# taz.de -- Aussage über Ex-Präsident Taylor: Campbell bestätigt Diamantenge… | |
> Ein vor Jahren an Naomi Campbell verschenkter Blutdiamant sollte die | |
> Anklage gegen Liberias damaligen Präsidenten stützen. Doch Campbells | |
> Aussage hilft nicht weiter. | |
Bild: Keine Hilfe für die Kläger: Model Naomi Campbell. | |
DEN HAAG taz/dpa | Das britische Topmodel Naomi Campbell hat ein | |
Diamantengeschenk bestätigt, jedoch keine direkt belastende Aussage über | |
den angeklagten Ex-Präsidenten Charles Taylor gemacht. Vor dem | |
Kriegsverbrecher-Tribunal für Sierra Leone bei Den Haag räumte Campbell am | |
Donnerstag ein, im September 1997 in Südafrika mehrere Rohdiamanten | |
geschenkt bekommen zu haben. Sie könne aber nicht sagen, ob ihr tatsächlich | |
Liberias damaliger Präsident Taylor diese "schmutzig aussehenden Steine" in | |
ihr Zimmer geschickt habe. | |
Die Aussage des Models sollte den Anklägern eigentlich als Beweis für | |
Charles Taylors Besitz von Blutdiamanten zum Zeitpunkt vor 13 Jahren | |
dienen. | |
Dass Campbells Auftritt der mediale Höhepunkt des derzeit höchstrangigen | |
Kriegsverbrecherprozesses der Welt sein soll, ist bezeichnend für den | |
Zustand der internationalen Justiz. Eigentlich müssten die Prozesse um die | |
Verantwortung für zehntausende Tote längst beendet sein. Sämtliche | |
sierra-leonischen Verantwortlichen sitzen längst hinter Gittern, sofern sie | |
noch leben. | |
Dass Liberias ehemaliger Präsident Charles Taylor nun seit drei Jahren als | |
letzter Angeklagter auch vor diesem Gericht steht, wird immer absurder. Ein | |
smoking gun, das zweifelsfrei die von der Anklage vorgeworfene Tat beweist, | |
ist bisher nicht aufgetaucht; der Verdacht, dass Taylor zwischen 1997 und | |
2003 als Präsident Liberias die RUF-Rebellen im benachbarten Sierra Leone | |
faktisch führte, mit Waffen im Austausch für Diamanten ausrüstete und also | |
haftbar ist für ihre Kriegsverbrechen, ist nicht bewiesen. Die wichtigsten | |
Täter sind tot, verschwunden, inhaftiert, amnestiert oder unerreichbar. | |
Essen bei Nelson Mandela | |
Konkret geht es im Fall Naomi Campbell um ein Essen am oder um das | |
Wochenende des 21. September 1997 im Haus von Nelson Mandela in Kapstadt. | |
Zu den Gästen zählten neben Campbell die Schauspielerin Mia Farrow, der | |
Musikproduzent Quincy Jones und eben Charles Taylor. | |
Der damals 49-jährige Taylor, ein durchaus luxusverwöhnter Dandy, war von | |
Campbell, damals 27, derart angetan, dass er ihr im Verlauf des Abends ein | |
Geschenk machte, erinnerte sich ein Zeuge zwölf Jahre später. Mia Farrow, | |
von der Anklage des Tribunals befragt, machte dazu folgende schriftliche | |
Aussage: "Am nächsten Morgen, als wir, die anderen Gäste, meine Kinder und | |
ich, uns zum Frühstück trafen, war Naomi Campbell da und hatte eine | |
unvergessliche Geschichte. Sie sagte uns, sie sei mitten in der Nacht durch | |
Klopfen an ihrer Tür geweckt worden. Sie öffnete die Tür und fand zwei oder | |
drei Männer, ich weiß nicht mehr wie viele, die ihr einen großen Diamanten | |
überreichten und sagten, er sei von Charles Taylor." | |
Campbell dagegen sagte vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal am heutigen | |
