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# taz.de -- Rassismus-Kritik an schwuler Opferhilfe: "Die Vorwürfe sind einfac…
> Maneo, dem Schwulen-Überfalltelefon in Berlin, wird häufiger Rassismus
> vorgeworfen. Sein Leiter, Bastian Finke, über Vorurteile und das Ringen
> um Aufklärung.
Bild: Schwul, selbstbewusst und gerade deshalb gefährdet durch Hassgewalt: Sch…
taz: Herr Finke, nach dem Skandal um Judith Butlers Ablehnung des
CSD-Preises ist die alte Debatte über Rassismus in der homosexuellen Szene
wieder aufgeflammt. Ihrer Opferberatung Maneo wird vorgeworfen, Rassismus
zu schüren, in dem Sie nach der ethnischen Herkunft von Tätern
homosexueller Übergriffe fragen. Was steckt dahinter?
Bastian Finke: Das ist Augenwischerei. Einerseits wird behauptet, dass wir
bezüglich Herkunft der Opfer und Täter nicht genug differenzieren.
Andererseits wird verlangt, dass wir nicht unterscheiden sollen, wenn es um
die Herkunft von Opfern und Tätern geht. Wir sind eine Opferhilfestelle und
erfassen und dokumentieren homophobe Übergriffe, damit aus diesen Vorfällen
Erkenntnisse und Muster gewonnen werden können - und letztendlich auch
aktiv zukünftige Vorfälle verhindert werden.
In Ihren Fragebögen 2006 bis 2008 fragten Sie Opfer von Überfällen, ob der
Täter deutsch gewesen sei oder nicht.
Nein, das stimmt so nicht. Sie sprechen hier konkret von zwei groß
angelegten sozialwissenschaftlich begleiteten Umfragen, die wir 2006/07 und
2007/08 durchgeführt haben. Nur in der zweiten Umfrage haben wir danach
gefragt, ob im Falle einer Gewalterfahrung der Betroffene vermutet, dass
der Täter rechtsradikal, Deutscher, Teil einer schwulenfeindlichen Gruppe
oder selbst homosexuell war. Es ging darum, welchen Hintergrund das Opfer
bei dem Täter vermutet.
Ja. Eben. Und warum fragten Sie danach?
Weil in sozialwissenschaftlichen Umfragen eine solche Frage gefragt werden
darf. Es ist wissenschaftliche Praxis, Äußerungen von Menschen
vorurteilslos aufzunehmen, vor allem dann, wenn sie dies in der vorherigen
ersten Umfrage in großer Anzahl getan haben. Außerdem wollen wir so viele
Erkenntnisse wie möglich gewinnen, die wir dann wiederum in die
Aufklärungsarbeit einbringen können. So ergibt sich der Kreislauf, nicht
anders herum. In dem besagten Fragebogen der zweiten großen Umfrage wird
jedoch nicht explizit nach der ethnischen Herkunft der Täter gefragt.
Im Ergebnisbericht zum Fragebogen wird dann der Wert "Täter nichtdeutscher
Herkunft" als einer von sechs Punkten mit 15,9 Prozent aufgeführt. Das ist
eine erschreckende Aussage.
Ja, das ist die Aussage. Doch es geht dabei um eine Einschätzung der
Befragten. Immerhin kennt nur ein Viertel der Befragten den Täter
persönlich. Das ist ein mit Sozialwissenschaftlern erstellter Fragebogen,
der auch Mutmaßungen nachgeht und nachgehen muss. Uns dabei zu
unterstellen, wir würden damit Feindbilder schaffen und pauschalisieren,
zeigt leider die gravierende sachliche Unkenntnis der Kritiker. Unsere
Arbeit ist doch genau auf das gegenteilige Ziel ausgerichtet.
Mutmaßungen nachzugehen ist eben nicht ganz ungefährlich und kann schnell
Kritik wecken.
Die Fragen sind Werkzeuge, um ein möglichst umfassendes Bild in einem
Bereich mit hoher Dunkelziffer zu zeichnen. Dazu gehört eben auch, dass
Einstellungen und Mutmaßungen erfragt werden. Und den Befunden muss
anschließend auf den Grund gegangen werden. Diese Grundlagenarbeit hat es
in diesem Bereich, der homophoben Gewalt, bis vor wenigen Jahren nicht
gegeben. Aufklärung und Sensibilisierung sind bisher leider immer am Geld
gescheitert.
Glauben Sie, dass Homophobie ein spezielles Problem nichtdeutscher Gruppen
ist?
Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, und es muss überall mehr getan
werden. Aber damit der Arzt ganzheitlich behandeln kann, muss er eben so
viele Informationen über den Patienten sammeln wie möglich. In den USA
übrigens wird bei solchen Umfragen auch von den großen nationalen
Organisationen nach Rasse und Ethnie gefragt.
