# taz.de -- Kommentar Fußballnationalismus: Eine multikulturelle Farbkonstrukt… | |
> In Migrantenvierteln werden die deutschen Siege in Südafrika gefeiert. | |
> Denn sich des wichtigsten nationalen Zeichens zu bemächtigen deutet an, | |
> dass man sich mit diesem Land identifizier. | |
Bild: Fußball WM Südafrika: Symbolischer Akt gegen Rassismus vor dem Spiel De… | |
Konservative mögen die Farben der deutschen Nationalflagge für die ihrigen | |
halten - womöglich in der Hoffnung, dass sie niemals für migrantische | |
Deutsche annehmbar sein können: Schwarz-Rot-Gold als Trikolore, in der nur | |
Ureinwohnerhaft-Deutsches sich wiederfinden kann. Das sollen sie ruhig | |
weiter hoffen - aber im wahren Leben wird dieser Glaube momentan grandios | |
unterlaufen. Gerade in migrantischen Vierteln, in Berlin-Neukölln, auf St. | |
Pauli in Hamburg oder in Köln-Mülheim, dort, wo Naturblondes eher weniger | |
beheimatet ist, werden die deutschen Siege in Südafrika gefeiert, lärmend, | |
krass, vernehmlich, unverhohlen, jubelnd. | |
Das ist wenigstens ein Grund zur Freude. Denn sich des wichtigsten | |
nationalen Zeichens zu bemächtigen deutet an, dass man sich mit diesem Land | |
identifiziert, dass frau bzw. man gern in Deutschland lebt - und dass man | |
sich alsbald nicht mehr mit dem Mitjubeln zufriedengeben, sondern sich auf | |
allen anderen Ebenen, politischen wie gesellschaftlichen, Gehör und | |
Mitbestimmung verschaffen wird. In diesem schwarz-rot-goldenen Vergnügen | |
steckt insofern auch ein subtil-souveränes Versprechen: Weil dies auch | |
unser Land ist, werden wir uns unsere Teilhabe noch in ganz anderer | |
Hinsicht erobern - fangen wir in Sachen Selbstfeier mal beim Fußball an. | |
Selbstfeier? Ja was denn sonst? In der Begeisterung über das deutsche Spiel | |
liegt dieses Moment im Kern geborgen. Und das liegt, wie gern nahegelegt | |
wird, nicht an Spielern wie Özil oder Khedira, sondern an den Spielen des | |
Kaders von Joachim Löw selbst. In diesen erkennt der neodeutsche Fußballfan | |
- verfassungspatriotisch gesehen - einen Teil von sich selbst: | |
Identifikation mit einem repräsentativen und in diesen südafrikanischen | |
Tagen lustvoll gesinnten Teil seiner neuen Heimat. | |
Der Wahn von Autonomen oder Antideutschen, diese schwarz-rot-goldene | |
Euphorie der neuen BürgerInnen als Eventhuberei abzutun, ja alles Nationale | |
zu verachten, spricht für sich. Im Kampf gegen Rassismus, im Allgemeinen | |
nötiger denn je, haben sie nie darauf gewettet, dass die neodeutschen | |
Deutschen es mit der Teilhabe, im spielerischen wie politischen Sinn, mal | |
ernst nehmen würden. Sich mit dem eigenen, neuen Land zu identifizieren | |
heißt für Migranten aber immer auch: daran Freude zu haben, ein Teil eines | |
Gesellschaftlichen zu sein und immer mehr zu werden. | |
1 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
## TAGS | |
Deniz Yücel | |
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