# taz.de -- Wegen Dürre in Russland: Der Preis für Weizen explodiert | |
> Hitze und Dürre in Russland lassen die Preise für Getreide in aller Welt | |
> in die Höhe schießen. Mit im Spiel sind aber auch die Spekulanten an den | |
> Rohstoffbörsen. | |
Bild: Ein Fünftel der russischen Anbaufläche wurde bereits durch Feuer, Hitze… | |
Hitze und Dürre in Russland, dem zweitgrößten Weizenexporteur der Welt, | |
dazu noch in Kasachstan und der Ukraine lassen derzeit die Ernteprognosen | |
einbrechen und die Preise für Weizen in die Höhe schießen. An der Chicagoer | |
Rohstoffterminbörse erreichte der Preis für ein Bushel (27,2 Kilo) am | |
Donnerstag 7,86 US-Dollar, so viel wie zuletzt im August 2008. Drohen in | |
ärmeren Ländern nun wieder Hungerrevolten wie vor zwei Jahren? | |
Allein im vergangenen Monat sind an den Terminbörsen die Preise für | |
Weizen-Futures um 42 Prozent gestiegen, so rasant wie seit einem halben | |
Jahrhundert nicht mehr. Mit Futures sichern sich Rohstoffimporteure und | |
-verarbeiter gegen Preisschwankungen ab, indem sie jetzt schon Wertpapiere | |
kaufen, die ihnen die spätere Lieferung garantieren. Aber mit diesen | |
Papieren lässt sich auch wunderbar spekulieren. Sie wechseln oft zigmal den | |
Besitzer, bevor die Ernte eingebracht ist. | |
Gerade zwei Jahre ist es her, dass solch eine gigantische Spekulationswelle | |
über die Nahrungsmittelmärkte rollte. Der Weizenpreis etwa verdoppelte sich | |
mal eben binnen Jahresfrist. Die Weltbank hatte das damals mit dem Steigen | |
der Nachfrage aus Schwellenländern und nach Biotreibstoffen begründet. | |
Aber in einer neuen Untersuchung räumt sie ein, in Wirklichkeit "spielten | |
die Aktivitäten von Indexfonds in den Preisausschlägen 2008 eine | |
Schlüsselrolle". Diese Fonds wetten zum Beispiel auf die Entwicklung eines | |
bestimmten Rohstoffpreisindex. Immerhin legte ihnen die zuständige | |
US-Regulierungsbehörde danach gewisse Mengenbegrenzungen auf. | |
"Die Frage ist nun, ob das reicht oder ob sich nicht gerade doch wieder | |
eine Spekulationsblase auf den Agrarmärkten aufbläht", sagt | |
Finanzmarktexperte Markus Henn von der entwicklungspolitischen Organisation | |
Weed. | |
Vor Kurzem erst war bekannt geworden, dass ein britischer Kakaohändler und | |
Hedgefonds-Betreiber über die Terminbörse eben mal 7 Prozent der | |
Weltkakaoernte erworben hatte. Der Kaffeepreis zog ebenso steil an, | |
ebenfalls vermutlich aufgrund von Spekulation. Auch auf den Weizenmärkten | |
seien die krassen Preissteigerungen allein durch die vergleichsweise mäßige | |
Angebotsveränderung nicht zu erklären, so Henn weiter. Der Chef des | |
Agrargroßhändlers BayWa, Klaus Josef Lutz, glaubt, dass sie "zu 70 Prozent" | |
durch die "Spekulation großer Fonds" verursacht sind. | |
Viele Experten sind allerdings skeptisch, ob der Trend von Dauer sein wird. | |
"Die Fundamentaldaten scheinen die Preisrallye nicht zu unterstützen, da | |
die Lager insbesondere in den USA gut gefüllt sind", heißt es in einer | |
Analyse der Investmentbank Morgan Stanley. Auch die | |
Weltlandwirtschaftsorganisation FAO befürchtet keine Blase wie 2008, denn | |
der damalige Boom habe den Anbau von Lebensmittelpflanzen angekurbelt: "Vom | |
Zucker bis zum Weizen weisen die meisten Anzeichen in Richtung eines | |
weltweit zunehmenden Angebots." | |
Derzeit scheinen es eher die Sorgen zu sein als die Hoffnung auf eine | |
Marktrallye, die die Preise steigen lassen. Viele Kornhändler deckten sich | |
mit Futures für amerikanischen Weizen ein und trieben so deren Preis hoch, | |
aus Angst, Russland könnte seinen Weizen für sich behalten. Und tatsächlich | |
verhängte die russische Regierung am Donnerstag ein Ausfuhrverbot. Noch am | |
selben Tag verteuerten sich in Chicago Weizen-Futures so heftig, wie es die | |
Börsenregeln erlaubten, um 60 US-Cent. | |
"Das ist eine Situation, von der Spekulanten zwangsläufig angezogen | |
werden", meint der britische Rohstoffhandelsexperte Tom Lines, fügt jedoch | |
hinzu: "Aber auch nicht mehr als früher." 2008 waren vier Fünftel der | |
Weizen-Futures in den Händen von Spekulanten gewesen. | |
6 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Nicola Liebert | |
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