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# taz.de -- Bahn in Baden-Württemberg: Kosten explodieren
> "Stuttgart 21", neue Trassen: Die Projekte der Bahn in Baden-Württemberg
> werden immer teurer. Die Reaktionen aus der Politik: Weiter so.
Bild: Die ICE-Trasse Wendlingen-Ulm: Nur eine der Kostenexplosionen der Bahn.
Die Kosten steigen um fast 50 Prozent, doch Rüdiger Grube gibt sich
gelassen. "Das hat mich überhaupt nicht gewundert", sagte der Bahnchef am
Mittwoch auf der Halbjahrespressekonferenz der Bahn. Am Tag zuvor hatte er
bekannt gegeben, dass die geplante Schnellbahnstrecke zwischen Ulm und
Stuttgart nicht wie bislang vorgesehen gut zwei Milliarden Euro, sondern
etwa 865 Millionen Euro teurer werden dürfte.
Solche Bahntrassen sind Bundesaufgabe, weshalb das Geld eigentlich aus dem
Verkehrsministerium kommen müsste. Doch so leicht scheint die Rechnung
nicht zu sein: "Der Bund ist mit der Bahn und dem Land Baden-Württemberg im
Gespräch, um die Finanzierung unter den neuen Gegebenheiten
sicherzustellen", sagte eine Sprecherin des Ministeriums der taz. Soll
heißen, dass man offenbar nicht gewillt ist, einfach ein paar Millionen
draufzulegen. Unklar ist auch, ob andere Verkehrsprojekte für die
Neubaustrecke zusammengestrichen werden.
Die Sache wäre halb so schlimm, würden Bahn, Bund und Land
Baden-Württemberg nicht an anderer Stelle derzeit beginnen, offiziell 4,1
Milliarden Euro in Stuttgart zu verbauen: Im Projekt "Stuttgart 21" soll
der Kopfbahnhof der Stadt um 90 Grad gedreht und in einen unterirdischen
Durchgangsbahnhof verwandelt werden. Ohne die neue Strecke nach Ulm aber
wäre der Bahnhof nutzlos - die Fahrzeit von Stuttgart nach Ulm soll zwar
von 54 auf 28 Minuten sinken. Allerdings nur, wenn auch die ICE-Trasse über
die Schwäbische Alb gebaut wird.
Grube hat nun gesehen, dass bei den Kalkulationen Preise des Jahres 2004
zugrunde gelegt wurden. Inflationsbedingt kommen jetzt 200 Millionen Euro
dazu, doch 665 Millionen entfallen auf den Tunnelbau und neue Bauauflagen.
Grube hat noch mal neu rechnen lassen. "Mit viel Nachdruck auch intern"
habe er "erzwungen", dass die Zahlen, die auf den Tisch gelegt werden,
"nach bestem Wissen und Gewissen" erstellt werden.
Man kann das verstehen als versteckte Kritik an seinem Amtsvorgänger und
allen anderen, die das Projekt gegen den Widerstand in der Politik und der
Bevölkerung durchboxen wollen. Doch noch steht Grube, trotz aller
Mehrkosten, zu "Stuttgart 21". Die neue Schnellbahnstrecke macht für die
Bahn weiterhin volkswirtschaftlich Sinn, und beim neuen Stuttgarter
Hauptbahnhof soll nun ein strenges Kostenmanagement dafür sorgen, dass die
Kosten nicht die jetzt festgelegte "Sollbruchstelle" von gut 4,5 Milliarden
Euro überschreitet, sagt Grube. Bedeutet: Der Bahnhof wird etwas weniger
schick, bekommt vielleicht ein paar Eingänge weniger, aber er wird gebaut.
In Stuttgart schenkt die Bevölkerung den Projektplanern schon lange keinen
Glauben mehr - immer wieder sind Kostenexplosionen verkündet worden, jüngst
Anfang des Jahres von 2,8 auf jetzt 4,1 Milliarden Euro. Projektgegner
sehen ein Milliardengrab und fordern, den alten Bahnhof zu erhalten und zu
renovieren. Jetzt fühlen sie sich bestätigt, weil unabhängige Gutachter
schon lange von Kostenexplosionen ausgehen, bis zu einem zweistelligen
Milliardenbetrag für "Stuttgart 21" und die Strecke nach Ulm. Erst in
dieser Woche besetzten sie den Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes,
der demnächst abgerissen werden soll. Die Polizei räumte, noch soll ein
Aktivist in Haft sein. Matthias von Herrmann ist Pressesprecher der
"Parkschützer": Bereits über 17.000 Unterstützerinnen und Unterstützer
wollen verhindern, dass im Park neben dem Bahnhof Bäume für "Stuttgart 21"
gefällt werden. "Selbst wenn der Nordflügel abgerissen wird, steht noch der
Südflügel des Hauptbahnhofs. Dann wird es noch mehr Widerstand geben", sagt
von Herrmann. Der Widerstand werde friedlich sein, betont er, seit Monaten
trainiere man Sitzblockaden.
Winfried Hermann, grüner Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag,
kritisiert eine grundsätzlich falsche Priorisierung von Projekten bei der
Bahn: "Wenn man das gesamte Schienensystem in Deutschland betrachtet, ist
die Strecke Stuttgart-Ulm absolut zweitrangig", sagt er der taz. Er
plädiert für den Kopfbahnhof in Stuttgart, weil der auch ohne die
ICE-Strecke nach Ulm Sinn machen würde - nämlich für den Nahverkehr.
Die Bevölkerung ist mehrheitlich gegen das Projekt, SPD, FDP und CDU dafür,
nur die Grünen dagegen. Im kommenden Jahr sind Landtagswahlen in
Baden-Württemberg. Die SPD, die derzeit mit den Grünen erstmals in der
Geschichte des Landes in Umfragen vor Schwarz-Gelb liegt, ändert ihren Kurs
aber nicht: "Wir stehen hinter ,Stuttgart 21' und der Neubaustrecke nach
Ulm, weil die Kostensteigerungen für uns nachvollziehbar sind", sagte der
Spitzenkandidat und Landesvorsitzende der SPD, Nils Schmid, der taz.
Dass durch Detailplanungen Kostensteigerungen frühzeitig erkannt werden,
sei gut. Das gebe Planungssicherheit und sorge für mehr Transparenz. Bei
den Grünen bleibt das nicht ohne Wirkung: Weil die SPD "Stuttgart 21"
"genauso fanatisch" vorantreibe wie die CDU, sagte der Grünen-Fraktionschef
im Landtag, Winfried Kretschmann, werde man nach den Wahlen auch mit der
CDU verhandeln.
28 Jul 2010
## AUTOREN
I. Arzt
S. Kosch
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