# taz.de -- Bundespräsidenten-Wahl: Die Niederlage nach dem Sieg | |
> Die Krise der Regierung ist durch die mühsame Kür Christian Wulffs zum | |
> Bundespräsidenten nicht ausgestanden. Nun wird über die Motive der | |
> Stimm-Verweigerer spekuliert. | |
Bild: Gemeinsam gedemütigt: Wulff und Merkel. | |
BERLIN taz | Nach der zähen Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten | |
reißt die Kritik an der Koalition nicht ab. Auch zwischen den | |
Regierungsparteien gibt es massive Schuldzuweisungen, dass ihr gemeinsamer | |
Kandidat erst im dritten Wahlgang gekürt wurde. Die FDP vermutet die | |
meisten schwarz-gelben Wahlleute, die für Joachim Gauck stimmten, bei der | |
Union. | |
"Fakt ist: Schwarz-gelb hat riesige Probleme. Wir haben im letzten halben | |
Jahr eine schlechte Politik gemacht", bilanzierte der sächsische FDP-Chef | |
Holger Zastrow. Es sei bereits vor der Wahl klar gewesen, dass vier | |
Wahlleute der FDP für den von SPD und Grünen aufgestellten Gauck stimmen | |
wollten. Dies waren die drei Wahlmänner der sächsischen FDP-Fraktion und | |
ein namentlich nicht genannter Vierter. "Deswegen liegt der Ball sicherlich | |
bei den Konservativen", sagte Zastrow. | |
Zastrow kritisierte, dass bis zuletzt viele Delegierte aus dem | |
Regierungslager nicht für Wulff votiert haben. "Heimlich in die Wahlkabine | |
zu gehen und dort sein Mütchen zu kühlen" sei sicherlich nicht der richtige | |
Weg, sagte der FDP-Politiker. Für die Koalition heiße dies: "In Berlin muss | |
man sich endlich zusammen reißen, endlich auf Augenhöhe und fair | |
miteinander umgehen." | |
Doch wer Wulff seine Stimme verweigerte, wird wohl nie bekannt werden. Als | |
wahrscheinlich gilt unter Unions- und FDP-Wahlleuten, dass eine Reihe von | |
Motiven dahinter steckten. Einige CDU-Landespolitiker hätten Merkel nicht | |
verziehen, dass sie dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch einen | |
Ministerposten in Berlin vorenthalten habe. Andere Politiker seien | |
verstimmt, wie wenig die Bundeskanzlerin den damaligen Ministerpräsidenten | |
Baden-Württembergs, Günther Oettinger, verteidigte, als der wegen seiner | |
Grabrede für seinen verstorbenen Amtsvorgänger Hans Filbinger harsch | |
kritisiert wurde. Auch der Umstand, dass Wulff ohne parteiinterne | |
Diskussion als gemeinsamer Kandidat präsentiert wurde, habe Unions- und | |
FDP-Leute verstimmt. | |
Der 51-jährige CDU-Politiker Wulff hatte sich am Mittwochabend in der | |
Bundesversammlung erst im dritten Wahlgang durchsetzen können. Überraschend | |
viele Wahlleute von Union und FDP verweigerten dem bisherigen | |
niedersächsischen Ministerpräsidenten ihre Zustimmung. Im ersten Wahlgang | |
fehlten Wulff mindestens 44 Stimmen von Union und FDP, im zweiten | |
mindestens 29 und im dritten mindestens 19 Stimmen. Zuvor hatte die Union | |
gestreut, es gebe in ihren Reihen höchstens elf bis 15 Wahleute, die für | |
den ehemaligen Bürgerrechtsaktivisten Gauck stimmen wollten. | |
Die Wahl Wulffs geriet damit zum Fiasko für Kanzlerin Angela Merkel und | |
ihre Koalition. Selbst der Umstand, dass Wulff im dritten Wahlgang statt | |
der dann notwendigen relativen Mehrheit die absolute Stimmenmehrheit | |
errang, änderte etwas daran. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der | |
SPD, Manuela Schwesig, wertete es als großen Fehler Merkels, dass sich die | |
Kanzlerin nicht auf den früheren Bürgerrechtler Joachim Gauck als | |
gemeinsamen Kandidaten von Union, FDP, SPD und Grünen eingelassen habe. | |
Wenn Merkel den 70-Jährigen vorgeschlagen hätte, "dann wäre sie heute die | |
strahlende Siegerin und nicht eine massiv angeschlagene Kanzlerin". | |
Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nannte die Bundespräsidentenwahl | |
einen "bitteren Tag" für Merkel. Im SWR sagte Nahles, Merkel wisse nun, | |
dass sie in ihren eigenen Reihen Leute habe, die sich nicht einfach | |
unterordneten. | |
1 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
ARD-Übertragung der Präsidenten-Wahl: Falsche Jubelbilder | |
Nachdem Christian Wulff am Mittwoch doch noch zum Bundespräsidenten gewählt | |
wurde, zeigte die ARD Applaus für Christian Wulff, den es gar nicht gegeben | |
hat. | |
Bettina Wulff: Die neue First Lady | |
"Cool" findet ihr Mann Christian Wulff die jüngste First Lady der | |
Geschichte der Bundesrepublik. Letztlich ist sie aber eher bodenständig. | |
Ministerpräsident McAllister: Wulffs Terrier wird Landesvater | |
Ein Mann mit Doppelpass wird der jüngste Ministerpräsident, den | |
Niedersachsen je hatte. David McAllister will den Kurs seines Vorgängers | |
fortsetzen - und doch modern sein. | |
Portrait Christian Wulff: Bundespräsident dritter Wahl | |
Christian Wulff sei schon als Präsident auf die Welt gekommen, lästern | |
Parteifreunde. Er verkörpert die Strategie von Konsens und | |
Konfliktvermeidung nach außen perfekt. | |
Kommentar Bundespräsidentenwahl: Merkel totgesiegt | |
Dass Christian Wulff erst im dritten Wahlgang gewählt wurde, ist eine | |
Warnung an Merkel. Die nächsten Tage werden zeigen, ob die konservativen | |
CDUler weiter putschen. |