# taz.de -- Interview Welke und Kalkofe: "Ich suche mir meine Opfer selber" | |
> Anlässlich der Verleihung des Deutschen Comedypreise beklagen Oliver | |
> Welke und Oliver Kalkofe dessen Niveau und pochen auf ihr Recht, auch mal | |
> Scheiße bauen zu dürfen. | |
Bild: Immer ein Brüller im deutschen Fernsehen: Frauen und Schuhe. | |
taz: Herr Welke, Herr Kalkhofe, heute Abend bekommt Mario Barth in Köln den | |
Deutschen Comedypreis für den "erfolgreichsten Live Act". Es ist sein | |
vierter Comedypreis in Folge. Wie macht der Mann das? | |
Oliver Welke: Man darf nicht vergessen, dass der Comedypreis eine | |
RTL-Veranstaltung ist, von Brainpool produziert. | |
Oliver Kalkofe: Das ist wie Weihnachten bei den "Sopranos". Jeder weiß, was | |
er kriegt. Entweder man gehört zur Familie und hat dem Paten den Ring | |
geküsst oder man hat sowieso keine Chance. Aber was die auswählen, dürfte | |
zu zwei Dritteln gar nicht nominiert werden. Da verzichtest du lieber auf | |
eine Nominierung. | |
Welke: Du musst aber leider drei Nominierungen pro Kategorie aussprechen. | |
Was sollst du denn machen? | |
Kalkofe: Du kannst doch nicht ernsthaft "Achtung Hartwich" auch nur in | |
einem Atemzug mit Comedy nennen! | |
Daniel Hartwich, der für die beste Moderation einer Unterhaltungssendung | |
nominiert ist, ist der große Hoffnungsträger von RTL. | |
Kalkofe: Gewesen. | |
Welke: Nein. Der tritt jetzt bald in gefühlten 700 RTL-Sendungen auf. | |
Wirklich. Ich glaube ja, dass das gar kein schlechter Moderator ist, aber | |
ein Comedian ist er mal ganz sicher nicht. | |
Kalkofe: Die Sendung war eine Katastrophe, eine RTL-Verkaufsveranstaltung, | |
in der zwischendurch eine Band gespielt hat, damit auch jeder wusste, dass | |
es eine Late-Night-Show sein soll. | |
Der Name Mario Barth fiel bereits. Barth fällt ja besonders wegen seiner | |
geistlosen Witze auf. Warum ist er, in Zeiten, in denen die angeblich so | |
niedrige Qualität des Fernsehprogramms angeprangert wird, so erfolgreich? | |
Welke: Sein Geheimnis ist, dass er es geschafft hat, sein Publikum - und | |
das meine ich durchaus respektvoll - dazu zu bringen, dass es ihn für einen | |
Kumpel hält, dass es denkt: Das ist einer von uns und mit dem könnte ich | |
ein Bier trinken. Ob das stimmt, lassen wir mal dahingestellt sein, aber | |
seine Fans glauben das. Mir geht das Barth-Bashing in den letzten Wochen | |
und Monaten ehrlich gesagt ein bisschen auf die Nerven, weil es so billig | |
ist und weil bei vielen Kollegen natürlich auch Neid dabei ist. | |
Kalkofe: Und inhaltlich ist der Erfolg ganz einfach erklärt: Mario Barth | |
widmet sich voll und ganz dem ältesten Thema der Menschheit. Nur kaum ein | |
anderer Comedian hat das Verhältnis der Geschlechter so auf den Punkt | |
gebracht wie Barth, so verdichtet und in ein anderthalbstündiges Programm | |
gegossen. Frauen und Männer - das ist humormäßig der kleinste gemeinsame | |
Nenner. | |
Welke: Das Lustige daran ist, dass jede Generation dieses Thema neu für | |
sich entdeckt. Der 15-Jährige von heute denkt ja, dass vor Barth noch | |
niemand über Frauen geredet hat, die immer Schuhe kaufen müssen. | |
Kalkofe: Die wissen ja auch nicht, dass es Frauen schon ganz lange gibt, | |
schon viel länger als Mario Barth. | |
