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# taz.de -- Kachelmann gegen Bild.de: Keine voreiligen Details
> Das Landgericht Köln prüft, wie detailliert Springer über die
> Vergewaltigungsvorwürfe berichten durfte. Einige Erfolge konnten
> Kachelmanns Anwälte bereits einfahren.
Bild: Immer im Visier der Journalisten: Jörg Kachelmann bei seiner Entlassung.
KÖLN taz | Jörg Kachelmann steht vor einem neuen juristischen Erfolg gegen
Bild.de. Das Landgericht Köln wird vermutlich eine einstweilige Verfügung
bestätigen, weil die Webseite der Bild zu früh sehr detailliert über die
Vorwürfe gegen Kachelmann berichtet hat. Der Prozess dürfte wegen seiner
grundsätzlichen Bedeutung am Ende beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe
landen.
Seit mehr als vier Monaten berichten Medien über den Fall des
Wettermoderators Jörg Kachelmann, der eine ehemalige Geliebte vergewaltigt
haben soll. Ebenso lang versucht die Kölner Medienkanzlei Höcker
vermeintlich unzulässige Berichte zu verhindern. Hauptgegner sind dabei die
Bild und ihr Webportal Bild.de.
Rund zwei Dutzend einstweilige Verfügungen haben die Anwälte nach eigenen
Aussagen bereits gegen Bild erreicht. "Kein anderes Medium hat so
kampagnenhaft gegen Kachelmann berichtet", begründete dies Höcker-Anwalt
Carsten Brennecke gegenüber der taz.
"Bild hat die Persönlichkeitsrechte von Herrn Kachelmann nicht nur mit
eigenen Berichten verletzt, sondern regelmäßig auch unzulässige Aussagen
anderer Medien aufgegriffen."
Am Dienstag wurde nach einem Widerspruch des Springer Verlags zum ersten
Mal mündlich verhandelt. Es ging um einen Bericht von Bild.de aus der
Frühphase des Verfahrens. Damals hat das Boulevardportal einen Artikel des
Focus aufgegriffen, der erstmals Details aus den Ermittlungen nannte, etwa
dass Kachelmann ein Messer benutzt haben soll.
Dass über die Vorwürfe gegen Kachelmann berichtet wird, können seine
Anwälte zwar nicht verhindern, denn auch eine Verdachtsberichterstattung
ist zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind
dabei aber Regeln zu beachten.
So muss sich der Verdacht auf belastende Tatsachen stützen - bloße
Vermutungen genügen nicht. Die Berichterstattung über den Verdacht darf
keine Vorverurteilung darstellen. Wenn es entlastende Gesichtspunkte gibt,
dürfen diese nicht verschwiegen werden. Dem Verdächtigen muss in der Regel
außerdem eine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.
Umstritten war im Fall Kachelmann vor allem, wie detailliert schon kurz
nach der Verhaftung über die Vorwürfe berichtet werden darf. Das
Landgericht Köln erließ eine Unterlassungsverfügung gegen Focus und
bestätigte diese mit einem Urteil vom 12. Mai.
Eine besonders präzise Schilderung der Vorwürfe könne zu einer dauerhaften
Stigmatisierung des Verdächtigen führen, weil die detaillierte Schilderung
sehr authentisch wirke.
Im jetzigen Streit mit Bild.de geht es im Prinzip um die gleichen Inhalte,
die Bild nur bei Focus abgeschrieben hat. Und da dieselben Richter
zuständig sind, ist damit auch klar, dass der Prozess mit einem erneuten
Erfolg von Kachelmann enden wird. Das Urteil wird am 1. September
verkündet.
Allerdings sind die fraglichen Details inzwischen offiziell bekannt. Denn
am 19. Mai erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kachelmann und teilte
offiziell mit, dass ein Messer im Spiel gewesen sein soll. Die Wirkung der
Verfügung wird daher auf die Zeit bis zum 19. Mai beschränkt.
Lustigerweise erklärt der Springer-Verlag jetzt in einer Pressemitteilung:
"Verbot gegen Bild.de-Berichterstattung vom Tisch". Kachelmann habe auf das
gerichtliche Verbot gegen Bild.de verzichtet. Das stimmt allerdings nur für
die Zeit ab dem 19. Mai. Die entscheidende Frage blieb aber strittig:
Durfte Bild.de in der Frühphase des Ermittlungsverfahrens schon Details zum
Verdacht gegen Kachelmann verbreiten oder nicht? Kachelmann sagt weiterhin
"nein" und das Landgericht Köln wird ihm aller Voraussicht nach folgen. Nur
in einem Punkt liegt Bild uneingeschränkt richtig: "Dieses Verfahren hat
zentrale Bedeutung für die Freiheit der Berichterstattung über
strafrechtliche Ermittlungen."
Neben der vorschnellen Detailberichterstattung gehen Kachelmanns Anwälte in
anderen Verfahren gegen die Schilderung sexueller Vorlieben des Moderators
vor. Außerdem wird die Veröffentlichung privater SMS angegriffen.
Als Ausgleich für die psychischen Beeinträchtigungen hat Kachelmann vom
Springer Verlag inzwischen Schmerzensgeld in Höhe von mehr als 2 Millionen
Euro gefordert. Eine Klage wurde bei Gericht allerdings noch nicht
eingereicht.
11 Aug 2010
## AUTOREN
Christian Rath
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