# taz.de -- Konzertveranstalter Folkert Koopmans über Festivals: "Die Supersta… | |
> Die Hamburger Firma FKP Scorpio hat sich in 20 Jahren zu einem der | |
> größten Festival-Veranstalter Deutschlands entwickelt. Geschäftsführer | |
> Folkert Koopmans über neue Veranstaltungskonzepte, Festivals für | |
> Erwachsene und die Katastrophe von Duisburg. | |
Bild: FKP Scorpio-Gründer und Geschäftsführer Folkert Koopmans. | |
taz: Herr Koopmans, was hängt da für ein Konzertplakat über Ihrem | |
Bürosessel? Die Band Amuthon kennt man gar nicht. | |
Folkert Koopmans: Das ist das Plakat zu dem ersten Konzert, das ich | |
veranstaltet habe. Das war eine Band, die aus dem nächsten Ort kam. Die | |
habe ich in der Pausenhalle des Schulzentrums veranstaltet. Da war ich 17. | |
Hat sichs gelohnt? | |
Ja. Wir haben 250 Leute à drei D-Mark eingenommen, die Band hat inklusive | |
Anlage 500 Mark bekommen, das heißt, es blieben 250 Mark übrig. Wir wurden | |
übermütig und haben gemeint, man könnte beim nächsten Konzert noch mehr | |
Geld verdienen, wenn man eine unbekanntere Gruppe nimmt, die weniger | |
kostet. Das haben wir auch gemacht, mit dem Effekt, dass nur noch 40 Leute | |
kamen. | |
Wussten Sie damals schon, dass das mal Ihr Beruf wird? | |
Nein, das war ein Hobby und hat Spaß gemacht. Da gings nicht ums Geld | |
verdienen. Das geht es generell auch heute nicht. Wenn man jetzt sieht, man | |
hat 50, 60, 70 Leute in der Firma, die bezahlt werden müssen, dann hat das | |
natürlich etwas mit Geld zu tun. Aber das vorrangige Interesse ist immer | |
noch das Interesse an Organisation und Musik. | |
Sind Sie selbst bei Ihren Veranstaltungen noch vor Ort? | |
Ich bin bei allen Festivals. Bei Club-Konzerten bin ich nicht mehr | |
unbedingt. Wir haben im Oktober allein in Hamburg 23 Veranstaltungen, das | |
schaffe ich nicht mehr. | |
Wenn Sie beispielsweise zum Hurrican-Festival gehen: Was tun Sie dort? | |
Meine Arbeit ist ja bereits im Vorfeld getan. Ich muss nur überprüfen, ob | |
die Arbeit auch so erledigt wird. Oder ob mir Sachen auffallen, die besser | |
gemacht werden können. Die ich vor Ort noch umstellen kann oder mir fürs | |
nächste Jahr merke. | |
Also Sie haben Ihren Notizblock dabei. | |
Ich habe ein Diktiergerät, ein Funkgerät und ein Handy. Ich bin auf dem | |
Platz unterwegs und spreche mit Mitarbeitern, Dienstleistern und Gästen. | |
Wichtig ist auch, dass man den einen oder anderen Konzertagenten oder | |
Manager begrüßt oder auch eine Band, wenn man einen persönlichen Kontakt | |
hat. | |
Gibt es tatsächlich so viel Veränderungspotenzial, dass Sie ein | |
Diktiergerät brauchen? | |
Unmengen. Das Problem ist immer die Finanzierung. Vieles, was man verändern | |
kann, kostet Geld, bringt aber keines. Zumindest nicht direkt. | |
Was haben Sie in diesem Jahr anders gemacht? | |
Beim Chiemsee Reggae-Festival haben wir mit dem Green Camping angefangen. | |
Das heißt, es gab Bereiche, in denen mehr Mülleimer standen. Im Gegenzug | |
forderten wir von den Leuten, dass sie keinen Müll liegen lassen. Beim | |
Hurricane-Festival haben wir in diesem Jahr zum ersten Mal mit der vierten | |
Bühne in Richtung Zirkus gearbeitet. Da traten nachmittags Künstler aus dem | |
Zirkusbereich auf. Das kostet Geld und Zeit und verkauft erst mal keine | |
Tickets. | |
Warum tun Sie es dann? | |
Um das Programm interessanter zu machen. Um nicht nur die drei Headliner zu | |
präsentieren. Ich verkaufe ja die Tickets immer noch aufgrund der Namen. | |
Davon würde ich gerne wegkommen, indem ich mehr das Festival als solches | |
verkaufe. | |
Beim Hamburger Dockville-Festival versuchen die Macher eine Verbindung aus | |
Musik und bildende Kunst. Eine gute Idee? | |