Wer hat denn in Ihrer Jugend Männer-und-Frauen-Witze gemacht? | |
Welke: Fips Asmussen zum Beispiel. | |
Kalkofe: Wir hatten nicht so viel zu lachen damals. Humormäßig sind wir in | |
der Wüste Gobi aufgewachsen. | |
Fühlen Sie sich manchmal alt und verbittert? | |
Welke: Alt schon, verbittert noch nicht. Man darf ja auch nicht so tun, als | |
wüsste man immer, wie alles bessergeht. Das ist eine ganz fatale Haltung. | |
Wir beide gucken eigentlich privat kaum noch Fernsehen, sondern zu 80 | |
Prozent DVDs, die wir uns aus England oder Amerika bestellen. | |
Ein Armutszeugnis fürs deutsche Fernsehen, oder? | |
Kalkofe: Stimmt. Im Zusammenhang mit "Kalkofes Mattscheibe" kriege ich so | |
viele hasserfüllte Mails von Zuschauern, die stinksauer sind auf das | |
Fernsehen, sich beschissen behandelt und verblödet fühlen - absolut | |
nachvollziehbar. Wenn sie mir allerdings den Umgang mit einzelnen Kollegen | |
verbieten oder mich auffordern, diesen oder jenen noch mehr fertigzumachen, | |
muss ich sagen: Ich suche mir meine Opfer prinzipiell selber aus und wehre | |
mich dagegen, nur die ausgelebte Gewaltfantasie vieler Zuschauer gegen das | |
Fernsehen zu sein. | |
Welke: Wer den Fernseher anschaltet, um sich aufzuregen, ist selber Schuld. | |
Bevor ich zu Hause sitze und mir die Aorta platzt vor Wut über eine | |
Sendung, mache ich sie doch einfach spaßeshalber mal aus, nur so als Idee. | |
Herr Kalkofe, haben Sie schon mal das Bedürfnis verspürt, den Kollegen | |
Welke zu parodieren? | |
Kalkofe: Nein, das ist von der Maske her viel zu schwierig. Dann müsste ich | |
mir wieder ne Glatze kleben lassen. Das dauert ewig. Und dann tritt der | |
Welke auch immer in so langweiligen Sendungen auf. Aber mal im Ernst: | |
Lustig wäre das schon, aber es gab noch keine Gelegenheit, zu der es sich | |
aufgedrängt hätte. | |
Welke: Ich hatte zwar schon spektakuläre Pannen, aber die waren alle nicht | |
"Mattscheiben"-tauglich. | |
Kalkofe: Die "Mattscheibe" ist ja auch keine Pannenshow. | |
Wie, Sie sind nicht Max Schautzer? | |
Kalkofe: In der "Mattscheibe" würdigen wir eher das Gesamtwerk eines | |
Künstlers, brauchen dafür im Gegensatz zu den Kollegen von "Switch | |
Reloaded" aber einen etwa dreißigsekündigen Ausschnitt, aus dem man noch | |
etwas Lustiges entwickeln kann. Da hat sich bei Olli noch nichts wirklich | |
aufgedrängt. | |
Wie wäre es mit der schrecklich unlustigen ZDF-Fußballcomedy | |
"Nachgetreten"? | |
Kalkofe: Jeder, der gute Sachen macht, hat auch das Recht, mal Scheiße zu | |
bauen. Wenn ich mir unsere "Frühstyxradio"-Sketche angucke, ist da ein | |
riesiger Prozentsatz von absolutem Müll dabei, aber auch viele Sachen, die | |
richtig geil waren und für ihre Zeit neu. | |
Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen, Herr Welke? | |
Welke: "Nachgetreten" ist in der Tat ein schwieriges Format - auch wenn die | |
zweite Staffel zur Fußball-EM schon wesentlich besser war als die zur WM, | |
weil wir darauf geachtet haben, dass die eingeladenen Comedians zumindest | |
einen gewissen Bezug zu Fußball haben. Denn Comedy ohne Haltung ist immer | |
eine Katastrophe. | |
Eine weitere Gruppenleistung wird in diesen Tagen 20 Jahre alt: die | |
Radiocomedy "Frühstyxradio" des niedersächsischen Privatsenders FFN, zu | |