Donnerstag, sie habe nicht gewusst von wem die Diamanten seien. "Es war | |
spät und ich war müde", antwortete die 40-Jährige auf die Frage von | |
Staatsanwältin Brenda Hollis, warum sie zwei Boten nicht gefragt habe, | |
woher das Geschenk komme. | |
Campbell will das Paket erst am nächsten Morgen geöffnet haben. Beim | |
Frühstück hätten die US-Schauspielerin Mia Farrow und ihre damalige | |
PR-Agentin Carol White ihr dann gesagt, dass es sich bei den Steinen um | |
ungeschliffene Diamanten handele, die ihr "wahrscheinlich" Taylor geschickt | |
habe. Sie selbst wisse dies aber nicht. | |
Die Rohdiamanten habe sie noch am selben Morgen an den damaligen Chef eines | |
Kinderhilfswerks gegeben, das Südafrikas Präsident Nelson Mandela | |
eingerichtet hatte, gab Campbell unter Eid zu Protokoll. Zu ihrem Erstaunen | |
habe dieser ihr vor einem Jahr gesagt, dass er immer noch im Besitz der | |
Edelsteine sei. | |
Was aber hat dieser Vorfall mit Kriegsverbrechen in Sierra Leone zu tun? | |
Die Anklage erklärte das im Januar so: Mia Farrows Aussage widerlege | |
Taylors Aussage, "dass er jemals Diamanten besaß, als er in der NPF war | |
oder Präsident Liberias war. Sie ist auch schuldrelevant, vor allem wegen | |
des Zeitpunkts des Diamantengeschenk an Naomi Campbell." Denn Taylor reiste | |
von Südafrika weiter nach Libyen und Burkina Faso. | |
Im Oktober wurden aus Burkina Faso Waffen an die RUF geliefert, die | |
"Magburaka-Lieferung", bezahlt mit nach Liberia geschafften Diamanten aus | |
Sierra Leone, "zumindest teilweise", so die Anklage. Wenn Naomi Campbell | |
von Taylor einen Diamanten erhielt, sei erwiesen, dass er über Diamanten | |
verfügte. | |
Gewählter Präsident | |
Was aber war der September 1997 für ein Zeitpunkt? Taylor war zwei Monate | |
vorher demokratisch zum Präsidenten Liberias gewählt worden, Afrika feierte | |
das Ende eines siebenjährigen Krieges, der 150.000 Tote hinterließ. | |
Geltende internationale Sanktionen gegen Liberia wurden aufgehoben, die UNO | |
bereitete eine Geberkonferenz vor. Taylor reiste durch die Welt und | |
sammelte Gelder für den Wiederaufbau seines zerstörten Landes. Nelson | |
Mandela empfing ihn mit offenen Armen. Nach Südafrika fuhr Taylor, wie es | |
damals offiziell hieß, zur "medizinischen Behandlung", aus Libyen brachte | |
er Millionenhilfen zurück, teils in bar. | |
In Sierra Leone war die von Taylor unterstützte RUF damals gar keine | |
Rebellenarmee, sondern Teil einer Militärjunta, die sich im Februar 1997 an | |
die Macht geputscht hatte. Juntachef Johnny Paul Koroma und Charles Taylor | |
waren Kriegsverbündete, beide wurden von anderen Ländern Westafrikas als | |
Usurpatoren geächtet. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn sie | |
miteinander Geschäfte machten. Aber wieso sollte Sierra Leones Junta | |
Charles Taylor Diamanten nach Südafrika mitgeben, damit er sie zu Geld | |
macht, mit dem er in Libyen Waffen kauft, die er dann aus Burkina Faso nach | |
Sierra Leone fliegen lässt? Sie konnte ihre Waffen auch selbst kaufen. | |
Aussage gegen Aussage | |
In den vergangenen Wochen hat der frühere RUF-Führer Issa Sesay das | |
