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# taz.de -- Theaterrevue von Oliver Kalkofe: Wie heißt eine Nutte in Alaska?
> TV-Chefparodist Oliver Kalkofe hat eine Theaterrevue geschrieben. "Volles
> Programm!" bietet, was er sonst kritisiert: Platte Pointen und infantile
> Anzüglichkeiten.
Bild: Der Anspruch, den Kalkofe an das Fernsehen formuliert, gilt für sein eig…
HAMBURG taz | Nach knapp fünf Minuten wird es zum ersten Mal so richtig
schlimm. Da sitzen zwei als Ratz und Rübe aus der "Rappelkiste" verkleidete
Schauspieler auf der Bühne und palavern mit quälend quietschigen Stimmen
über ihre Geschlechtsteile und frustrierte Sozialarbeiter, die ihnen - den
berühmten TV-Puppen aus den 70er Jahren - damals immer die Hände in die
Ärsche gesteckt haben. Oh je, was ist denn hier los?
Dabei hätte doch alles ganz gut werden können. Die Szene ist Teil der Show
"Volles Programm! - Die wirklich ganz tolle TV-Show-Show", die zurzeit im
gemütlichen Hamburger Schmidt Theater gezeigt wird (Regie: Corny Littmann).
Versprochen wird eine fulminante Revue über die Höhe- und Tiefpunkte der
deutschen Fernsehgeschichte. Als Ideengeber und Autor (aber nicht als
Darsteller) maßgeblich beteiligt ist Oliver Kalkofe, der sich durch seine
bissigen Kommentare und Parodien in der Satire "Kalkofes Mattscheibe" einen
Ruf als TV-Kritiker-Papst erarbeitet hat. Schade nur, dass der Anspruch,
den Kalkofe an das Fernsehen formuliert, für sein eigenes Bühnenprogramm
offensichtlich nicht gilt.
Schwer zu sagen, was im ersten Teil des Abends mehr nervt: die infantilen
Anzüglichkeiten oder die Tatsache, dass die meisten von ihnen uralt und
geklaut sind. Da gibt es in der Wim-Thoelke-Show "Der große Preis" an der
Bildwand die Rubrik "Ficken 100", der Anwalt in einer Gerichtsshow sagt
statt "Bitte" aus Versehen "Titte", Rudi Carrell bringt den Witz: "Wie
heißt eine Nutte in Alaska? Frostituierte." Und Muppet Fozzie-Bär fragt:
"Was macht eine Eskimofrau auf einer Eisscholle? Abtreiben."
Die ausgewählten TV-Formate sind in fast allen Fällen nur der Rahmen für
Gags, die auch unabhängig vom Fernsehbezug lustig - beziehungsweise nicht
lustig - wären. Schade, dass hier noch nicht mal das versucht wurde, was
den Kritiker Kalkofe in seinen besten Momenten auszeichnet: durch genaue
Beobachtung, Verdichtung und Übertreibung das Wesen von Sendungen und ihrer
Protagonisten auf humorvolle Art herauszuarbeiten. Leicht zu konsumierende,
aber intelligente Medienkritik eben. Wäre "Volles Programm!" eine TV-Show,
fiele Oliver Kalkofe als Erster über sie her.
Immerhin: Die fünf Schauspieler und die Band machen ihre Sache wirklich
gut. Auch der Kostümabteilung und den Bühnenbildnern muss man ein
Kompliment aussprechen: Durch kleine, schöne Einfälle werden große Effekte
erzielt.
Dennoch ist die Versuchung groß, in der Pause zu gehen. Aber was, wenn das
ein Leser irgendwie am Text merkt? Also wieder rein. Glücklicherweise ist
die zweite Hälfte des Abends ein bisschen weniger anstrengend. Es geht
nicht mehr ganz so penetrant schlüpfrig zu, und es wird mehr gesungen. Der
"GZSZ"-Song, Werbejingles von Wrigleys Spearmint bis Schneekoppe, ein
Modern-Talking-Medley. Das Publikum, das seltsamerweise von Anfang an einen
zufriedenen Eindruck machte, ist jetzt vollends begeistert und klatscht zu
den Liedern ausgelassen im Takt. Liegt es am Alkohol, der im
Schmidt-Theater auch während der Vorstellung im Saal geordert werden kann?
Kann sein.
Vielleicht spielt sich aber auch in den Köpfen der Zuschauer mehr ab als
auf der Bühne, werden schöne Erinnerungen wach an Zeiten, die sie mit
bestimmten TV-Ereignissen verbinden und an diesem Abend abfeiern. Die gute,
alte Nostalgie. Oder aber es bewahrheitet sich im Revue-Theater nur eine
alte Fernsehregel: Der größte Schrott kommt meistens am besten an.
"Volles Programm!" läuft bis zum 13. November dienstags bis sonntags im
Schmidt Theater Hamburg
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16 Sep 2010
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Privatfernsehen
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