deren Ensemble Sie beide gehörten. Zum Jubiläum haben Sie sich einmalig | |
wieder zusammengetan, Sketche aufgenommen und auf Tour gehen Sie auch. Was | |
ist das für ein Gefühl? | |
Welke: Wie eine Zeitreise - nicht nur, weil wir die Kollegen zum Teil nach | |
Jahren mal wiedergetroffen haben, sondern auch, weil wir gemerkt haben, was | |
diese Mischung von Autoren und Sprechern ausgemacht hat, dass gerade im | |
Zusammentreffen dieser sehr, sehr unterschiedlichen Menschen der Reiz der | |
Sendung gelegen hat. Es hat Spaß gemacht, da noch mal einzutauchen, aber | |
auch wehgetan, weil man genau weiß, dass es für eine solche Sendung heute | |
keinen Platz und kein Geld mehr gibt. Wir waren damals ja fünf | |
festangestellte Comedyredakteure bei FFN - heute undenkbar. | |
Kalkofe: Die Zusammenarbeit hatte den Zauber einer Band-Reunion. Was mich | |
besonders gefreut hat, ist, dass wir nicht milder geworden sind. | |
Welke: Es hat vor allem Spaß gemacht, Gemeinheiten über das Radio von heute | |
einzubauen. Ich habe eine Nummer gemacht über diese | |
Scheißverarschungsanrufe, die heute als Radio-Comedy gelten. | |
Kalkofe: Und ich habe drei Szenen über Drehbuchkonferenzen geschrieben: Ein | |
Unterhaltungschef und sein Vertreter empfangen einen Autor. Es geht einmal | |
um einen Film, dann um eine Fernsehshow und dann um ein Radioformat. Das | |
sind Herr Schawanz, Herr Piemell und Herr Peniss. Die Szenen mag ich sehr. | |
Von den Hörern wurden Sie kultisch verehrt, von der Senderleitung nicht | |
gerade. | |
Kalkofe: Die älteren Herrschaften, die ganz oben das Sagen hatten, haben | |
uns abgrundtief gehasst. Und die Programmdirektoren hatten das Problem, | |
dass es die größten Quotenbringer waren, von denen sich die Bosse gestört | |
fühlten. | |
Sie haben einen Programmdirektor auf dem Gewissen. Was ist das für ein | |
Gefühl? | |
Welke: Abgeschossen haben ihn die Hörer. Als das "Frühstyxradio" 1992 | |
abgesetzt wurde, sind die Hörer auf die Straße gegangen und haben so die | |
Absetzung des Programmchefs und die Fortsetzung des "Frühstyxradio" | |
bewirkt. Heute würde doch keiner mehr für eine Radiosendung auf die Straße | |
gehen. | |
Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie hören, was sich im Radio heute | |
"Comedy" schimpft? | |
Kalkofe: Sie meinen, dass man dem Praktikanten, über den bei der | |
Weihnachtsfeier alle gelacht haben, weil er in die Bowle gefallen ist, | |
gleich eine eigene Serie gibt? | |
Ja, genau. | |
Kalkofe: Nein, ein schlechtes Gewissen haben wir nicht. Genauso könntest du | |
David Lettermann und Jay Leno die vielen furchtbaren Late-Night-Formate auf | |
der Welt vorwerfen. | |
Welke: David, was hast du dir bloß bei "Schmidt & Pocher" gedacht! Bei | |
aller Larmoyanz glaube ich aber, dass viele Senderfürsten mittlerweile | |
erkannt haben, dass Nichtunterscheidbarkeit der Sender in vielen | |
Sendegebieten nicht die Lösung, sondern das Problem ist. Deswegen hege ich | |
die naive Hoffnung, dass man die Bedeutung des Wortes irgendwann mal wieder | |
erkennen wird. | |
Kalkofe: Das kommt zurück - auch beim Fernsehen -, allerdings in ganz | |
kleinen Schritten. Es ging schneller, das kaputt zu machen, als es wieder | |
aufzubauen. | |
INTERVIEW: DANIEL DENK | |
21 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |