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# taz.de -- Taz Panter Preis-Gala 2010: Helden, die keine sein wollen
> Am Samstagabend wurden zum sechsten Mal die "HeldInnen des Alltags"
> geehrt. So richtig feiern lassen, wollten sie sich nicht – ein Grund mehr
> für die taz, sie auszuzeichnen.
Bild: Die Gewinner des taz-Panter-Preises: Petra Peterich (2.v.l.) und André S…
BERLIN taz | "Ist ja ein bisschen wie ne Betriebsfeier hier", sagt Anna
Thalbach leise in der ersten Reihe. Die Schauspielerin ist Jurymitglied des
taz Panter Preises 2010, die Verleihung im Saal des Deutschen Theaters hat
vor fünf Minuten begonnen. Ihr Kommentar mag etwas schnodderig sein, doch
ihr Eindruck verwundert nicht. Der Saal ist voll mit insgesamt 600
GenossInnen und LeserInnen, durch den Abend führen die taz-Kolumnistin
Jenni Zylka und der Leiter der Berlinredaktion, Gereon Asmuth. In ihrer
Auftaktrede blicken Ines Pohl, Chefredakteurin der taz, und Michael
Sontheimer, taz-Mitgründer, unter anderem auf die Zeitungsgründung vor 31
Jahren zurück.
Zur Selbstbeweihräucherung kommt es dennoch nicht. Spätestens als die sechs
Nominierten in kurzen Filmen vorgestellt werden und auf der Bühne Fragen zu
ihrer Arbeit beantworten, tritt alles, was die Publikumsgäste an diesem Tag
beschäftigt hat, in den Hintergrund: die Anti-Atom-Großdemo, an die so
mancher Aufkleber am Revers erinnert, und auch die hitzige Debatte in der
Genossenschaftsversammlung über die Pauschalen der Auslandskorrespondenten.
Im Mittelpunkt stehen die Nominierten, die mit ihrem Mut zur Tat beweisen,
dass Engagement und Zivilcourage aktueller sind denn je - ohne Eitelkeit
nach sich zu ziehen. Während der gesamten Veranstaltung wirken sie so, als
würden sie sich zwar wohl, aber doch etwas fehl am Platz fühlen. Es sind
HeldInnen, die keine sein wollen.
Und so kann Petra Peterich, Gewinnerin des Jurypreises, nicht glauben, dass
ausgerechnet sie auf die Bühne gerufen wird. Immer wieder schüttelt sie den
Kopf, den Preis - eine Panterfigur aus Zeitungspapier auf einem Holzsockel
- stellt sie lieber gleich ab. Die 66-jährige Peterich nimmt seit 30 Jahren
jugendliche Straftäter in ihrem Haus auf. Für die Jugendlichen ist es eine
Alternative zur Haft - für Peterich "ein Spaßjob", wie sie in ihrer
Dankesrede sagt. "Wir sind auf Lücken in der Gesellschaft gestoßen und
mussten deshalb handeln", sagt sie.
Handeln, das musste auch André Shepherd. Allerdings zuerst nicht für
andere, sondern für sich selbst. Der US-Amerikaner, der den Preis der
taz-LeserInnen gewann, ist der erste Deserteur des Irakkriegs, der in
Deutschland Asyl beantragt hat. "Es ist ein Krieg gegen die
Menschlichkeit", sagt er. Er floh aus dem Irak nach Deutschland und kämpft
hier für die Durchsetzung eines Asylrechts für Kriegsdienstverweigerer.
Sein eigener Antrag wurde bislang nicht bewilligt. Umso mehr freut er sich
über den Panter Preis. "This is just wunderschön", sagt er, gerührt und
aufgeregt.
Beide Preise, die mit jeweils 5.000 Euro dotiert sind, werden von der taz
Panter Stiftung finanziert. Eine fünfköpfige Jury unter dem Vorsitz des
stellvertretenden Chefredakteurs Reiner Metzger wählte einen Sieger, über
den anderen konnten die taz-LeserInnen vier Wochen lang abstimmen. Die "17
Hippies", die eigentlich 13 sind, lockerten die Verleihung durch ihre
fetzigen Balkanbeats auf und gaben anschließend noch ein kleines Konzert.
Doch es sind die Nominierten an diesem Abend, deren Präsenz das Publikum
beeindruckt - obwohl sie wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben auf einer
Theaterbühne gestanden haben. Auch auf einer Gala würde man sie nicht
vermuten. Steffen Pohl, der zusammen mit seiner Freundin Kerstin Wessels
die erschreckenden Haltungsbedingungen des Geflügelkonzerns Wiesenhof an
die Öffentlichkeit gebracht hat, trägt Lederhosen. "Ich bin nicht
schüchtern" steht auf dem schwarzen T-Shirt seiner Freundin. Doch sie alle
brauchen keine Abendrobe. Ihr Kampf für die eigene Sache ist Schmuck genug.
Während sich die Moderatoren, wenn auch auf sympathische Weise, etwas durch
den Abend holpern, sind die Statements der Nominierten uneitel, frech und
fast erschreckend klug. "Das Leben ist ein harter Kampf", sagt Matthias
Seibt, der gegen psychiatrische Zwangseinweisungen kämpft und lächelt
ironisch ins Publikum. "Im besten Fall kann man besser scheitern."
19 Sep 2010
## AUTOREN
Emilia Smechowski
## TAGS
Asyl
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