# taz.de -- WM-Finale Holland-Spanien: Das Ende der Kloppertruppen | |
> Fünf Erkenntnisse aus dem 1:0-Erfolg der spanischen Schönspieler gegen | |
> die brutalen Niederländer, in der auch Schiedsrichter Webb wieder für | |
> viel Diskussion sorgte. | |
Bild: Für den Schiri nur Gelb wert: Der Holländer Nigel de Jong (re) tritt Xa… | |
1. Die Niederlage des Schiedsrichters | |
Howard Webb wurde ausgepfiffen, als ihm Fifa-Chef Sepp Blatter nach dem | |
Spiel für seine Leistung gratuliert hat. Er war einer der auffälligsten | |
Männer auf dem Platz. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ständig zu | |
pfeifen. Die Niederlande präsentierten sich als letzte Kloppertruppe des | |
modernen Fußballs. Da muss ein Schiedsrichter einfach pfeifen. | |
Zu streng wollte der englische Referee allerdings auch nicht sein.Lange tat | |
er alles, um alle Spieler irgendwie im Spiel zu halten. Weil er Nigel de | |
Jong keine Rote Karte gezeigt hat, nachdem er seinen Gegenspieler mit einem | |
Karatetritt gegen die Brust aus dem Weg geräumt hatte, wurde er von den | |
Spielern nicht mehr für voll genommen. Die Niederländer foulten weiter, was | |
das Zeug hielt. | |
Doch nicht nur für Fouls ist der Schiedsrichter zuständig. Er muss auch | |
entscheiden, ob es einen Eckball oder einen Strafstoß gibt. Hollands | |
Trainer Bert van Marwijk war außer sich darüber, dass der Angriff, der zum | |
Siegtor geführt hat, überhaupt erlaubt wurde. "Der Schiedsrichter hat bei | |
einer Aktion zuvor keinen Eckball gegeben, obwohl jeder aus zehn Kilometern | |
Entfernung gesehen hat, dass es eine Ecke war." Diskussionen über | |
Schiedsrichterleistungen haben die WM beherrscht. Das Finale macht da keine | |
Ausnahme. Und gegen fiese Fußballer hilft auch kein Videobeweis. | |
2. Der Sieg des Offensivfußballs | |
Es ist gerade noch einmal gut gegangen. Die Mannschaft, die Fußball spielen | |
wollte hat sich gegen die Mannschaft, die das Spiel zerstören wollte, | |
durchgesetzt. Spaniens Trainer Vicente des Bosque war das ganz wichtig. "Im | |
Finale hat sich der Offensivfußall, der Qualitätsfußball durchgesetzt", | |
sagte er. Wieder einmal hatten die Spanier ein Spiel dominiert. Wieder | |
einmal war ihr Gegner viel weniger (43 Prozent) in Ballbesitz als die | |
Spanier. | |
Weltmeister ist die Mannschaft geworden, die immer und überall auf dem | |
Spielfeld die Kontrolle ausüben will. Doch der spanische Fußball ist zwar | |
dominant, aber nicht unbedingt zwingend. Alle vier Spiele der K.o.-Runde | |
hat der Weltmeister mit 1:0 gewonnen. "Die beste Mannschaft" (Bert van | |
Marwijk) hätte jedes dieser Spiele auf irgendeine Art auch verlieren | |
können. Das Glück bei dieser WM war mit den Spielerischen. | |
Und noch eine gute Nachricht für den Offensivfußball hat die WM parat. | |
Diego Forlan, der fünf Mal für Uruguay getroffen hat in diesem Turnier, | |
wurde von den WM-Journalisten zum besten Spieler dieser Weltmeisterschaft | |
gewählt. Er ist derjenige, der dem Fußball aus Uruguay ein neues Gesicht | |
gegeben hat. Uruguays Teams galten lange als die letzten, echten | |
Kloppertruppen auf den Globus. Jetzt spielen sie. Gut so! | |
3. Der Superstar im Kollektiv | |
Andres Iniesta wäre um ein Haar vom Platz gestellt worden. Stinksauer war | |
er auf Mark von Bommel, der nicht aufhören wollte, ihm auf den Füßen | |
herumzustehen. Er schubste ihn einmal einfach weg. Howard Webb ließ die | |
Rote Karte stecken. Der meistgefoulte Spieler des Abends durfte | |
