# taz.de -- Kommentar Plebiszite: Demokratie ist kein Wunschkonzert | |
> Hamburg zeigt, dass der Bürger ein schwieriges Wesen sein kann. Wer die | |
> Form der Demokratie aber vom Ergebnis abhängig macht, hat sie nicht | |
> verstanden. | |
Bild: Politikverdrossenheit ade? Schüler werben für die Schulreform. | |
Was für eine Enttäuschung! Da haben sich progressive Kräfte jahrelang, | |
nein, jahrzehntelang für mehr Basisdemokratie eingesetzt. Und was macht das | |
Volk, jetzt, wo es die verkrusteten Strukturen des herkömmlichen | |
Politikbetriebs aufbrechen könnte? Es stimmt, wie jetzt in Hamburg, | |
rückwärtsgewandt und konservativ, gegen jede Neuerung. Man könnte glatt den | |
Glauben verlieren - den Glauben daran, dass die direkte Demokratie eine | |
gute Idee ist. Und dass das Volk schlau genug ist, in Volksentscheiden eine | |
kluge Wahl zu treffen. | |
Aber: Sind Parlamentarier eigentlich schlauer? Die entscheiden zwar häufig | |
im Sinne ihrer Wähler. Aber nicht immer. Gerade wenn es um Grundsätzliches | |
geht, heißt es, könnten Politiker verantwortungsvoller entscheiden als eine | |
zufällige Bevölkerungsmehrheit. Nicht so unreflektiert wie die breite | |
Masse. Schließlich beschäftigen sie sich intensiv mit der jeweiligen | |
Materie und lesen - hoffentlich - nicht nur die Boulevardpresse. | |
Nur: Ob einem gefällt, was Politiker so entscheiden, hängt vom jeweiligen | |
Standpunkt ab. Wenn etwa, wie jetzt in Hamburg, selbst die CDU gegen die | |
Mehrheit der Bevölkerung eine progressive Bildungspolitik vertritt, mag man | |
das begrüßen und über das blöde Volk stöhnen. Wenn hingegen selbst die | |
Grünen gegen die Mehrheit der Bevölkerung Bundeswehreinsätze mittragen, mag | |
man das kritisch sehen - und sich einen Volksentscheid wünschen. Wer aber | |
die Form der Demokratie von ihrem Ergebnis abhängig macht, hat ihren Sinn | |
nicht verstanden. | |
Das Hamburger Ergebnis zeigt, dass der Bürger ein schwieriges Wesen sein | |
kann. Und dennoch zeigt auch dieser Volksentscheid, wie notwendig | |
Basisvoten sind. Schließlich trat hier eine Initiative erfolgreich gegen | |
eine Allparteienkoalition an. Wenn es aber einem kompletten Parlament nicht | |
gelingt, die Bürger von einem Schritt nach vorn zu überzeugen, dann ist das | |
ein Problem der Politiker - und nicht eines der Bürger. | |
Anders als in einer rein repräsentativen Demokratie kann eine Regierung bei | |
der direkten Demokratie nicht mehr allein auf ihre Mehrheit im Parlament | |
vertrauen. Sie muss stets auch mit Stimmen aus der nörgelnden, | |
uneinsichtigen Bevölkerung rechnen. Zum Glück, denn für diese macht sie ja | |
schließlich ihre ganze Politik. Das ist zwar anstrengend, aber wer sagt | |
denn, dass Demokratie immer ein reines Vergnügen ist?! | |
21 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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