Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gruner+Jahr übernimmt Fußball-Magazin: Der zwölfte Freund
> Mit der Übernahme des Magazins "11 Freunde" durch Gruner+Jahr geht das
> Glanzstück deutscher Indie-Kultur an einen Großverlag.
Bild: Nein, dieser Mann ist kein Fußballer: Zeitschrift "11 Freunde".
"Das können die Gründer damals nicht gewollt haben", schreibt das
Fußballkulturmagazin 11 Freunde Anfang März selbstironisch in seiner 100.
Ausgabe über das eigene, 2009 bezogene Büro in Berlin-Friedrichshain. Im
Jahr 2000 in der Wohnung des Mitbegründers Reinaldo Coddou aus der Taufe
gehoben, war das Magazin nun in einem großen Büro mit "Glastüren,
Drehsesseln" und breiter Fensterfront angekommen - ohne sich das Bad mit
der Vermieterin teilen zu müssen, wie von 2002 bis 2005.
Doch der Umzug und das im März dieses Jahres zeitgleich mit der 100.
Ausgabe gefeierte zehnjährige Jubiläum war noch nicht der letzte Schritt
auf einem bisher sehr erfolgreichen Weg. Rückwirkend zum 1. Juni hat der
Gruner+Jahr-Verlag 51 Prozent an der 11 Freunde Verlag GmbH & Co. KG
übernommen. Bisher hatten die Herausgeber Matthias Hörstmann und Philipp
Köster 75 beziehungsweise 25 Prozent der Anteile gehalten. Nun verbleiben
noch 33,3 Prozent bei Hörstmann, der Herausgeber bleiben wird, und 15,7
Prozent beim Weiterhin-Chefredakteur Köster. Die Geschäftsführung werden
sich G+J-Mann Nils Oberschelp und Köster teilen. Oberschelp ist
Verlagsleiter des Peoplemagazins Gala aus der hausinternen
Gruner+Jahr-Sparte "Frauen/Familie/People", in der auch 11 Freunde
angesiedelt werden soll.
Wie passt das Magazin zum Hamburger Großverlag, der bislang kaum mit
Sporttiteln auffiel? "11 Freunde ist qualitativ hochwertig. Deswegen passt
es gut ins Portfolio", antwortet Eva Schulenburg, stellvertretende Leiterin
der Kommunikation bei G+J Frauen/Familie/People. Und was wird aus dem
erwachsen gewordenen Stehkurvenmagazin 11 Freunde und dessen
Unabhängigkeit? "Keine neuen Marschrouten und eine völlig unbeeinflusste
Redaktion" verspricht Schulenburg. Der bisherige Weg sei sehr erfolgreich
gewesen, "warum sollten wir den ändern?"
Der Erfolgsweg von 11 Freunde war und ist es, die Antithese zum Kicker zu
bilden. Beim Nürnberger Sportmagazin sitzen Fußballbeamte: Langweiliges
Layout, abgegriffene Wortspiele und Floskeln prägen Deutschlands größtes
Fußballmagazin. Doch die Statistiken stimmen. Meistens. Und es gibt zwei
Mal die Woche Neues zu allen 56 Vereinen aus erster, zweiter und dritter
Liga. Immerhin.
Das Berliner "Magazin für Fußballkultur", 11 Freunde, wollte hingegen nicht
Verwalter des Fußballs sein, sondern dessen Gefühl transportieren, das
viele Menschen weit über die 90 Minuten und den wochenendlichen
Fußballnachmittag hinaus durch den Alltag trägt. Mit langen Fotostrecken,
opulenter Aufmachung, Reportagen, intensiven Interviews und viel Ironie
bestach und besticht das Magazin bis heute.
Das ist die hochwertige Qualität, die Schulenburg meinte und Gruner+Jahr
zum Joint Venture veranlasste. Aus dem kleinen Blatt, das anfangs noch
diverse Pseudonyme ins Impressum schmuggelte - weil das sonst für den Leser
einfach blöd ausgesehen hätte, wie sich der erste Praktikant der Redaktion
im Jubiläumsheft erinnert -, ist mittlerweile ein Produkt mit einer
verkauften Auflage von knapp 80.000 Exemplaren geworden - mit eigener
Modelinie und Frühstücksbrettchen. Die 2005 vom kicker-Verlag "Olympia"
gegründete Konkurrenz Rund musste 2007 kapitulieren. 11 Freunde steht in
Deutschland momentan de facto konkurrenzlos in seiner Nische.
Seit 2007 erscheint jährlich ein Sonderheft zur Saison, auch zu den großen
Turnieren erscheint seit 2006 eine Extraausgabe. Darüber hinaus wirft die
Redaktion halbjährlich Sonderhefte zu den Jahrzehnten des Fußballs auf den
Markt: Geo Epoche für Fußballfans.
Weitere so genannte "Line Extensions", Markenerweiterungen, wie sie
Gruner+Jahr vor allem unter dem Dach von Geo sammelt und Schulenburg sie
nennt, sind bisher jedoch noch nicht geplant, "zumindest ist nichts
spruchreif". Von Philipp Köster hätte man ebenfalls gern etwas über seine
Sicht der Dinge erfahren, aber er war in den vergangenen Tagen für die taz
nicht erreichbar.
Bislang kooperierte 11 Freunde mit dem zu Holtzbrinck gehörenden Berliner
Tagesspiegel. Für die Regionalzeitung liefert die Redaktion derzeit die
tägliche WM-Beilage und bestückt deren iPhone-App. Eine enge Kooperation
und Textaustausch besteht auch mit "Spiegel Online". An diesen
"redaktionellen Kooperationen" wird sich laut Schulenburg zunächst nichts
ändern. Auch der Vertrieb über eine Tochter der Axel Springer AG bleibt
bestehen. Lediglich die Vermarktung wolle Gruner+Jahr ab Herbst übernehmen.
Viele Leser werden hoffen, dass diese Ankündigungen auch mittelfristig
Bestand haben und vieles beim Alten bleibt: Als das 11 Freunde 2007 von
einem matten Umschlag auf einen glänzenden wechselte, hagelte es Proteste.
Das Fanzine-Gefühl war dahin, 11 Freunde plötzlich ein Hochglanzmagazin
geworden. Der Auflage hat das bisher nicht geschadet - und teurer verkaufen
ließen sich die Werbeplätze auf dem Glanzumschlag überdies. Genau das
erhoffen sich Köster, Hörstmann und Gruner+Jahr wohl nun auch von der
Kooperation: mehr Marketingmöglichkeiten, einen größeren finanziellen
Spielraum für weitere Projekte und eine weiter steigende Auflage. Das
werden die Gründer gewollt haben.
4 Jul 2010
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Fußball
Gruner + Jahr
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fußballmagazin „Ballesterer“: Mehr als Spielergebnisse
Das österreichische Magazin „Ballesterer“ feiert sein 20-jähriges Jubilä…
– und startet gleichzeitig eine Überlebenskampagne.
Sportmagazin ohne Fußball: Immer wieder Boris
Gruner + Jahr bringt mit „No Sports“ ein Sportmagazin für alles außer
Fußball raus. Gemacht wird es von der „11 Freunde“-Redaktion – das sieht
man.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.