# taz.de -- Feuer in Russland: Brände auf radioaktivem Boden | |
> Die Flammen haben die Gebiete rund um Tschernobyl erreicht. Verstrahlte | |
> Partikel könnten bis nach Moskau und ins Baltikum fliegen – und | |
> eingeatmet werden. | |
Bild: Feuer in russischem Wald. | |
Experten der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Moskau warnen davor, | |
dass Brände in Regionen im Südwesten Russlands wüten, die von dem | |
Reaktor-Fallout von Tschernobyl 1986 hochgradig nuklear verseucht wurden. | |
Die Umweltorganisation beruft sich auf Daten der Internationalen | |
Atomenergiebehörde IAEA und Satellitenaufnahmen unterschiedlicher Herkunft. | |
Darunter auch Aufzeichnungen der US Agentur Fire Information for Ressource | |
Management, die an der Universität von Maryland beheimatet ist. | |
Die Aufnahmen zeigten, dass die Behörden nicht alle Brände in den | |
betroffenen Gebieten gemeldet hatten. Auf den Fotos sind mehr als 20 Brände | |
in den stark verseuchten Gebieten zu erkennen. 218.000 Quadratkilometer | |
waren nach dem GAU des Atommeilers in den Grenzgebieten zwischen Russland, | |
der Ukraine und Weißrussland 1986 mit mehr als 37.000 Becquerel pro | |
Quadratmeter verseucht worden. Allein im Gebiet Brjansk, das damals | |
besonders schwer betroffen war, lokalisierte Greenpeace drei Brandherde. | |
Die Informationen dazu aus Russland sind widersprüchlich. Bereits am 5. | |
August hatte das Katastrophenministerium auf die Brandgefahr in dieser | |
Region und die nicht absehbare Wirkung brennender atomarer Partikel | |
hingewiesen. Zwischendurch wurde die Gefahr aber als unbegründet | |
hingestellt. Am Mittwoch räumte nun eine Behörde ein, dass es auch in | |
diesen Gebieten brennt. | |
Russlands oberster Amtsarzt, Gennadi Onischtschenko, dementierte jedoch im | |
Sender Echo Moskwy. In einigen westlichen Landesteilen hätte es Brandherde | |
gegeben, die aber schon im Entstehen gelöscht worden seien. "Bitte säen Sie | |
keine Panik", sagte der Amtsarzt. Greenpeace-Atomexperte Wladimir Tschuprow | |
warnt indessen davor, die nukleare Gefahr herunterzuspielen. Zwar führe | |
eine erhöhte radioaktive Strahlung nicht zu einer Belastung wie beim | |
Fallout aus dem Atommeiler, "trotzdem sollten kleinere radioaktive Mengen | |
nicht unterschätzt werden", meinte der Experte. Bislang sei noch nicht | |
untersucht, wie radioaktive Strahlung und giftiger Smog zusammenwirkten. | |
Auch im Umkreis einiger Atomanlagen in der Nähe der Stadt Tscheljabinsk im | |
Ural traten Brände in Gebieten auf, die als verstrahlt gelten. | |
"Unter besonderen Bedingungen bei starkem Wind können Partikel bis nach | |
Moskau und Osteuropa fliegen", meinte der Ökologe Alexej Jablokow von der | |
Russischen Akademie der Wissenschaften. Eine Ausbreitung von mehreren | |
hundert Kilometern sei in einem solchen Fall nachweisbar. In Moskau waren | |
nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit radioaktiven | |
Messungen befassen, keine erhöhten Werte festzustellen. Greenpeace warf der | |
Regierung dennoch vor, "die Bevölkerung in die Irre zu führen". | |
Das russische Zivilschutzministerium kündigte inzwischen an, weitere | |
Sondereinsätze mit Löschflugzeugen auch im Umkreis der Atomanlagen in Sarow | |
im Gebiet Nischnij Nowgorod und Sneschinsk bei Tscheljabinsk im Ural | |
durchzuführen. | |
In Moskau hat sich die Lage unterdessen entspannt. Nordwinde vertrieben den | |
giftigen Rauch der Torf- und Waldbrände aus dem Moskauer Umland. Die | |
Erleichterung ist aber nur vorübergehend. Sobald sich die Winde drehen, | |
dürfte die Hauptstadt wieder in Gift und Qualm versinken, warnen | |
Meteorologen. Auch die Temperatur ist nur wenig, von 39 auf 33 Grad | |
gesunken. Auch nach mehreren Wochen gelingt es den Rettungseinheiten nicht, | |
die Brände in Zentralrussland unter Kontrolle zu bringen. Das | |
Katastrophenschutzministerium sprach von 300 gelöschten Feuern. Innerhalb | |
eines Tages seien jedoch 290 neue Brandherde entstanden. | |
11 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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