# taz.de -- Diskussion um ein Grundstück in der Kleinen Rosenthaler Straße: D… | |
> Linke Promis vertreiben uns, sagen die einen. Das Grundstück war leer, | |
> sagen die Eigentümer. Ein neues Lehrstück zum alten Thema: Wem gehört die | |
> Stadt? | |
Bild: Am Tag der Teilräumung: Hausprojekt in der Linienstraße | |
"Baut woanders" steht auf einem Transparent, "der Verwertungslogik | |
entziehen" auf einem anderen. Unter den Parolen haben sich am | |
Dienstagvormittag 50 Leute versammelt, schwarzgekleidet, durchnässt, | |
erwartungsvoll. Für neun Uhr hat sich der Eigentümer des Grundstücks | |
angekündigt. Die Gruppe will verhindern, dass er das Grundstück betritt. | |
Zwischennutzer gegen Baugruppe. Es geht, wieder einmal, um das Thema: Wem | |
gehört die Stadt? | |
Der "Linienhof" ist eine Brache mit ein paar Baracken in der Kleinen | |
Rosenthaler Straße 9 in Mitte. Ab und an kommen ein paar Leute, schrauben | |
an Autos, feiern Parties. Zusammen mit dem benachbarten besetzten Haus | |
Linienstraße 206 ist die Brache die letzte Hinterlassenschaft der | |
Nachwendeprovisorien zwischen Rosenthaler Platz und Hackeschem Markt. Drum | |
herum ist alles gesäubert, manche sagen dazu immer noch Scheunenviertel. | |
Ausgerechnet hier wollen Mathias Greffrath und Hortensia Völckers ihren | |
Traum vom selbstbestimmten Leben verwirklichen. Schimpfen die Protestierer. | |
Nicht nur um Brache versus Baugruppe geht es ihrer Ansicht nach, sondern um | |
linkes Prekariat versus angeblich linke Bauherren: Mathias Greffrath ist | |
Autor, Globalisierungskritiker und taz-Kolumnist; Hortensia Völckers ist | |
künstlerische Leiterin der Bundeskulturstiftung. | |
Kerstin Hansen ist Sprecherin des Vereins "Kathedral", zu dem sich die | |
Nutzer des Linienhofs zusammengeschlossen haben. Freundlich führt sie über | |
den Hof, der aus zwei Grundstücken besteht. Das rechte gehört Greffrath, | |
Völkers und einer Architektin. Auf dem linken stehen ein paar Zugmaschinen. | |
Baracken gibt es nur noch auf dem rechten Grundstück. "Das linke wurde beim | |
Bau des Hotels an der Rosenthaler Straße als Baustelleneinrichtung | |
genutzt", sagt Hansen. Dass dabei auch die Baracken abgerissen wurden, hat | |
keinen Protest hervorgerufen. | |
Entscheidend ist für Kerstin Hansen aber ein Stück Papier: "Wir haben eine | |
Nutzungvereinbarung mit dem Eigentümer", sagt sie. "Ganz am Anfang hat er | |
uns Geld geboten, damit wir das Grundstück verlassen. Das beweist doch, | |
dass wir nicht einfach geräumt werden können." | |
Kerstin Hansen schaut auf die Uhr. Am 22. Juni hat ihr Verein ein Schreiben | |
bekommen. Binnen zweier Wochen sollen sie das Grundstück verlassen. Am 3. | |
August würden der Bauherr und eine Baufirma das Gelände besichtigen, mit | |
den Bauarbeiten solle zwei Tage später begonnen werden. Noch hat sich | |
Greffrath nicht blicken lassen. | |
Vor dem Tor zur Brache wartet auch Sven Lindemann. Der eigentliche Anwalt | |
des Vereins "Kathedral" ist im Urlaub, also schaut sich Lindemann das Ganze | |
an. Für den Szeneanwalt, dessen Mandanten es mitunter mit der | |
Bundesanwaltschaft zu tun haben, ist der Vorort-Termin eine willkommene | |
Abwechslung - auch wegen der Symbolik des Konflikts. Ohne Greffrath und | |
Völkers als Adressaten gäbe es wohl keinen Protest. Das ist die eine Seite | |
