# taz.de -- Das Second-Hand-Geschäft: Alte Kleider machen Leute | |
> Mit der Verwertung von Altkleidern kann man viel Geld verdienen. Darum | |
> arbeiten zahlreiche Unternehmen unter Vortäuschung eines wohltätigen | |
> Zwecks vor allem in die eigene Tasche - sehr zum Ärger der wirklich | |
> karikativen Organisationen. | |
Bild: Viele Klamotten landen im Container - und tauchen in Afrika wieder auf. | |
Ein alter Badezimmervorleger hat es nicht mehr bis in den Container | |
geschafft. Von zahlreichen Fußabdrücken bedeckt liegt er vor dem völlig | |
überfüllten Altkleiderbehälter. Verbeulte Trainingshosen, verblichene | |
T-Shirts, aber auch ein historisch anmutendes Kleid quellen aus der | |
Einwurföffnung. Hier hatte es jemand eilig, seine alten Kleider | |
loszuwerden, obwohl der nächste Container gleich um die Ecke steht. | |
"In den letzten zwei Jahren hat der Wettbewerb im Handel mit Altkleidern | |
stark zugenommen", sagt Roland Strasser, der die Containersammlung für das | |
Deutsche Rote Kreuz (DRK) koordiniert. Berlin sei mittlerweile völlig | |
zugestellt. "Es vergeht kein Monat, an dem nicht einer unserer Fahrer | |
Container eines neuen Unternehmens entdeckt." | |
Seit 50 Jahren sammelt das DRK alte Kleidung für den guten Zweck. Alles, | |
was nicht völlig aus der Mode gekommen oder zerrissen ist, landet über die | |
Kleiderkammern bei Bedürftigen. Für etwa die Hälfte des gesammelten | |
Materials bleibt nur der Weg über die Reißerei zur Weiterverarbeitung zu | |
Lärmschutzmatten oder Straßenbelag. "Mit dem Gewinn finanzieren wir die | |
Mitarbeiter und Mieten für unsere vier Jugendläden", sagt DRK-Sprecher | |
Rüdiger Kunz. "Alles, was in Berlin gesammelt wird, kommt direkt oder | |
indirekt den Berlinern zugute." | |
Mit diesem Konzept ist das DRK jedoch eine Ausnahme, denn mit abgetragenen | |
Kleidern lässt sich sehr viel Geld verdienen. Längst ist aus der Sammlung | |
für den wohltätigen Zweck eine gewerbliche Branche geworden, in der sich | |
zunehmend Firmen tummeln, die unter dem Deckmantel eines karitativen | |
Engagements vor allem in die eigene Tasche wirtschaften. | |
Etwa 200 Altkleidercontainer hat etwa die Firma Mettex Altkleidersammlung | |
in Berlin aufgestellt. "Wir unterstützen das Kinder- und Jugendzentrum | |
Schalasch-Ost" steht auf den Sammelbehältern - und Geschäftsführer Adnan | |
Metin sagt: "30 Prozent unseres Gewinns werden an das Marzahner | |
Jugendzentrum gespendet." Was wirklich dort ankommt, erfährt man auf | |
Nachfrage im Zentrum: "Seit Anfang des Jahres erhalten wir jeden Monat 100 | |
Euro; zweimal gab es auch Sachspenden", sagt eine Mitarbeiterin. Die | |
entsprechende Rückfrage, ob demnach 1.200 Euro 30 Prozent des Jahresgewinns | |
ausmachten, bleibt unbeantwortet. | |
Wesentlich spendabler zeigt sich die Firma Nargül, die mit der | |
Unterstützung der Kinderküche des Familienschutzwerks für die | |
Kleiderentsorgung in ihren Containern wirbt. "Jeden Monat bekommen wir 750 | |
Euro und manchmal auch Sachspenden", sagt Vereinsvorsitzender Phil | |
Schneider. "Zudem ist unser Logo ist auf Containern in ganz Berlin zu | |
sehen; das ist auch eine super Werbung." | |
Wie groß der Anteil am Gewinn ist, der dem guten Zweck zugutekommt, ist | |
jedoch nicht herauszufinden. Der Geschäftsführer Alaittin Nargül ist | |
telefonisch nicht erreichbar; dafür meldet sich einer seiner Fahrer auf die | |
Anfrage zurück und bestätigt die Angaben des Familienschutzwerks. "Wir | |
haben etwa 200 Container in Berlin, und ich bin jeden Tag unterwegs, um sie | |
zu leeren", sagt er. | |
Insgesamt werde mit der Sammlung von Altkleidern viel Schmu getrieben, | |
meint Andreas Voget, Geschäftsführer des Dachverbandes FairWertung. Dieser | |
hat sich vor 16 Jahren gegründet, als sich Organisationen wie Oxfam, | |
Caritas und Diakonie zusammenschlossen, um ein Qualitätssiegel in dem | |
Bereich zu etablieren. "Mitglied bei uns kann nur werden, wer | |
