# taz.de -- Ole von Beust: Abgang eines Strategen | |
> Ole von Beust bescherte der Hamburger CDU ein Jahrzehnt lang | |
> Regierungsverantwortung und Senatsposten. Nicht nur bei der Auswahl | |
> derjenigen, die ihm dabei helfen durften, hatte er stets einen Plan. | |
Bild: Ist dann mal weg: Ole von Beust auf seinem letzten CDU-Parteitag als Hamb… | |
Die letzten Tage als Hamburger Bürgermeister verbrachte er damit, | |
nachzujustieren: In ungezählten Interviews warf Ole von Beust da einen | |
Blick zurück, interpretierte die eigene Amtszeit, sich selbst und seinen | |
Abgang, strickte noch ein wenig an der eigenen Legende. Die historische | |
Leistung des Ole von Beust, das sieht auch er selbst so, ist vor allem | |
diese: Im traditionell SPD-regierten Hamburg seine Christdemokraten an die | |
Macht gebracht und ein Jahrzehnt lang dort gehalten zu haben – um jeden | |
Preis. | |
1997 noch gescheitert, setzte der CDU-Spitzenkandidat vier Jahre später | |
alles auf die Karte Ronald Barnabas Schill. Angesichts keiner Chance auf | |
eine eigene absolute Mehrheit wertete von Beust den Rechtspopulisten im | |
Wahlkampf auf, indem er Schill für ministrabel erklärte und ihm, sollte es | |
gemeinsam reichen, das Innenressort anbot. | |
Derart hoffiert holte Schill fast zwanzig Prozent der Stimmen. Von Beusts | |
Strategie ging auf: Trotz Verlusten für die CDU reichte es zusammen mit | |
Schill und der FDP. Einzig „Mittel zum Zweck“ sei Schill damals gewesen, | |
sagt von Beust heute: „Nur so konnten wir die Jahrzehnte währende | |
SPD-Herrschaft brechen“. | |
Wer nach bei Ole von Beust nach substantiellen politischen Positionen | |
sucht, hat es schwer. Dass er die taktischen und strategischen Finessen des | |
politischen Geschäfts beherrschte wie kaum ein anderer, steht außer Frage. | |
Als der Schill seine Schuldigkeit getan hatte, wurde der CDU-Politiker ihn | |
elegant wieder los: Schills angebliche Drohung, den Bürgermeister als | |
homosexuell zu outen, nutzte Ole von Beust zum Anlass, den einstigen | |
Steigbügelhalter vor die Tür zu setzen. | |
Prompt wurde ausgerechnet von Beust als der Mann gefeiert, der die | |
ehrwürdige Hansestadt von der Schillschen Plage befreit hatte. Zudem wurde | |
en passant, so bekennt von Beust heute, „das Thema meines Schwulseins | |
enttabuisiert und das Leben für mich einfacher“. Der Lohn für diesen | |
Doppelschlag: Nach den Neuwahlen im Jahre 2004 blieb Ole von Beust | |
Hamburger Bürgermeister, und das mit einer absoluten Mehrheit im Rücken. | |
Schill und die Seinen verschwanden in der Versenkung. | |
Als sich 2007 ankündigte, dass diese absolute Mehrheit der Union nicht zu | |
halten war, begann von Beust die Hamburger Grünen zu hofieren: Teils | |
argwöhnisch musste die Grün-Alternative Liste mitansehen, wie von Beust | |
nicht müde wurde, sie als zukünftigen Koalitionspartner zu umgarnen. Und | |
wieder ging seine Rechnung auf: Noch ehe nach der Wahl über eine | |
rot-rot-grüne Regierung – die über eine absolute Mehrheit verfügt hätte �… | |
überhaupt nachgedacht werden konnte, brachte von Beust die zunächst noch | |
zaudernden Grünen mit weitgehenden Zugeständnissen auf Koalitionskurs. | |
In dieser Öffnung zu den Grünen liegt zugleich der Keim des Niedergangs der | |
CDU: Während die Grünen-Basis das schwarz-grüne Bündnis erstaunlich | |
gelassen aufnahm, wandten sich immer größere Teile der CDU-Anhängerschaft | |
von ihrer Partei ab. „Ich bin linker geworden“, bekannte von Beust unlängst | |
in einem Interview – ein Weg, auf dem ihm viele seiner Wähler offenbar | |
nicht folgen mochten. | |
Zur entscheidenden Frage wurde die Schulreform, die das bildungspolitische | |
Lieblingskind der Konservativen ins Visier nahm: Das Gymnasium sollte um | |
zwei Jahre verkürzt werden, zugunsten einer sechs Jahre gemeinsamen Lernens | |
ermöglichenden, vorangehenden Primarschule: Statt nach Klasse 4 sollten die | |
Hamburger Kinder erst nach Klasse 6 auf Schulformen sortiert werden. Früh | |
merkte von Beust, dass diese Reform bei seiner eigenen Klientel nur dann | |
eine Chance haben würde, wenn er das Thema zur absoluten Chefsache machen | |
würde. Und so wurde aus dem Bürgermeister, der sich für Bildungsfragen nie | |
sonderlich interessiert hatte, ein glühender Vorkämpfer für das Hamburger | |
Primarschulmodell. | |
Doch nicht mal dieser persönliche Einsatz reichte aus: Während in der | |
Partei nur verhalten über den Schulkurs gemurrt wurde, konnte der | |
Rechtsanwalt Walter Scheuerl mit seiner Volksinitiative „Wir wollen lernen“ | |
den ausgeprägten Widerwillen auch in der CDU-Wählerschaft mobilisieren. Als | |
seine „größte Niederlage“ bezeichnet der scheidende Bürgermeister die | |
desaströse Niederlage beim Volksentscheid über die Primarschule. | |
Aber sogar Ole von Beusts Abgang erfolgt nun zum strategisch richtigen | |
Zeitpunkt: Das schwarz-grüne Projekt ist – das zeigen die vergangenen Tage | |
– auch ohne seinen Baumeister gefestigt. Die Hamburger CDU allerdings darf | |
sich allen Umfragen zufolge wenig erhoffen, wenn in zwei Jahren das nächste | |
Mal die Hamburgische Bürgerschaft gewählt wird. „So lange im Amt zu | |
bleiben, bis man abgewählt wird“, verriet von Beust kurz vor seinem | |
Rücktritt der taz, „ist auch nicht erstrebenswert.“ | |
Diese Erfahrung überlässt er lieber seinem Nachfolger. | |
24 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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Hamburg | |
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