# taz.de -- Kommentar EU-Versuchstier-Richtlinie: Wahrer Tierschutz geht anders | |
> Das einstige deutsche Staatsziel Tierschutz verkommt zum Papiertiger. Das | |
> liegt auch an Anette Schavans Kniefall vor der Tierversuchs-Lobby. | |
Die Befürchtung gab es schon immer: Die EU-Einigung wird Tierschutz nicht | |
unbedingt leichter machen, oft sogar schwerer. Da können Bürgerinnen und | |
Bürger Petitionen schreiben, so viel sie wollen - das Brüsseler Gemauschel | |
ist schließlich stärker. Und wieder einmal haben sich diese Befürchtungen | |
mit der Neufassung der EU-Tierversuchsrichtlinie bewahrheitet. | |
Im November 2008 hatte die EU-Kommission ihren ersten Entwurf der | |
Neufassung vorgestellt, der immerhin einige Änderungen im Sinne des | |
Tierschutzes enthielt. Doch nach den Interventionen von Ministerrat und | |
EU-Parlament sowie eben zwei Jahren intensiver Lobbyarbeit seitens der | |
betroffenen Industrien ist davon nichts mehr übrig geblieben. Bahn frei für | |
mehr Quälerei unter dem Deckmantel der "Grundlagenforschung" und des | |
"unabdingbaren" Versuchs. | |
Nur dass die vermeintliche "Unabdingbarkeit" relativ ist. Der Entwurf sah | |
noch vor, dass sogenannte Alternativmethoden, sofern verfügbar, angewandt | |
werden müssen. Bereits das Wort "Alternativmethode" ist irreführend - als | |
ob Tierversuche Standard wären, alles andere eine Abweichung. Und genau das | |
wird gesetzlich auch festgeschrieben: Nach der neuen Regelung müssen diese | |
Methoden erst das gesamte Prozedere behördlicher Anerkennung durchlaufen, | |
selbst wenn sie bereits seit langem praktiziert werden. Dafür sind | |
umfangreiche Studien erforderlich, die das Verfahren auf Jahrzehnte | |
ausdehnen können. Tierversuchen dagegen werden solche Hürden nicht zwingend | |
auferlegt. | |
Auch ließ der ursprüngliche Entwurf noch zu, dass die einzelnen EU-Länder | |
eigene, strengere Richtlinien erlassen. Nun aber dürfen die Mitgliedstaaten | |
keine strengeren Tierschutzstandards mehr beschließen; bisherige Regelungen | |
dürfen auf Antrag beibehalten werden. Es ist theoretisch nicht | |
auszuschließen, dass bei diesen Anträgen manch mühsam errungener | |
Fortschritt wieder verloren geht. Zu befürchten ist, dass die freizügigere | |
EU-Richtlinie für schwer belastende Versuche dazu führt, dass solche auch | |
in Deutschland erleichtert werden. | |
Wenig betrübt dürfte sich Forschungsministerin Annette Schavan zeigen, die | |
im europaweiten Kniefall vor der Tierversuchslobby keine starke Figur | |
gemacht hat. Zum Papiertiger verkommt dabei das einstige deutsche | |
Staatsziel Tierschutz. | |
8 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Hilal Sezgin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Konferenz über Biodiversität: 17.000 Tier- und Pflanzenarten bedroht | |
Beim Artenschutzgipfel im japanischen Nagoya muss die EU eine | |
Vorreiterrolle einnehmen, fordern Umweltorganisationen und das | |
EU-Parlament. | |
Neue EU-Richtlinie für Versuchstiere: Stammzellen statt Tiere | |
Grüne Politiker fordern Alternativen zu Tierversuchen – da nennt die | |
EU-Kommission auch Stammzellen. Die hingegen halten einige konservative | |
Politiker für ethisch bedenklich. |