# taz.de -- Verbot tödlicher Sportwaffen gefordert: Waffenrecht vor Gericht | |
> Eine Initiative klagt vor dem Verfassungsgericht gegen das geltende | |
> Waffengesetz. Das nach Winnenden geänderte Gesetz stelle den Schießsport | |
> über das Recht auf Leben. | |
Bild: Ein Sportschütze präsentiert eine Pistole und einen Revolver vor einem … | |
STUTTGART taz | Die Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen" will am | |
Mittwoch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das | |
Waffenrecht einreichen. Neben dem Sprecher der Initiative, Roman Grafe, | |
klagen auch zwei Eltern von Opfern des Amoklaufs von Winnenden und | |
Wendlingen im März 2009. Sie wollen ein Verbot von potenziell tödlichen | |
Sportwaffen erzwingen. | |
"Das Waffengesetz stellt bislang das Recht auf das Ausüben des Schießsports | |
über das Recht auf Leben", sagt Roman Grafe. Dies widerspreche Artikel zwei | |
des Grundgesetzes. "Der Waffenwahn gehört verboten", sagt Grafe. Am 11. | |
März 2009 hatte ein 17 Jahre alter Amokläufer in den | |
baden-württembergischen Kleinstädten Winnenden und Wendlingen 15 Menschen | |
und sich selbst getötet, die meisten Opfer waren Schülerinnen, Schüler und | |
Lehrerinnen in einer Schule. | |
In Reaktion auf das Blutbad hatte die damalige Bundesregierung aus SPD und | |
Union am 25. Juli 2009 das Waffenrecht verschärft. Unter anderem können | |
Behörden seitdem ohne Ankündigung kontrollieren, ob Besitzer ihre Waffen | |
vorschriftsgemäß in Sicherheitsschränken verschlossen halten. Munition und | |
Waffen dürfen nicht zusammen aufbewahrt werden. Auch dürfen junge Menschen | |
erst ab 18 und nicht mehr ab 14 Jahren mit Großkaliberwaffen schießen. | |
Diese Veränderungen bezeichnet Grafe als "Schlafsand für das Volk". Nach | |
der Aufregung um den Amoklauf von Winnenden habe man die Bürger lediglich | |
mit "Pseudopolitik" beruhigen wollen. Die Anhebung der Altersgrenze, so | |
Grafe, sei deshalb nicht effektiv, weil auch ein 18-Jähriger Amok laufen | |
könne, außerdem könnten auch Kleinkaliberwaffen töten. Zudem könne jemand, | |
der mit Kleinkalibern trainiert habe, auch mit Großkalibern gezielt töten. | |
Auch die Kontrollen der Aufbewahrung würden wenig helfen, denn ein | |
Amokläufer, der selbst Sportschütze ist, werde seine Waffe wahrscheinlich | |
ordnungsgemäß aufbewahren, sagt Grafe. Was die Verschärfungen des | |
Waffenrechts gebracht haben, zeigen einige Zwischenbilanzen: In | |
Baden-Württemberg beispielsweise wurden seit Inkrafttreten der | |
Gesetzesänderungen bis Ende 2009 gut 1.500 Waffenbesitzer kontrolliert. In | |
etwa 50 Prozent der Fälle verstießen die Besitzer gegen die Vorschriften | |
der sicheren Aufbewahrung. | |
Was die Bundesregierung als Erfolg wertet, weil Verstöße frühzeitig | |
aufgeklärt würden, bestätigt für Grafe nur seine Kritik: "Alle | |
Sportschützen wissen von Winnenden und alle wissen von den Verschärfungen – | |
und trotzdem ändern etliche nichts an ihrem Verhalten." Er verweist auch | |
auf aktuelle Berichte aus Schleswig-Holstein. Dort haben Beamte der | |
Waffenbehörde im Kreis Plön elf zufällig ausgewählte Personen zu Hause | |
besucht. Anzahl der Beanstandungen: neun. Ähnlich wie im Fall von Winnenden | |
befanden sich die Waffen unter anderem im Kleiderschrank, im Koffer oder | |
unter den Betten. Ein Mann konnte sich angeblich nicht mal mehr erinnern, | |
wo seine Schusswaffe gerade lag. | |
Auch weisen Kritiker immer wieder darauf hin, dass die zuständigen | |
Waffenbehörden mangels Personal mit den Kontrollen überfordert seien. In | |
Nürnberg beispielsweise hatte sich die Stadtverwaltung vorgenommen, pro | |
Jahr 80 Waffenbesitzer zu kontrollieren, es würde hundert Jahre dauern, bis | |
alle überprüft wären. | |
Das Bundesinnenministerium äußerte sich bis Redaktionsschluss auf | |
taz-Anfrage am Montag nicht zum geltenden Waffenrecht. In einem | |
Antwortschreiben auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im April 2010 heißt es: | |
"Die Bundesregierung sieht für weitere Restriktionen im Schießsport derzeit | |
keine Notwendigkeit. Die mit der letzten Änderung des Waffengesetzes | |
erlassenen Vorschriften – insbesondere zur Altersgrenze – stellen eine | |
ausreichende Grundlage dar, um insbesondere Jugendlichen den Zugang zu | |
Waffen zu erschweren." Für Grafe ist der Zugang allerdings erst ausreichend | |
erschwert, wenn er gänzlich illegal ist. | |
20 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Nadine Michel | |
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