# taz.de -- Grundsatzrede von de Maizière: Innenminister will vergessliches Ne… | |
> Innenminister Thomas de Maizière schlägt in einer Rede zum Internet ein | |
> "digitales Radiergummi" vor - und, dass jeder zu sich selbst den ersten | |
> Treffer bei Google bekommt | |
Bild: Wenig neue Gesetze, viel Selbstbestimmung: Das plant der Innenminister f�… | |
BERLIN taz | Das Datum war mit bedacht gewählt. Und so hielt | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) seine lange angekündigte | |
Grundsatzrede zur Rolle des Staates im Internet am 100. Geburtstag des | |
Computererfinders Konrad Zuse. Auch der Ort passte: Das Deutsche | |
Technikmuseum in Berlin, wo ein Modell von Zuses Z1-Rechner steht. | |
De Maizières Rede ist der Abschluss einer Dialogreihe zum Thema Internet, | |
zu der er Experten eingeladen hatte, vom Chaos Computer Club bis zum | |
Branchenverband Bitkom. In seiner 45-minütigen Rede am Dienstag wurde de | |
Maizière erst mal grundsätzlich. Der einzelne solle im Internet "frei, | |
selbstbestimmt und eigenverantwortlich" handeln, sagte er. "Dazu gehört | |
auch die Freiheit, Dummheiten begehen zu dürfen." | |
Einer seiner Grundsätze lautete denn auch: Der Staat solle sich mit neuen | |
Gesetzen zurückhalten und lieber bestehende Gesetze besser anwenden und | |
durchsetzen. "Viele Phänomene des Internets sind durch das bestehende Recht | |
bereits zufriedenstellend geregelt", sagte er. Aus diesem Grund lehne er | |
auch ein eigenes Gesetz ab, das den Straßenbilderdienst "Google Street | |
View" einschränkt. Man solle "nicht für jeden Dienst ein neues und eigenes | |
Gesetz schaffen", sagte er. | |
Und doch gibt es auch Bereiche, in denen de Maizière Handlungsbedarf sieht. | |
Dem einzelnen müssten in der digitalen Welt mehr Mittel an die Hand gegeben | |
werden, um sich zur Wehr zu setzen. Einer seiner Vorschläge: Ein "digitales | |
Radiergummi" beziehungsweise ein Verfallsdatum von Daten im Netz. Man müsse | |
dem Internet in bestimmten Bereichen das Vergessen beibringen, sagte de | |
Maizière. | |
Eine Idee, die auch beim Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar in | |
einer Debatte im Anschluss an die Rede auf Zuspruch stieß. Man müsse | |
versuchen, "dem Internet menschliche Züge zu verpassen", sagte Schaar. | |
Hingegen sagte Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, dass | |
ein Verfallsdatum für Daten schwer umzusetzen sei. | |
In seiner Rede verlangte de Maizière außerdem, dass Diensteanbieter - | |
gemeint sind vor allem soziale Netzwerke wie Facebook - ihre Angebote mit | |
"rücksichtsvollen Grundeinstellungen" ausstatten sollten. Sprich: | |
Voreinstellungen, die den Zugriff auf die online gestellten Daten und Fotos | |
auf einen engen Kreis von Freunden einschränken, ohne dass die User sich | |
lange durch die Untermenüs klicken müssen. | |
Zudem schwebt dem Innenminister ein "Darstellungsrecht" für das Internet | |
vor, mit dem man sich gegen Falsches und Ehrenrühriges zur Wehr setzen | |
könne. Man könne dies, so de Maizière mit einem Anspruch der Betroffenen | |
gegenüber Suchmaschinenbetreibern wie "Google" verbinden, die eigene | |
Darstellung auf Platz eins der Trefferliste zu setzen. Bei anonymen | |
Schmähungen sollte der Betroffene einen Anspruch auf Löschung gegenüber dem | |
Provider bekommen. | |
Klare Regeln forderte de Maizière auch für das sogenannte "Cloud | |
Computing". Dabei speichern die Nutzer ihre Daten außerhalb ihrer eigenen | |
Festplatte bei einem Serviceanbieter. Er könne sich vorstellen, hier die | |
Unternehmen zu verpflichten, ihren Kunden eine Verschlüsselung bieten zu | |
müssen. Das müsse aber mindestens auf EU-Ebene stattfinden. | |
Auf ein neues Gesetz drängt de Maizière auch bei der Speicherung von | |
Internet- und Telefonverbindungsdaten auf Vorrat, das alte hatte das | |
Bundesverfassungsgericht im März kassiert. "Ich bin überzeugt, dass die | |
Lücke, die wir ohne Verbindungsdaten in die Gefahrenabwehr und | |
Strafverfolgung reißen würden, zu groß ist, als dass man auf dieses Mittel | |
verzichten könnte", sagte er. "Eine schrankenlose Anonymität kann es im | |
Internet nicht geben." | |
Ein Punkt, der bei der folgenden Debatte wie zu erwarten von Constanze Kurz | |
vom Chaos Computer Club kritisiert wurde. "Bei der Vorratsdatenspeicherung | |
werden wir wohl nie zu einem Konsens kommen", sagte sie. Um dennoch de | |
Maizière zu loben: "Es wäre nicht vorstellbar gewesen, dass unter seinem | |
Vorgänger so eine Form von Dialog stattgefunden hätte." | |
De Maizière will seine Vorschläge als eine "erste Skizze" eines | |
Ordnungsrahmens für das Internet verstehen. Und er hofft, dass die Bürger | |
sie [1][im Internet bewerten] und weitere Ideen einbringen. Das | |
Innenministerium werde sie dann "prüfen und gegebenenfalls in den Katalog | |
der Handlungsvorschläge aufnehmen". | |
23 Jun 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.e-konsultation.de/netzpolitik/ | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Thesenpapiere zur Netzpolitik: Der Streit ums Internet | |
Wie soll das Internet von Morgen aussehen? Die Ansichten könnten kaum | |
unterschiedlicher sein, wie die in den letzten Wochen erschienenen | |
Thesenpapiere zeigen. | |
Kommentar de Maiziéres Grundsatzrede zum Internet: Das Recht auf Dummheiten | |
Man muss den Innenminister dafür loben, dass er sich der Netzgemeinde | |
geöffnet hat. Vieles, was er sagt, ist richtig. Etwa, dass man Dummheiten | |
begehen dürfe - auch im Internet. |