der Medaille. Die andere ist die rechtliche Situation. "Wenn es eine | |
Nutzungsvereinbarung gibt", sagt Sven Lindemann, "müssen sich die | |
Eigentümer beim Gericht einen Räumungstitel holen. Alles andere wäre | |
Selbstjustiz." Und wenn nicht? Lindemann lächelt vielsagend. | |
"Hast du gesehen, da ging einer mit einer Kladde vorbei, das war bestimmt | |
der Bauleiter." Es ist 9.45 Uhr. Unter den Protestierern gehen die Gerüchte | |
um. "Da passiert nichts mehr", meint ein anderer. "Wir können doch nicht | |
jeden Morgen mit 50 Leuten dastehen", klagt er. Jemand beschwichtigt. "Die | |
kommen nicht gleich mit dem Bagger. Da müsste vorher zumindest die Straße | |
abgesperrt werden." | |
Wem gehört die Stadt? Im Internet wurde getrommelt, dass mit dem Linienhof | |
ein soziales Kulturprojekt vertrieben werde. | |
Einer, der das Grundstück kennt wie seine Westentasche, ist Andreas Wilke. | |
Seit 20 Jahren arbeitet der Stadtplaner im Koordinationsbüro Mitte, einer | |
Art Anlaufstelle für Mieter und Eigentümer in Sachen Stadterneuerung. Von | |
einem Linienhof hatte er bislang noch nichts gehört. "Das ist doch eine | |
Erfindung", sagt er. "Da soll eine Legende geschaffen werden. Eine | |
Kontinuität hat es hier nie gegeben." | |
Tatsächlich haben die beiden Brachengrundstücke schon viele Nutzer gesehen | |
- von der "kleinen Waffengallerie" bis zu illegalen Clubs. Mit einigen | |
Nutzern hatte die Wohnungsbaugesellschaft Mitte nach der Wende Verträge | |
geschlossen. "Als die WBM die Grundstücke verkauft hat, waren diese | |
Verträge längst gekündigt", sagt Andreas Wilke. Auch der Eigentümer, von | |
dem die Baugruppe ihr Grundstück erwarb, habe keinerlei vertragliche | |
Bindungen gehabt. | |
Es ist zehn Uhr. Dass Mathias Greffrath, der Eigentümer, an diesem Dienstag | |
fernbleibt, hat geografische Gründe. Bis Sonntag ist er noch im Urlaub. Das | |
Geschehen an der Linienstraße lässt ihn trotzdem nicht kalt. "Wenn es hier | |
eine Wagenburg gegeben hätte, hätten wir die Finger davon gelassen", sagt | |
er am Telefon. "Aber das Gelände war frei. Da haben zwar ab und an welche | |
geschraubt, aber das waren nie die gleichen Leute." Mehrere moralische | |
Selbstprüfungen, sagt Greffrath, habe er deshalb über sich ergehen lassen. | |
Das Ergebnis: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Nun heiße es, das Problem | |
zu lösen. | |
Dass die Nutzer der Brache an einer Lösung interessiert seien, glaubt | |
Greffrath nicht. Mehrfach habe er versucht, Kontakt aufzunehmen. Als die | |
Nutzer behaupteten, sie seien Künstler, habe er sich um Atelierräume | |
bemüht. "Alles umsonst", sagt er. "Immer dann, wenn es darum ging, Namen zu | |
bekommen, wurde der Kontakt abgebrochen." Für Greffrath gibt es deshalb nur | |
eine Lösung: "Wenn der Bauleitung der Zutritt auf das Grundstück verwehrt | |
wird, wird es eine einstweilige Verfügung geben. Dann muss das Gericht | |
entscheiden, ob es eine Nutzungsvereinbarung gibt oder nicht." | |
3 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
Hausprojekt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Teilräumung von Berliner Hausprojekt: Morgens um halb acht in Mitte | |
Polizei und Gerichtsvollzieher räumen einen Bewohner eines linken | |
Hausprojekts. Schon kurz darauf wollen Interessenten sein Zimmer | |
besichtigen. |