# taz.de -- Kommentar G8-Gipfel in Toronto: Die Rückkehr zum Egoismus | |
> Ein gutes Bild hat die Weltgemeinschaft beim G8-Gipfel nicht abgegeben. | |
> Versprechen zur Armutsbekämpfung wurde beerdigt, globale Regulierung der | |
> Finanzmärkte auch. Im Streit liegt dennoch eine Chance. | |
Nein, ein gutes Bild hat die Weltgemeinschaft bei diesen Gipfel wieder | |
einmal nicht abgegeben. Indem sie ihre einst groß gefeierten Versprechen | |
zur Armutsbekämpfung beim Treffen der führenden Industrienationen im | |
kanadischen Toronto stillschweigend beerdigten, haben die reichen | |
Industriestaaten ihrer Glaubwürdigkeit schweren Schaden zugefügt. Denn mehr | |
als ein Drittel der ursprünglich zugesagten Milliarden stehen noch aus. | |
Fast schon auf zynische Weise konsequent erscheint es da, dass die Europäer | |
dem Gastgeber Kanada bei dessen Initiative zur weltweiten Bekämpfung der | |
Mütter- und Kindersterblichkeit demonstrativ die kalte Schulter zeigten. | |
Deutschland gibt dafür ganze 80 Millionen Euro pro Jahr - und selbst diese | |
Summe wird zum Teil nur innerhalb des Entwicklungshilfe-Etats | |
umgeschichtet. | |
Diese neue Rückkehr zum Egoismus zeigt sich auch in den anderen | |
Streitfragen des Gipfels. Länder wie Deutschland, wo die Wirtschaft schon | |
wieder Fuß gefasst hat, setzen ohne Rücksicht auf die Konjunkturprobleme | |
der anderen Staaten einerseits auf ungebremsten Export und andererseits auf | |
striktes Sparen. Und Staaten, deren Banken in der Krise keine Probleme | |
hatten, bremsen bei globaler Regulierung und erteilen Bankenabgabe und | |
Finanztransaktionssteuer eine klare Absage - und das, obwohl alle Staaten | |
von den milliardenschweren Bankenrettungsprogrammen profitiert haben. | |
Dennoch liegt gerade im Streit auch eine Chance. Denn die Uneinigkeit bei G | |
8 und G 20 zwingt dazu, sich auf die Ebene zu konzentrieren, wo reale | |
Veränderungen möglich sind. Und das bedeutet für die Europäer derzeit: | |
Europa. Nach dem Scheitern von weltweiten Absprachen gibt es nun keine | |
Ausrede mehr, nicht endlich jene Dinge umzusetzen, die als richtig und | |
notwendig anerkannt sind - das geht von verschärfter Finanzaufsicht bis zur | |
Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten der Krise. | |
Hier gibt es tatsächlich Fortschritt zu verzeichnen. Dass Merkel und | |
Sarkozy sich nun entschlossen zeigen, die Finanztransaktionssteuer in | |
Europa einzuführen - und bei Widerstand aus London auch auf eigene Faust in | |
der Eurozone einzuführen, ist die beste Nachricht, die von diesem Gipfel | |
ausgeht. Jedenfalls dann, wenn sie in dieser Frage - anders als bei der | |
Entwicklungshilfe - auch nach dem Gipfel noch zu ihrem Wort stehen. | |
28 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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