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# taz.de -- Deutsche Bahn unter Beschuss: Jetzt kommt´s ganz dicke
> Jetzt befasst sich der Bundestag mit den Hitzepannen bei der Bahn. Deren
> Chefs stehen in der Kritik. Jetzt drohen auch noch Milliardenausfälle im
> Regionalverkehr.
Bild: Nicht nur Passagiere lassen den Kopf hängen: auch den Bahn-Chefs wird je…
BERLIN/DÜSSELDORF apn/afp/rtr | Fast schon könnte man Mitleid haben mit der
Deutschen Bahn. Dachte man anfangs noch, die Aufregung um die Hitzepannen
in ICE-Zügen sei sommerlochbedingt von kurzer Dauer, bewahrheitet sich
jetzt das Gegenteil.
Der Verkehrsausschuss des Bundestages ist am Donnerstagvormittag zu einer
Sondersitzung zusammengekommen, um Bahn-Vorstand Rüdiger Grube,
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und Vertreter des
Eisenbahn-Bundesamtes zu den Ausfällen der Klimaanlagen in den vergangenen
Wochen zu befragen. "Wir wollen klären, was die Ursachen sind und über
Lösungen sprechen. Was hat die Bahn getan und was wird sie tun, dass sowas
nicht mehr vorkommt", sagte der Ausschussvorsitzende Winfried Hermann
(Grüne) unmittelbar vor der Sitzung am Donnerstag in Berlin.
"Die Frage ist natürlich auch, warum ist es in den vergangenen Tagen besser
geworden. Hat es eine intensivere Wartung gegeben, hat es Verbesserungen
der Technik gegeben? Das muss auch gesagt werden. Es ist wichtig, dass die
Bahn alles tut, dass sie ihr Image endlich mal aufpoliert", sagte
Ausschussmitglied Uwe Beckmeyer (SPD). Grube und Ramsauer wollten sich vor
der Sitzung nicht äußern.
Im Vorfeld ist Bahnchef Grube von mehreren Seiten unter Beschuss geraten.
Der Verband der Bahnindustrie zeigte sich am Donnerstag empört über seinen
Vorwurf, die Industrie habe Züge in schlechter Qualität geliefert und
verwies auf mögliche Wartungsmängel. Die Lokführergewerkschaft GDL warf der
Bahn vor, zu spät auf die Probleme reagiert zu haben. Grube hatte im
Zusammenhang mit dem Hitze-Chaos bei ICE-Zügen gesagt, die Bahn habe von
der Industrie bislang "fast nie Züge geliefert bekommen, die auch das
geleistet haben, wofür wir bezahlt haben". Der Hauptgeschäftsführer des
Verbandes der Bahnindustrie, Ronald Pörner, wies dies entschieden zurück:
"Die Hersteller liefern keinen Schund, keine Züge mit System-Fehlern",
sagte er der Berliner Zeitung. Gerade bei den jetzt beanstandeten
Klimaanlagen habe die "Bahn selbst erklärt, dass kein systematischer
Fehler, kein Konstruktionsfehler" vorliege. Die Branche sei deshalb "sehr
überrascht und irritiert" über die "unberechtigten" Anschuldigungen Grubes.
Der Fahrgastverband Pro Bahn bezeichnete derweil auch die nachgebesserten
Entschädigungen der Bahn für Opfer der Hitze in den Zügen als unzureichend.
500 Euro Schmerzensgeld für Fahrgäste, die wegen ausgefallener Klimaanlagen
der Bahn schwere Gesundheitsschäden erlitten haben, sei zu wenig, sagte
Pro-Bahn-Vorstandsreferent Joachim Kemnitz der Berliner Zeitung. "Wer
deswegen im Krankenhaus behandelt werden musste, sollte sich mit 500 Euro
nicht zufrieden geben. Das deckt nicht einmal die Transportkosten mit dem
Krankenwagen".
Unterdessen sorgt ein Gerichtsurteil für Sorgenfalten bei den Bahn-Chefs,
drohen doch im Nahverkehr Milliardenausfälle. Der Bundesgerichtshof (BGH)
soll die jahrelangen Streitereien um die milliardenschweren Vergaben von
Nahverkehrsaufträgen ohne Ausschreibung entscheiden. Das Oberlandesgericht
Düsseldorf verwies einen solchen Fall aus Nordrhein-Westfalen am Mittwoch
an den BGH. Die Vergabekammer des Gerichts hatte zuvor den Verkehrsvertrag
zwischen der Deutschen Bahn und dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zum
Betrieb von S-Bahnen unwirksam genannt. Die Bahnleistungen hätten nicht
ohne Ausschreibung an die Bahn-Tochter DB Regio vergeben werden dürfen. Das
Oberlandesgericht Brandenburg hatte aber vor einigen Jahren in einem
ähnlich gelagerten Fall anders entschieden. Daher soll jetzt der BGH mit
der Frage befasst werden.
Die Bundesländer vergeben die Aufträge für den Schienen-Nahverkehr an
Verkehrsunternehmen wie die Deutsche Bahn oder deren Konkurrenten. In der
Vergangenheit war dies immer wieder ohne Ausschreibung geschehen. Der Markt
gilt als äußerst lukrativ: Jedes Jahr geben die Länder annähernd sieben
Milliarden Euro für den Nah- und Pendlerverkehr aus. Die Sparte DB Regio
ist daher seit Jahren die profitabelste im DB Konzern.
Hintergrund der sogenannten freihändigen Vergabe des NRW-S-Bahn-Auftrags in
NRW an die DB war ein jahrelanger Streit zwischen VRR und Bahn. Im
vergangenen Jahr endete dieser mit einem Vergleich, der auch die
Verlängerung des bestehenden S-Bahn-Auftrags bis zum Jahr 2023 einschloss.
Dagegen klagte der Bahn-Konkurrent Abellio. Schon die Vergabekammer der
Bezirksregierung Münster hatte Abellio recht gegeben, die Vergabekammer des
Oberlandesgerichts Düsseldorf schloss sich dem nun an.
22 Jul 2010
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