# taz.de -- Augenzeugen-Bericht aus Duisburg: "Die Jugendlichen wurden missbrau… | |
> Die Jugendlichen wurden als Statisten eines exotischen Spektakels | |
> missbraucht, ihre Bedürfnisse zählten kaum, meint der | |
> Erziehungswissenschaftler Horst Zimmer. | |
Bild: "Ihre Bedürfnisse zählten hier kaum": Trauernde auf der Loveparade. | |
DUISBURG taz | Es war ein befremdliches Bild, das Duisburg am | |
Samstagvormittag bot: ein riesiges Polizeiaufgebot; dutzende Beamte vor | |
Spielplätzen oder Grünanlagen, denen man, wie mir eine Polizistin | |
bestätigte, aufgetragen hatte, die Besucher abzuwehren. Schon der Anblick | |
der Jugendlichen, die auf der Straße saßen, weil man ihnen keine Parkbank | |
gönnte, erweckte bei mir den Eindruck: Hier geht es nicht darum, die | |
Jugendlichen zu schützen, es geht darum, Duisburg vor den Jugendlichen zu | |
schützen. | |
Diese schlechte Behandlung der Besucher setzte sich auf dem Gelände fort: | |
der Schotter, den man ausgelegt hatte und der alles in eine schwarze | |
Staubwolke hüllte; die Zäune, mit denen das Gelände doppelt und dreifach | |
abgesperrt war - eine gigantische Geringschätzung mit diesem beängstigenden | |
Tunnel als traurigem Höhepunkt. | |
Spätestens als ich mittags dort durchging, war mir klar: Die Belange und | |
Bedürfnisse der Besucher zählen hier kaum, man will lediglich im Rahmen der | |
"Kulturhauptstadt Ruhrgebiet" ein Event inszenieren und bestimmte Bilder | |
produzieren. | |
Nicht immer missachtet die Erwachsenengesellschaft die Interessen von | |
Jugendlichen, natürlich gibt es positive Beispiele. In Duisburg aber waren | |
die Vorbereitungen miserabel und die Verhältnisse unzumutbar. Man hat die | |
Jugendlichen als Statisten missbraucht. Und nun versucht die | |
Erwachsenengesellschaft sich selbst zu rechtfertigen und den jungen Ravern | |
die Schuld an den schrecklichen Ereignissen anzulasten, indem man so tut, | |
als handle es sich bei ihnen um eine Horde aggressiver Betrunkener. | |
Gut, natürlich habe ich dort Betrunkene gesehen, aber keineswegs mehr als | |
auf dem Kölner Karneval. 99,5 Prozent der Gäste waren gesittete, | |
freundliche junge Leute. Sie wollten Musik hören, Spaß haben und einen | |
guten Tag erleben. Mit ihnen oder der Ravekultur hatte die Panik nichts zu | |
tun. Unter diesen Bedingungen hätte diese auch auf einem Kirchentag | |
ausbrechen können. Nun wünsche ich mir, dass man dies einsieht. Dass man | |
die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht. Und man jugendliche | |
Subkulturen nicht länger ausgrenzt oder als exotisches Spektakel | |
missbraucht. | |
Protokolliert von Denzi Yücel | |
26 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Horst Zimmer | |
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