# taz.de -- Kommentar Koran-Verbrennungen: Vergiftetes Gedenken | |
> Es ist vorbei mit der großen patriotischen Einheit nach 9/11: Durch den | |
> Streit um ein religiöses Zentrum sind Muslime in den USA ins Visier einer | |
> rechten populistischen Bewegung geraten. | |
Bild: Lautstarke verbale Auseinandersetzung zwischen Moschee-Befürwortern und … | |
Zum neunten Jahrestag der Attentate hat sich das Klima in den USA gründlich | |
gewandelt. Es ist vorbei mit der großen patriotischen Einheit. Der | |
Gedenktag ist vom Sockel der Überparteilichkeit gestürzt: in den | |
politischen Alltag. In den Parteienstreit. In den Religionsstreit. Und in | |
ein Psychodrama rund um einen fundamentalistischen Rowdy. | |
Damit hat die Praxis des radikalen "No", die die Opposition seit dem | |
Amtsantritt von Barack Obama in sämtlichen innenpolitischen Fragen | |
praktiziert und die jedes Fortkommen in der Einwanderungspolitik und in der | |
Klimapolitik unmöglich macht, nun auch das nationale Gedenken erreicht. Die | |
Verrohung der Sprache und im Handeln spiegelt sich vor allem im Umgang mit | |
religiösen Minderheiten. | |
Hauptbetroffen sind die Muslime. Ausgehend von dem Streit über ein | |
religiöses Zentrum nahe Ground Zero in New York, sind Muslime im ganzen | |
Land in das Visier einer rechten populistischen Bewegung geraten. Die traut | |
sich plötzlich, selbst die niedrigste Art von Ressentiment öffentlich | |
vorzutragen, als handele es sich um ein politisches Argument. Sie feindet | |
fast jedes Projekt eines Moscheeneubaus auf bösartige Art an. | |
Die sprichwörtliche religiöse Toleranz in den USA ist nicht etwa den | |
Attentaten zum Opfer gefallen, sondern der ideologischen Grabenarbeit von | |
Journalisten in den rechten Medien und von der populistischen | |
Tea-Party-Bewegung auf der Straße. Doch gegenüber dem hilflosen | |
Gestikulieren der politischen, militärischen und religiösen Elite der USA | |
angesichts eines fundamentalistischen Wirrkopfs in Florida nehmen sich | |
diese innenpolitischen Klimaveränderungen gering aus. | |
Dass einer wie Terry Jones, der sowohl das internationale Ansehen als auch | |
die Sicherheit des Landes gefährdet, dies unter Berufung auf ein in der | |
Verfassung verbrieftes Recht tun kann und dass selbst der mächtigste | |
Politiker des Planeten allenfalls mit moralischen Appellen versuchen kann, | |
ihn davon abzuhalten - das ist schon innerhalb der USA schwer vermittelbar. | |
Außenpolitisch ist es unverständlich. | |
10 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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