbeiter und 10 von nordkoreanischen Instituten "ausgeliehene"
Angestellte arbeiten hier. "Nirgendwo sonst gibt es so viele qualifizierte
Leute", sagt Elösser.
Elösser hält 60 Prozent der Anteile an Nosotek, sein Vizepräsident und
Joint-Venture-Partner Ju Jong Chol kommt aus dem staatlichen Generalverband
für Technik und Wissenschaft.
Es sind erstaunliche Bedingungen, mit denen der Deutsche täglich
fertigwerden muss. Dazu zählt der große Widerspruch des Regimes, dass es an
seinen Universitäten erstklassige Informatiker ausbildet, während es
gleichzeitig versucht, jeden Kontakt der Bevölkerung mit dem Ausland zu
verhindern. So dürfen Nordkoreaner, abgesehen von einer winzigen
politischen Elite, nicht im weltweiten Internet surfen. Stattdessen
existiert ein auf Nordkorea beschränktes Intranet.
Schon das Telefonieren ist kompliziert: Um zu verhindern, dass
Informationen frei fließen und die eigene Bevölkerung erfährt, was in
anderen Ecken Nordkoreas, in Südkorea oder dem weiteren Ausland geschieht,
existieren mehrere voneinander unabhängige Telefonkreisläufe. Pjöngjanger
Privatleuten zum Beispiel ist es unmöglich, von ihren Wohnungen aus ein Amt
oder einen ausländischen Nachbarn innerhalb der Hauptstadt anzurufen.
"Als Ausländer darf ich in meiner Privatwohnung einen Telefon- und einen
Internetanschluss mit Zugang zum weltweiten Netz haben", berichtet Elösser,
"mein Büro aber darf es nicht." Deshalb ist er inzwischen "so etwas wie ein
Postbote". Auf seinem Computer zu Hause lädt er jeden Morgen früh die
E-Mails herunter, bevor er ins Geschäft fährt. Sein Internetanschluss
kostet 250 Euro monatlich.
Im Büro verteilt er die Mails und sammelt Antworten oder Nachfragen ein.
Meist fährt er dreimal täglich hin und her. "Das ist etwas mühsam", gibt er
zu. Im letzten Jahr hat er in der chinesischen Hafenstadt Tianjin daher
noch die Firma Elo Interactive gegründet, die dem Unternehmen in Pjöngjang
zuarbeitet und besser für internationale Kunden erreichbar ist.
Für das Personal und "die gesamte Binnenorganisation" von Nosotek ist
Vizepräsident Ju verantwortlich. "Er stellt die Leute ein, damit habe ich
nichts zu tun. Es gibt viele Regeln und Gesetze, die ich als Ausländer
nicht kenne", sagt Elösser, "deshalb muss ich meinem Partner voll
vertrauen." Vizepräsident Ju ist nicht nur Vizepräsident und Personalchef
in einer Person, sondern auch Gewerkschaftsvertreter.
Löhne regelt der Staat
Die Löhne seiner Angestellten - die jüngste der Frauen und Männer in seinem
Büro ist 21, der älteste 30 Jahre alt - kann Elösser nicht selbst
festlegen: "Das wird zentral geregelt." Geldprämien für besonders gute
Leistungen einzelner Angestellter darf es ebenfalls nicht geben - eine
egalitäre Behandlung ist vorgeschrieben.
Um die Stimmung im Büro zu heben, kauft Elösser in China allerdings schon
mal Schuhe und Kleidung fürs gesamte Personal: "Das ist hier so üblich",
sagt er. Wie viel seine Mitarbeiter im Monat verdienen, mag er nicht sagen.
Das Durchschnittsgehalt in Pjöngjang liegt derzeit, soweit bekannt, bei
etwa 5.000 Won. Das entspricht nach offiziellem Umtauschkurs etwa 36 Euro
im Monat, auf dem Schwarzmarkt rund 80 Euro.
Rund 30 europäische und ca. 400 chinesische Unternehmen haben sich
inzwischen in Pjöngjang angesiedelt. Aus Deutschland sind keine großen
Namen oder Firmen dabei, eher Außenseiter oder Exoten wie Elösser oder
einige ehemalige DDR-Bürger. "Solange ich mich politisch nicht äußere und
mich nur auf das Geschäft konzentriere, lässt man mich machen", sagt der
IT-Mann.
Nur etwas stört ihn: "Die Leute hier", sagt er, "sind noch nicht gewohnt,
eigene Initiative zu ergreifen und einander mit Informationen auszuhelfen.
Und niemand will zugeben, dass er einen Fehler gemacht hat."
22 Jun 2010
## AUTOREN
Jutta Lietsch
Jutta Lietsch
## TAGS
Kolumne Internetexplorerin
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