ausschließlich gemeinnützig arbeitet und transparent macht, was mit der | |
Kleidung passiert und wer profitiert", so Voget. | |
Ein besonderer Dorn im Auge ist ihm der Logoverkauf, bei dem karitative | |
Organisationen einem Unternehmen ihr Logo zur Verfügung stellen, aber mit | |
der Sammlung nichts zu tun haben. "Das ist eine Irreführung des | |
Verbrauchers, der glaubt, für den guten Zweck zu spenden, für den nur ein | |
Anteil des Gewinns abfällt", sagt Voget. So stellt etwa das Kinderhilfswerk | |
der Firma Bera-Textilrecycling sein Logo gegen eine Lizenzgebühr zur | |
Verfügung, zu deren Höhe man sich nicht äußert. | |
In der Kritik steht auch der Verein Humana People to People, der in Berlin | |
500 Container und zehn Läden betreibt, in denen das Gesammelte verkauft | |
wird. "Wir schicken das in Deutschland eingenommene Geld sowie | |
Second-Hand-Kleidung nach Afrika", sagt Karel Dahne, Geschäftsführer der | |
Kleidersammlung. Der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag (Ber) | |
behauptet dagegen, nur ein kleiner Teil des Gewinns aus dem | |
Altkleidergeschäft lande bei Bedürftigen. "Im Jahr 2004 sind nur 57.000 | |
Euro aus Deutschland nach Afrika überwiesen worden", sagt Ber-Koordinator | |
Alexander Schudy. Das könne nicht der komplette Jahresgewinn von Humana in | |
Deutschland sein. Auch andere Organisationen äußern sich skeptisch | |
gegenüber Humana, wollen sich jedoch nicht zitieren lassen. Das Siegel des | |
Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, auch Spenden-TÜV genannt, | |
hat Humana zumindest bislang nicht erhalten. | |
Wie viele Container insgesamt auf Berliner Straßen stehen, ist schwer zu | |
ermitteln. Zwar bedarf es für die Aufstellung auf öffentlichem Grund eine | |
Sondernutzungsgenehmigung der Bezirke, doch die wird längst nicht immer | |
eingeholt. "Illegale Container sind ein großes Problem", sagt Uwe Stäglin | |
(SPD), Baustadtrat in Steglitz-Zehlendorf. Selbst wenn diese entdeckt und | |
gemeldet worden seien, könnten die Übeltäter nur schwer dingfest gemacht | |
werden. "Sie sind nicht erreichbar oder rufen nicht zurück - das ist keine | |
Unwissenheit, das hat System." | |
Nur 29 Altkleidercontainer sind derzeit in Steglitz-Zehlendorf genehmigt; | |
in Pankow sind es laut Bezirksstadtrat Martin Federlein (CDU) sogar nur 7. | |
Anders als sein Kollege mag Federlein jedoch die Überforderung seines | |
Bezirks bei der Kontrolle nicht zugeben. "Alle weiteren Container stehen | |
auf Privatgrundstücken", meint er - eine Behauptung, die schon einem kurzen | |
Spaziergang durch den Bezirk nicht standhält: Drei Container stehen allein | |
am Helmholtzplatz, einer an der Stubbenkammerstraße, Ecke Senefelderstraße, | |
ein weiterer in der Dunckerstraße - alle auf Bürgersteigen und Straßen und | |
somit eindeutig im öffentlichem Raum. | |
Offensichtlich haben die unter Personalmangel leidenden Bezirke dem | |
Wildwuchs der Altkleidercontainer wenig entgegenzusetzen. Damit dulden sie | |
nicht nur ein teilweise zwielichtiges Gewerbe, sondern auch die | |
Verschandelung des Straßenbildes bis hin zur Blockierung von Durchgängen. | |
Dazu kommen Probleme mit Vandalismus. "Etwa ein Drittel unserer Container | |
werden jedes Jahr Opfer von blinder Zerstörungswut, allein 30 brennen aus", | |
sagt Strasser vom DRK. | |
Wer sichergehen will, dass seine Sachen in die richtigen Hände geraten, dem | |
rät der Dachverband FairWertung, sie nicht in einen Container zu werfen, | |
sondern in einer Annahmestelle direkt abzugeben. "Dort wird gleich geprüft, | |
ob die Kleidung weiterverwertet werden kann, und man kann sich erkundigen, | |
was genau mit ihr geschieht", sagt Voget. Die Zeit, in denen jeder Gang zum | |
Altkleidercontainer eine gute Tat war, sei vorbei. | |
7 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Juliane Wiedemeier | |
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