# taz.de -- Google und Netzneutralität: Wer zahlt, sendet schneller | |
> Mauschelt der Netzriese mit einem amerikanischen Telekomkonzern um die | |
> Bevorzugung seiner Dienste? Mehrere US-Medien berichten das. Google weist | |
> die Vorwürfe teilweise zurück. | |
Bild: Google will angeblich für eine schnellere Übermittlung seiner Dienste z… | |
Der Kampf um die sogenannte Netzneutralität ist enorm wichtig für das | |
Internet, sagen Online-Experten und Aktivisten. Dabei geht es um die Frage, | |
ob die großen Telekommunikationskonzerne künftig nach Belieben einzelne | |
Netzangebote bevorzugen können, wenn diese zusätzliches Geld dafür zahlen. | |
Kleinere Websites würden dagegen ausgebremst. Daten wären also nicht mehr | |
gleich schnell unterwegs, wie das seit Anbeginn des Netzes der Fall war. | |
Bislang gehörte der Internet-Riese Google zu den wichtigsten Befürwortern | |
der Netzneutralität - in jeder Anhörung der US-Regierung, die sich seit | |
Jahren mit dem Thema beschäftigt, wies der Konzern die Begehren der | |
Telekom-Firmen zurück, die in schrumpfenden Märkten nach einer neuen, | |
lukrativen Einnahmequellen suchen. | |
Nun soll es allerdings zu ersten Annäherungen zwischen Google und einem | |
US-Telekom-Riesen gekommen sein. Wie die New York Times, die | |
Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg und das Wall Street Journal am | |
Donnerstag übereinstimmend unter Berufung auf informierte Kreise | |
berichteten, verhandele Google intensiv mit Verizon, einem der größten DSL- | |
und Glasfaser-Anbieter der USA. Es gehe um die Frage, unter welchen | |
Umständen Verizon eigene Dienste bevorzugen dürfe. Ziel der Verhandlungen | |
sei es, zu einer industrieinternen Lösung zu kommen, um | |
Regulierungsbemühungen der US-Regierung, die die zuständige | |
Kommunikationsaufsicht FCC umsetzen soll, zuvorzukommen. Laut New York | |
Times könnte das Ergebnis dieser Gespräche angeblich bereits in der | |
nächsten Woche verkündet werden. | |
Besonders kurios: Laut der Zeitung hat es auch Verhandlungen über mögliche | |
Zahlungen Googles an Verizon gegeben, um beispielsweise YouTube schneller | |
an die Nutzer auszuliefern. Die New York Times sieht bereits ein Internet | |
heraufziehen, das an Kabel-Fernsehen erinnert: Nur wer eine bestimmte Summe | |
bezahlt, erhält auch alle Dienste. | |
Bei Google reagierte man auf die erste Welle der Berichterstattung zunächst | |
nicht und verweigerte einen Kommentar. Etwas später dann, nachdem die | |
Meldung in Blogs und sozialen Netzwerken hochkochte, hieß es im offiziellen | |
Twitter-Feed, die New York Times habe nicht recht. "Wir haben keine | |
Gespräche mit Verizon darüber geführt, für den Transfer unseres | |
Datenverkehrs zu bezahlen." Man sei weiterhin um ein offenes Internet | |
bemüht. Eine ähnliche Aussage machte etwas später eine Google-Sprecherin | |
gegenüber den Medien: "Die Geschichte stimmt nicht." | |
Dass es jedoch Verhandlungen zwischen Google und Verizon gibt, wurde nicht | |
verneint. Von Verizon hieß es, die Verhandlungen liefen bereits seit zehn | |
Monaten. "Wir wollen einen Konsens erreichen, der ein offenes Internet und | |
ein Investment in seinen zukünftigen Bestand zulässt", so die Firma. | |
Netz-Aktivisten hatten nach dem Bericht der New York Times scharfe Kritik | |
an Googles potenziellem Ausscheren aus der Netzneutralitäts-Koalition | |
geübt. "Das Schicksal des Netzes kann nicht durch die Verhandlungen zweier | |
Unternehmen entschieden werden", sagte Gigi Sohn von der | |
Internet-Verbraucherschutzorganisation Public Knowledge, "selbst wenn es so | |
große Firmen wie Verizon und Google sind". | |
Sollte Google tatsächlich bereit sein, für eine schnellere Anlieferung | |
seiner Daten durch einen Endkunden-Provider zu bezahlen, wäre das ein | |
Dammbruch. Telekomkonzerne in aller Welt, darunter die Deutsche Telekom, | |
haben bereits ihr Interesse an dieser neuen Einnahmequelle angemeldet. Sie | |
würden dann gleich doppelt bezahlt: Nicht nur von den Endkunden, die etwa | |
einen DSL-Anschluss besitzen, sondern auch von Website-Betreibern. Die | |
wiederum zahlten dann auch doppelt: Einmal für den Anschluss ihres Servers | |
an Internet-Knoten, wie das schon immer war, und einmal an jeden einzelnen | |
Endkunden-Provider, damit ihre Daten diesen auch erreichen. Dies würde das | |
bisherige Internet auf den Kopf stellen, wie etwa Harald Summa, | |
Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Internet-Wirtschaft, eco e.V., | |
meint. | |
Bei der ganzen Diskussion hat sich die Obama-Regierung indes nicht mit Ruhm | |
bekleckert. Obwohl der Demokrat mit dem klaren Ziel der Bewahrung der | |
Netzneutralität in den Wahlkampf zog, hat es bislang kein entsprechendes | |
Gesetz durch den Kongress gebracht. Stattdessen gab es einen Rückschlag für | |
die zuständige FCC: Ein Telekommunikationskonzern hatte gegen deren | |
Regulierung geklagt und gewonnen. Seither ist die Debatte in der Schwebe. | |
FCC-Chef Julius Genachowski gibt sich defensiv und will offenbar, dass sich | |
die Industrie am besten selbst untereinander einigt. Der Grund: In seinem | |
Aufsichtsgremium sitzen jede Menge US-Konservative, die sich für ein Ende | |
der Netzneutralität einsetzen. | |
Doch auch Einzelgespräche zwischen Industrieriesen scheinen der FCC nicht | |
zu schmecken. Sie brach nach Bekanntwerden der Google-Verizon-Verhandlungen | |
am Donnerstag alle von ihr bislang vermittelten Netzneutralitätsgespräche | |
ab. Sie hätten nicht das gewünschte Ergebnis gezeigt, sagte ein Sprecher. | |
6 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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