weitermachen. | |
Was für ein Glück für Spanien und was für ein Glück für das Spiel! Die | |
besten Pässe, die schönsten Tricks und am Ende das Tor. Iniesta war der | |
herausragende Offensivakteur des Finales. "Die Mannschaft hat hervorragende | |
Arbeit geleistet", sagte er nach dem Spiel. Immer wieder kamen die Arbeiter | |
und umarmten ihren Torschützen. Messi, Cristiano Ronaldo und Wayne Rooney | |
haben den WM-Kosmos längst verlassen. Das spanische Fußballkollektiv hat | |
einen ganz anderen, den echten WM-Star hervorgebracht: Andreas Iniesta. | |
Und wie es sich für einen echten Star gehört, sorgte er für die rührendste | |
Herz-Schmerz-Geschichte des Finales. Sein Tor widmete er seinem Freund Dani | |
Jarque. Der war Mittelfeldspieler bei Espanyol Barcelona und ist 2009 im | |
Alter von 26 Jahren in einem Hotelzimmer an Herzversagen gestorben. | |
Iniesta: "In diesen Augenblicken gehen einem viele Erinnerungen durch den | |
Kopf, das ist bewegend." | |
4. Das Scheitern des Gewaltfußballs | |
Was hatten viele Beobachter noch geschimpft nach dem Halbfinale der | |
Deutschen gegen die Spanier. Man hätte physischer spielen müssen, hieß es | |
und nicht wenige schimpften gar darüber, dass kein deutscher Spieler eine | |
Gelbe Karte gesehen hat. Die Niederlande haben es im Endspiel mit dem | |
Gegenprogramm zum deutschen Abwehrversuch probiert. 28 Mal haben sie ihre | |
Gegenspieler gefoult, nicht selten richtig rüde. Sieben Gelbe Karten | |
bekamen sie. Milde. John Heitinga flog in der Verlängerung mit Geld-Rot vom | |
Platz. | |
Geholfen hat es nichts. Sie sind genauso gescheitert wie die Deutschen. Und | |
doch gab es einen Unterschied. Im Halbfinale brauchten die Spanier eine | |
Standardsituation, um zu gewinnen. Die Holländer wurden, wenn auch spät, | |
ausgespielt. Das ist eine der guten Nachrichten des Finalabends: Treten ist | |
echt von gestern. Wenn schon Scheitern, dann schön. | |
5. Der Sieg des Lebens über das Spiel | |
Am Ende gehört das Feld immer den Fußballern. Wenn sie ihre Medaillen haben | |
und den Pokal, tollen sie über den Platz, gerade so, wie es ihnen gefällt. | |
Gut so, dass nicht auch noch Fifa-Präsident Sepp Blatter mit auf die | |
Ehrenrunde geht. Der musste die Bühne schnell wieder räumen, nachdem er, | |
assistiert von Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma, den WM-Pokal an | |
Spaniens Torhüter Iker Casillas übergeben hatte. | |
Den sollte eigentlich Nelson Mandela dem Siegerkapitän in die Hand drücken. | |
So hatte es Blatter drei Tage vor dem Finale angekündigt. Am liebsten hätte | |
er Mandela wohl gezwungen, die Siegerehrung durchzuführen. Dessen Enkel | |
beklagte den Druck den die Fifa auf seinen Opa ausgeübt habe. So durfte | |
Möchtegernfriedensnobelpreisträger Blatter nur kurz die Hand des | |
Friedensnobelpreisträgers drücken, als dieser eine Stunde vor Anpfiff des | |
Finales seine Winkerunde über den Platz beendet. Zu mehr ließ sich der | |
91-Jährige von der Fifa nicht überreden. | |
Für viele Menschen im Stadion war dies der bewegendste Moment des Abends. | |
Lauter als bei Mandelas Kurzbesuch in Soccer City war es auch nicht, als | |
Andreas Iniesta das entscheidende Tor geschossen hat. Brot hat am Tag des | |
WM-Finals über Spiele gesiegt. | |
12 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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Schwerpunkt Deniz Yücel | |
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