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# taz.de -- NS-Kriegsverbrechen: Deutschem Demjanjuk droht Prozess
> Samuel K. sagte als Zeuge im Verfahren gegen Demjanjuk aus. Jetzt soll er
> sich selbst für den Mord an zehntausenden Menschen verantworten.
Bild: Sie wollen Gerechtigkeit: Überlebende von Vernichtungslagern.
Bisher stand der 90-jährige Samuel K. nur als Zeuge vor Gericht. Jetzt wird
ihm wahrscheinlich selbst der Prozess gemacht. Nach taz-Informationen ist
am Mittwoch beim Landgericht Bonn die Anklageschrift gegen den mutmaßlichen
Kriegsverbrecher eingegangen. Damit ist ein Verfahren eröffnet, dem eine
ähnliche Bedeutung zugemessen wird, wie dem Prozess gegen den Massenmörder
John Demjanjuk.
Ob es im Fall Samuel K. zur Hauptverhandlung kommt, prüfe derzeit die
Kammer, sagte ein Sprecher gegenüber er taz, der sich zu den erhobenen
Vorwürfen nicht konkret äußern wollte. Der taz liegen jedoch Informationen
vor, nach denen K. sich wegen Beihilfe zum Mord in mehreren 10.000 Fällen
zu verantworten hat. Außerdem wird K. vorgeworfen, einmal acht und einmal
zwei jüdische Inhaftierte ermordet zu haben.
Im Demjanjuk Prozess hatte K. offen Auskunft darüber gegeben, dass er von
der SS rekrutiert und im Lager Trawniki ausgebildet worden sei. Damit
gehörte K. zu den so genannten Trawnikis, einer Truppe von etwa 5.000
ausländischen Helfern, in erster Linie Ukrainer und Volksdeutsche, die die
Nazis für die Massenmorde im besetzten Osteuropa ausbildeten. Auch
Demjanjuk war von der SS im Lager Trawniki ausgebildet worden.
K. hat in Belzec, einem NS-Vernichtungslager auf polnischem Territorium als
Wachmann gearbeitet. Was dort geschah, darüber habe sich niemand Illusionen
gemacht. "Uns allen war klar, dass dort die Juden vernichtet und später
dann auch verbrannt wurden. Wir konnten dies auch täglich riechen", sagte
er als Zeuge vor Gericht.
K. wurde in Sichelberg an der Wolga geboren und war damit ein
Volksdeutscher. Während des Russlandfeldzugs nahm die Wehrmacht den damals
20-Jährigen gefangen. Vor die Wahl gestellt, im Kriegsgefangenenlager Chelm
unter grauenhaften Bedingungen dahin zu vegetieren oder mit den Nazis zu
kooperieren, entschied K. sich für Letzteres.
Während Demjanjuk 1952 in die Vereinigten Staaten auswanderte, ließ sich
K., inzwischen deutscher Staatsbürger, im Rheinland nieder. Beide bauten
sich eine neue Existenz auf, der eine als Autoarbeiter in Ohio, der andere
als Hauptamtsgehilfe und Amtsmeister - bezahlt von einem Bundesministerium.
John Demjanjuk wurde von der deutschen Justiz im Mai mittels eines
aufwändigen Abschiebeverfahrens aus den USA ins Land geholt, obwohl er für
seine Vergangenheit bereits mehrere Jahre in einem israelischen Gefängnis
gesessen hat. Samuel K. hingegen durfte in der Bundesrepublik über 60 Jahre
ein ruhiges Leben führen, wie viele andere Nazi-Schergen. Damals
interessierte die Justiz sich allenfalls für Haupttäter - und auch die
kamen oft ungeschoren davon. Mit dem Eingang der Anklageschrift könnte es
mit diesem ruhigen Lebensabend allerdings bald vorbei sein.
28 Jul 2010
## AUTOREN
Ines Pohl
Klaus Hillenbrand
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