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# taz.de -- Die Ikonisierung von "The Doors": Komm, wir gießen Öl ins Feuer
> Warum erscheint ein neuer Film über den Rocktoten Jim Morrison und seine
> Band The Doors? Ein Blick in die Vergangenheit hilft bei der
> Beantwortung.
Bild: Habe eine neue Direktheit in die Popsprache gebracht: The Doors.
Manche Bands altern besser als andere. Mit dreizehn habe ich Jim Morrison
an der Wand hängen, viriler Jesus mit nackter Brust. Wer Ende der sechziger
Jahre pubertiert, hat gute Chancen, durch Wahrnehmungstüren zu gehen, die
ihm (weniger: ihr) die Doors öffnen. Durch die Doors zum Existentialismus,
durch die Doors zu Ödipus, durch die Doors nach Los Angeles, durch die
Doors zum Living Theatre, durch die Doors nach Père Lachaise, durch die
Doors zu Brecht, durch die Doors zu den Pforten der Wahrnehmung. "Doors of
Perception"-Aldous Huxleys Drogen-Fibel stiftet den Bandnamen. Huxley
gehört zum Kanon des Heranwachsens wie Orwells "1984" und Salingers "Fänger
im Roggen".
Irgendwann wächst man aus diesen Büchern raus. Jim Morrisons Vater, ein
Admiral der US Army, erzieht seinen Sohn nach dem Schröder-Motto "Fordern
und Fördern". Dabei neigt er zum Überfordern und Strafen. Für Jims
künstlerische Ambitionen hat er nur Verachtung übrig. Gegen den Willen der
Eltern nimmt Morrison ein Filmstudium auf. An der Universität in
Kalifornien lernt er Ray Manzarek kennen, später Keyboard-Bassist, Motor
und intellektueller Kopf der Doors. Nach dem erfolgreichen Abschluss des
Studiums 1965 bricht Morrison den Kontakt zu den Eltern ab, noch 1967
verweigert er bei einem Konzert seiner Band ein Treffen mit der Mutter.
Seine Fans wissen da längst, dass er seine Mutter ficken will. "Father I
want to kill you, Mother I want to fuck you", brüllt Morrison in "The End",
für viele Teenager die erste Konfrontation mit dem Ödipuskomplex. Ein
Schock, dass dieser Typ rausschreit, was in einem selbst schlummert, wofür
man keine Worte hat. Morrison dagegen hat ein Händchen für griffige Slogans
und schwere Zeichen. Neben dem fast zwölfminütigen "End" gibt es auf dem
Debüt-Album eine zirzensisch verorgelte Fassung von Brecht/Weills "Alabama
Song". Morrison bringt Brechts Text überzeugend rüber: "Show me the way to
the next Whiskey Bar." Damit kennt er sich aus.
Mit "Light my fire" landen die Doors 1967 den ersten großen Hit. Die
Titelzeile geht in die Alltagssprache der Hippiejugend ein. Von der
deutschen Version kann man das nicht behaupten. "Komm wir gießen Öl ins
Feuer" kann sich als Flirt-Anbahnung nie durchsetzen. Weitere geflügelte
Morrisonworte sollten folgen. Wie "Light my fire" bringt "Hello I love you
wont you tell me your name" eine neue Direktheit in die Popsprache, man(n)
will erst nach dem Sex wissen, wie sie heißt - und landet damit auf Platz
eins der US-Charts.
Sexuell expliziten Songs wie diesen, dazu gehört auch "Touch me", verdankt
Morrison seinen Ruf als Sexsymbol. Er posiert gern mit nackter Brust und
etabliert die schwarze Lederhose als Rock-Uniform. Morrisons selbstbewusst
betonte Männlichkeit unterscheidet ihn vom seinerzeit gängigen Modell des
kalifornischen Hippiejungen, der seinen Körper weichzeichnet, bis die
Konturen verwischen. Er verbindet den Machismo des Blues mit der
Libertinage der Hippies und gibt ein Mannsbild ab, das sexuelle Freiheit
mit der jederzeitigen sexuellen Verfügbarkeit des - weiblichen -
Sexualobjekts gleichsetzt. Eine Grundannahme, die Morrison mit vielen
weißen Rocksängern teilt, bei denen der Transfer der sexuellen Explicitness
des schwarzen Blues zu einer mit zunehmendem Alter immer lächerlicheren
Demonstration von Präpotenz gerät, Mick Jagger, Rod Stewart, Tom Jones …
Jim Morrison demonstriert indes, dass man auch mit 27 schon würdelos altern
kann. Sein Sexgott-Braggadocio verträgt sich schlecht mit einem vom Suff
aufgedunsenen Gesicht hinter wehendem Vollbart. Bei Konzerten holt er
manchmal seinen Schwanz aus der Lederhose, dann kommt die Polizei. Kaum zu
glauben, mit welchem Pathos der neue Doors-Film diese Geste als subversiven
Akt feiert.
"When youre strange" heißt der Film. Noch so eine Morrison-Zeile aus dem
Poesiealbum der Sechziger: "People are strange, when you are stranger,
faces look ugly, when youre alone." Hat mich schwer beeindruckt, mit
dreizehn. Wie auch die Sentenz von dem Haus, in das wir geboren, und der
Welt, in die wir geworfen werden. Sind wir nicht alle Riders on the storm?
Existentialismus für Siebtklässler, der Jahrzehnte nach dem frühen Ende
seines Schöpfers immer wieder neue Freunde findet.
Dabei hilft es, dass die Umstände von Morrisons Tod in einer Pariser
Badewanne im Sommer 1971 bis heute nicht geklärt sind. Heroin? Tabletten?
Selbstmord? Mord? Alle Varianten haben ihre Anhänger, auch die "Elvis
lebt"-Version wird immer wieder aufgetischt. 1991 etwa, als Oliver Stone
mit seinem Spielfilm "The Doors" den Nachgeborenen einen neuen Helden zur
Identifikation anbot. Und den Älteren ein heroisierend-verklärendes Bild
von Morrison zeichnete.
Das haben sie ihm gerne abgekauft und damit die eigene Jugend retrospektiv
ein bisschen aufgehübscht. Der neue Doors-Film taucht zur selben Zeit auf
wie die große historisch-(un)kritische Werkausgabe von "Exile on
Mainstreet", dem Opus Magnum der Rolling Stones aus dem heroinös heißen
Cote-dAzur-Sommer von 1971. Rockmusik und Rockmännlichkeit sind seit Langem
in der Krise, kein Ende absehbar. Da hilft nur der Blick in die
Vergangenheit, und der ist meistens verklärend.
Als Objekt des verklärten Blicks bietet sich Jim Morrison gut an, weil er
für eine Vorstellung von Freiheit und Revolte steht, die ebenso großmäulig
wie vage daherkommt. Kostprobe von 1967: "Ich mag Ideen über den
Zusammenbruch oder den Umsturz der etablierten Ordnung. Mich interessiert
alles, was mit Revolte, Unordnung, Chaos zu tun hat - ganz besonders
Handlungen, die scheinbar keinen Sinn haben. Das ist die Straße zur
Freiheit - äußere Freiheit ist ein Weg, innere Freiheit zu erreichen." Das
würde Claudia Roth unterschreiben. Und zur Not auch David McAllister, der
neue CDU-Wilde in Hannover.
2 Jul 2010
## AUTOREN
Klaus Walter
## TAGS
Rolling Stones
Rock
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