# taz.de -- G8-Gipfel in Toronto: Merkel in der Mangel | |
> Die Kanzlerin kann sich kaum mit ihren Vorschlägen durchsetzen. Die | |
> Finanzmarktregulierung wird verschoben, die Finanztransaktionssteuer | |
> kommt allenfallls in Europa. | |
Bild: Hinten anstellen Frau Merkel. | |
TORONTO taz | In der Vergangenheit waren Gipfeltreffen Angela Merkels | |
liebste Bühne. Fernab vom heimischen Parteienstreit ging es auf dem | |
internationalen Parkett stets ums große Ganze. In Gleneagles wurde die | |
Überwindung der Armut zum Programm der G 8 erhoben. In Heiligendamm | |
schaffte es der Klimaschutz auf die Agenda der Staatschefs. In London und | |
Pittsburgh brachten die G-20-Staaten entschlossen klingende Programme gegen | |
die Finanzkrise auf den Weg. | |
Auch an diesem Wochenende hätte die Kanzlerin eine Ablenkung vom deutschen | |
Parteienstreit um Sparprogramme und Steuerpolitik gut gebrauchen können. | |
Doch weder im beschaulichen Ferienort Huntsville noch im abgeriegelten | |
Konferenzzentrum von Toronto war ihr diese Erholung gegönnt; stattdessen | |
ging der Streit um die Finanzpolitik auf globaler Ebene weiter. | |
Nur dass die Opposition dort eine Nummer größer war: US-Präsident Barack | |
Obama und sein Finanzminister Timothy Geithner hatten im Vorfeld des | |
Gipfels offen Kritik an den europäischen Sparbemühungen geübt. Diese kämen | |
zu früh und gefährdeten das weltweite Wachstum, argumentierten sie und | |
forderten eine expansive Haushaltspolitik, um mit staatlichen Ausgaben den | |
privaten Nachfrageeinbruch auszugleichen. Unterstützt wurde diese Position | |
etwa von Brasilien. Merkel blieb hart: "Deutschland hat sich für einen Kurs | |
entschieden, den ich für vernünftig halte", sagte sie in Huntsville. | |
In diesem Punkt immerhin konnten die Europäer ihr Gesicht wahren: Zunächst | |
war beim G-8-Gipfel nur ein Formelkompromiss gefunden worden, der die | |
Bedeutung von Wachstum und der Eindämmung der Defizite als gleichermaßen | |
wichtig einstufte. Der G-20-Gipfel ging weiter: Die Teilnehmer haben sich | |
nach Aussage von Angela Merkel in der Abschlusserklärung darauf geeinigt, | |
dass die Haushaltsdefizite der "fortgeschrittenen Volkswirtschaften" bis | |
zum Jahr 2013 halbiert werden sollen. Weiter sei vereinbart worden, dass ab | |
dem Jahr 2016 mit dem Abbau der Schulden begonnen werden solle. "Das heißt, | |
dass die Länder dann ausgeglichene Haushalte haben sollen, um den | |
Gesamtschuldenabbau in den Blick nehmen zu können", fügte Merkel hinzu. | |
Das war es denn auch schon mit der Einigkeit. Bei anderen Themen, die | |
Merkel im Vorfeld als zentral bezeichnet hatte, herrschte Stillstand - oder | |
eine offene Blockade. Über stärkere Regulierung der Finanzmärkte, etwa | |
verschärfte Eigenkapitalpflichten für die Banken oder neue Regeln für | |
Hedgefonds und Ratingagenturen, soll nun erst beim nächsten G-20-Gipfel im | |
Herbst in Südkorea entschieden werden. Auch Schwellenländer, die die | |
Entwicklung ihrer eigenen Finanzmärkte nicht beschränken wollen, gehörten | |
hier zu den Bremsern. | |
Die Verschiebung der globalen Macht hin zu den kleineren Staaten war auch | |
an anderer Stelle zu spüren. Obwohl Europa und die USA darauf drängten, gab | |
es keine Einigung auf eine international koordinierte Bankenabgabe, mit der | |
Vorsorge für künftige Krisen betrieben werden soll - Staaten wie Kanada, | |
Australien und Brasilien, deren Banken in der Finanzkrise kaum Probleme | |
hatten, wiesen diesen Vorstoß zurück. | |
Noch schlechter lief es bei der Finanztransaktionssteuer, die sich Merkel | |
nach langem innenpolitischen Streit offensiv zu eigen gemacht hat: In | |
dieser Frage standen die Europäer schon innerhalb der G 8 weitgehend | |
allein; bei der G 20 galt der Vorstoß darum als chancenlos. Hier blieben | |
noch "dicke Bretter zu bohren", sagte die Kanzlerin. Resignieren will sie | |
allerdings nicht - sondern nun auf europäischer Ebene für die Einführung | |
kämpfen. Sie sei sich mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy einig, | |
"dass wir dies auch, falls wir keine gesamteuropäische Initiative | |
hinbekommen, in der Eurozone ausprobieren würden und uns dafür einsetzen | |
werden", sagte Merkel in der ARD. | |
Ebenfalls nicht punkten konnte die Kanzlerin beim Thema Armutsbekämpfung. | |
Während Deutschland bei finanziellen Zusagen in der Vergangenheit stets | |
großzügig war, trat Merkel diesmal auf die Bremse und machte nur minimale | |
Zusagen (siehe Kasten). Ob sie dabei internationales Renommee verliert, war | |
für Merkel offenbar zweitrangig. Der Gipfel ist schließlich nach wenigen | |
Stunden vorbei - doch die Haushaltsverhandlungen in Berlin gehen gerade | |
erst los. | |
28 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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