Das wird in den USA auch im Zensus abgefragt, dort sind diese Begriffe ganz
anders im Gebrauch als in Deutschland. Was aber machen Sie mit den
Informationen - wie helfen Sie dem Patienten, um bei Ihrem Bild zu bleiben?
Es gibt speziell auf die einzelnen Problemfelder ausgerichtete Programme.
Das gilt für die Aufklärungsarbeit wie die Opferhilfe. Wir müssen das große
Bild sehen, aber auch klar benennen, wenn wir in anderen Minderheiten das
Problem der Homophobie haben. Wir sind alle gesamtgesellschaftlichen
Einflüssen ausgesetzt und müssen uns dem stellen - um in Zukunft
vorzubeugen. Das ist unsere Herangehensweise. Wir ignorieren diese Dinge
nicht.
Wie sieht Ihre Opferhilfe konkret aus?
Opfer versuchen in der Regel, sich die Gewalt, die ihnen angetan wurde, zu
erklären. Das ist eine Logik der Verarbeitung von traumatischen
Erfahrungen. Und es entstehen dann Reaktionen auf diese Gewalttaten. Wenn
man von einer alten Oma mit ihrem Dackel und dem Krückstock in der U-Bahn
angegriffen und homophob beleidigt und beschimpft wird, dann kann es
passieren, dass der Betroffene auf die nächste Oma mit Dackel und
Krückstock sensibel reagiert. Bei den Gewaltopfern gehen oftmals Gefühle
durch, da können auch Aggressionen losgehen.
Wie gehen Sie in der Opferberatung damit um?
Es geht dann erst mal um den Menschen. Wir helfen, zu stabilisieren und
Betroffene zu stärken. Die, die Gewalt erlebt haben, wollen ernst genommen
werden. Dabei geht es auch um deren Ängste nach einer solchen Erfahrung.
Das erfordert sehr viel Verständnis und Feingefühl. Wichtig ist die
Einbeziehung derjenigen, die gar kein Opfer waren. Die entwickeln häufig
ähnliche Ängste, und man kann dann nicht einfach sagen, dass diese
unbegründet sind. Wir müssen deutlich machen, dass Pauschalisierungen
überhaupt nichts bringen. Das, was wir beispielsweise in Berlin-Schöneberg
sehen, dieses tolle, wahnsinnig gemischte Kulturgefüge, erleben viele als
toll und erfrischend. Aber manche erleben es als Bedrohung, vielleicht als
Unsicherheit. Darauf müssen wir Antworten finden.
Welche denn?
In Berlin-Schöneberg haben wir zum Beispiel das Projekt Sicherheit im Kiez.
Das ist ein regelmäßiges Forum mit Unternehmen, dem Bezirk und der Polizei.
Da geht es auch um Täter. Es geht darum, Bilder einzureißen und
Pauschalisierungen entgegenzutreten. Wenn nach einem Überfall einer brüllt,
das waren wieder die und die, können wir zeigen, dass es viel
differenzierter ist. Dann können wir genauer hingucken und zeigen, wer die
Täter sind, wo die herkommen. Dann gibt es Stress mit den Anwohnern, und
dann sprechen wir mit Sozialarbeitern und so weiter. Wir gehen da
vielschichtig heran und sehen, was wir verändern können.
Herr Finke, haben Sie manchmal das Gefühl, dass zu viel von Ihnen verlangt
wird - Kampf gegen Homophobie, Ausländerfeindlichkeit und so weiter?
Wir nehmen eine klare Haltung gegen vorurteilsmotivierte Hassgewalt ein,
gegen Homophobie, auch gegen Ausländerfeindlichkeit. Es sind Impulse, die
wir geben können. Natürlich muss eine klare Haltung eingenommen werden. Da,
wo wir was machen können, machen wir das, aber wir können nicht auf allen
Baustellen gleichzeitig sein, das geht nicht.
Wie empfinden Sie die Feindschaften innerhalb der schwulen Szene?
Wir haben viel gekämpft und vieles erreicht. Aber eben nicht alles. Zum
Beispiel haben wir für das Institut der gleichgeschlechtlichen
Partnerschaft gestritten, begleitet von einer sehr leidenschaftlichen
Debatte. Jetzt haben wir eine gesamtgesellschaftliche Debatte darüber, ob
es heute überhaupt noch Sinn macht, eine Institution wie die Ehe zu
erhalten.
Und die Rassismusvorwürfe gegen Maneo, wie gehen Sie damit um?
Die sind einfach grotesk. Ich frage mich wirklich, ob es eigentlich noch
konstruktive Beiträge aus diesen Gruppen gibt - denn ich bin immer an
Erkenntnissen interessiert. Doch wer nur noch übereinander redet, statt
miteinander an Erkenntnissen über den Umgang mit Minderheiten in unserer
Gesellschaft und an Verbesserungen unser aller Lebenssituation zu arbeiten,
der disqualifiziert sich selbst. Feindbilder führen immer in die Sackgasse.
3 Aug 2010
## AUTOREN
Frauke Böger
## TAGS
Homophobie
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