# taz.de -- Kommentar Verlängerte AKW-Laufzeiten: Der politische Störenfried | |
> Als Übermittler von Tatsachen, die für die Atomlobby unerfreulich sind, | |
> gilt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) als politischer Störenfried. | |
> Dabei spricht er für die Bevölkerung. | |
Hat er es nun so gesagt, oder hat er nicht? Letztlich ist es nicht | |
entscheidend, ob Umweltminister Röttgen seine Zweifel an der | |
verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Atomvereinbarung öffentlich gesagt | |
oder nur im geschützten Raum zur Kenntnis gegeben hat. Wer Röttgens frühere | |
Aussagen kennt, weiß, dass ihm die zwölf zusätzlichen Betriebsjahre für die | |
Reaktoren, wie sie die Bundesregierung in nächtlichen Verhandlungen mit der | |
Atomlobby beschlossen hat, deutlich zu lang sind. Dass der Umweltminister | |
nun auf eine Klärung durch Karlsruhe hofft, liegt also nahe. | |
Offenbar hat Röttgen die Hoffnung aufgegeben, die Zukunft der Atomkraft auf | |
politischem Wege vernünftig regeln zu können. Deswegen setzt er nun auf die | |
Rechtsprechung. Wie sehr ist der Bundesregierung das Thema politisch | |
entglitten! Mit ihrem bizarren Bestreben, sich ausgerechnet auf dem Feld | |
der Atomkraft als konservativ zu profilieren, hat sie den Draht zur | |
Mehrheit der Wähler im Land verloren. Die sind - siehe das | |
ZDF-"Politbarometer" vom Wochenende - in der Mehrzahl für den Ausstieg aus | |
der Atomenergie. | |
Als nahezu einziger Vertreter der Bundesregierung wahrt Norbert Röttgen | |
noch einen gewissen Realitätsbezug - im Gegensatz zu all jenen, die sich um | |
den hemmungslosen Klientelpolitiker Brüderle scharen. Zu Recht sieht | |
Röttgen die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ausgrenzung der | |
Bundesländer und bekommt Schützenhilfe von dem Exverfassungsrichter | |
Hans-Jürgen Papier. Er weiß auch, dass längere Atomlaufzeiten vielen | |
Stadtwerken das Leben schwer machen werden. Und er erkennt, dass die üppige | |
Laufzeitverlängerung die erneuerbaren Energien in starke Bedrängnis bringen | |
wird. | |
Jetzt wollen viele der Koalitionäre Röttgen gern loswerden. Als Übermittler | |
jener Tatsachen, die für die Atomlobby so wenig erfreulich sind, gilt er | |
als politischer Störenfried. Doch die wahren Krawallmacher im Land sind all | |
jene, die den rot-grünen Atomkonsens wieder aufschnüren wollen. Schließlich | |
war das, was damals ins Atomgesetz geschrieben wurde, ein Kompromiss in | |
Reinform, ein eleganter Mittelweg zwischen dem Wunsch nach sofortigem | |
Ausstieg und jenem nach unbegrenzten Laufzeiten. Damit war das Thema | |
politisch entschärft. | |
Diesen Frieden nun aufzukündigen ist politisch gefährlich. Röttgen hat das | |
begriffen. | |
12 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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