Konstrukt der Anklage ziemlich demoliert. Taylor habe mit der | |
Waffenlieferung von Magburaka nichts zu tun, sagte er aus. Libyens | |
Revolutionsführer Gaddafi habe dem damaligen RUF-Chef Foday Sankoh zwei | |
Millionen Dollar gegeben. Sankoh, damals in Nigeria in einer eher locker | |
gehandhabten Haft, habe seine Generäle daraufhin angewiesen, nach Burkina | |
Faso zu reisen und dort bei einem General Diendéré die Waffen abzuholen. | |
Sierra Leones Juntachef habe den Flug bezahlt. | |
Bereits vom gleichen Tribunal zu 52 Jahren Haft verurteilt, die er in | |
Ruanda absitzt, kann Sesay nichts damit gewinnen, Taylor zu entlasten. Am | |
Schluss wird Aussage gegen Aussage stehen. | |
Staatsanwältin Hollis hoffte nach eigenen Angaben, mit der Aussage des | |
Topmodels belegen zu können, dass Taylor über sogenannte Blutdiamanten aus | |
dem Bürgerkrieg in Sierra Leone verfügte. Für die Waffenlieferungen soll er | |
mit Rohdiamanten im Wert von Hunderten Millionen Dollar bezahlt worden | |
sein. | |
Der 62-jährige Angeklagte hat bislang stets erklärt, er sei unschuldig und | |
habe niemals Diamanten bekommen. Taylor ist in insgesamt elf Fällen | |
angeklagt, direkt mitschuldig zu sein an Massenmorden, Vergewaltigungen, | |
sexueller Versklavung, Folter, Plünderungen und der Zwangsrekrutierung von | |
Kindern als Soldaten. Im Bürgerkrieg von Sierra Leone waren die Opfer vor | |
allem Zivilisten. Taylor droht eine lebenslange Haftstrafe. | |
Deutlich macht diese Affäre, wie problematisch es ist, Verantwortung für | |
Kriegsverbrechen mittels der Wege von Diamanten nachzuweisen. Es gibt viele | |
Gründe dafür, warum in den neunziger Jahren ein westafrikanisches Land nach | |
dem anderen in den Bürgerkrieg schlitterte, aber Diamanten gehören sicher | |
nicht dazu. | |
Lange Zeit war Diamantenschmuggel in der Region ein Akt des antikolonialen | |
Widerstandes. Während der Kolonialzeit war für die meisten Afrikaner der | |
Handel mit wertvollen Rohstoffen verboten. Liberia, bis 1957 der einzige | |
unabhängige Staat Westafrikas, war Schmugglerparadies für Rohstoffe, die | |
Bewohner von Nachbarländern nicht legal exportieren durften. | |
Diese Verbindungen haben sich bis heute gehalten, wie sich der Ruf Liberias | |
als rechtsfreier Raum gehalten hat. Dies bedeutet aber nicht, dass die | |
jeweilige Regierung Liberias den Schmuggel organisiert, davon profitiert, | |
die Verwendung der Erlöse kontrolliert oder gar den Umgang mit davon | |
eventuell erworbenen Waffen. | |
Internationale Sanktionsmechanismen bauen auf der Annahme auf, dass sich | |
Bürgerkriege in Afrika um Rohstoffe drehen, je edler diese, desto brutaler | |
jene: Konflikte in Afrika werden nur mit Rohstoffeinnahmen am Laufen | |
gehalten; die Krieger müssen aufgeben, wenn niemand mehr von ihnen kauft. | |
Das ist ein Denken wie aus der kolonialen Ära, als selbstständiger | |
afrikanischer Handel mit Rohstoffen als zu unterdrückendes Übel galt. | |
Ein Präsident schenkt einem Model einen Diamanten? Da sieht man, was für | |
ein Verbrecher er ist! | |
5 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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