Ja, die Richtung ist gut. Aber das kostet Unmengen an Geld, Zeit und | |
Aufwand, was die dort machen. Da gibt es mehrere kleine Festivals, die das | |
gut beherrschen. Die haben natürlich auch eine andere Struktur. Das sind in | |
den meisten Fällen Einzelkämpfer oder Vereine, die nicht unbedingt davon | |
leben müssen. Wir müssen davon leben. | |
Kommt das Superstar-Prinzip zu einem Ende, wenn die Stones mal tot und die | |
Scorpions in Ruhestand sind? | |
Es wird schon immer Superstars geben. Aber es werden weniger, denn die | |
Szene ist wesentlich schnelllebiger und nicht mehr so substantiell. Deshalb | |
ist es wichtig, dass das Festival an sich lebt. Und ein gutes | |
Festival-Programm macht man eher mit Newcomern. | |
Welche Rolle spielt der Erwachsenenbereich bei Festivals? | |
Der durchschnittliche Festival-Besucher ist zwischen 17 und 22 Jahre alt. | |
In Deutschland geht - anders als England - nicht jeder in jeder | |
Altersgruppe zum Konzert. In England ist das mehr ein Teil des Lebens. In | |
Deutschland ältere Leute zu bekommen, ist sehr schwer. Wir erreichen das | |
ein bisschen mit dem Rolling Stone Weekender, wo das Publikum im Schnitt 30 | |
ist, weil der Komfort höher ist. | |
Welche Rolle spielt das Thema Kinderbetreuung bei Festivals? | |
Bei den üblichen Rock-Festivals empfehlen wir, keine Kinder mitzunehmen, | |
weils keinen Sinn macht. Beim Rolling Stone Weekender wiederum empfehlen | |
wir, Kinder mitzunehmen. Weil es in der Ferienanlage Weissenhäuser Strand, | |
die wir dafür haben, Unmengen an Möglichkeiten für einen Familienurlaub | |
gibt. Man kann die Kinder tagsüber auch mal betreuen lassen, abends kann | |
man sich einen Babysitter bestellen. | |
Ihr Veranstaltungsunternehmen hat 1990 angefangen unter dem Namen Scorpio. | |
Im Jahr 2000 ist dann die Rockband Scorpions gekommen und hat sie verklagt. | |
Warum? | |
Die Scorpions haben seit Mitte der 80er Jahre ein Markenrecht in der | |
Musikbranche. Ich hätte vielleicht eine Chance gehabt, ein | |
Gerichtsverfahren zu gewinnen. Wenn ich aber verloren hätte, hätte ich | |
denen Lizenzen zahlen müssen auf die Umsätze der vergangenen zehn Jahre. | |
Das habe ich nicht riskieren wollen. Deswegen habe ich dieses FKP vor | |
Scorpio gesetzt. Es ist kompletter Unsinn. Da hat ein Anwalt Lunte gerochen | |
und wollte Geld machen. | |
In den 90ern ist die Firma sehr schnell gewachsen. | |
Naja, die ersten fünf bis sieben Jahre waren relativ bescheiden. Ab 1997 | |
mit dem Beginn des Hurricane-Festivals ist es sehr schnell gegangen. Dann | |
haben wir uns auf dem Festival-Markt festgesetzt. | |
Mittlerweile macht FKP Scorpio auch das Musical "Mein Freund Wickie" und | |
Wrestling-Shows. Gibt es da noch einen roten Faden? | |
Das sind einfach Bereiche des Entertainments. Der rote Faden ist, dass wir | |
immer neue Projekte auf die Beine stellen. Das ist auch beim Hamburger | |
Beatles-Museum so. Es geht in jede Richtung. Jede gute Idee wird verfolgt, | |
wenn sie finanzierbar ist. | |
Wo kommen die Ideen her? | |
70 Prozent der Ideen entwickele ich selber. Das heißt natürlich nicht, dass | |
alles absolut neu ist. Das sind auch Ideen, die man in anderen Städten wie | |
New York, Amsterdam oder London sieht. | |
Haben die Ereignisse von Duisburg um die Love Parade Konsequenzen für die | |
Veranstalter-Branche? | |
Das hatte im August sehr viele Konsequenzen. Das Schlagwort ist jetzt | |
"Sicherheitskonzept". Für uns ist es nichts Neues. Das einzig Neue ist, | |
dass wir die Konzepte den Behörden jetzt noch transparenter aufbereiten. | |
Wir hatten im August Veranstaltungen, bei denen wir seit 15 Jahren keine | |
Besprechung hatten und dann kam auf einmal eine Dame vom Bau- und | |
Ordnungsamt. | |
Was ist aus Ihrer Sicht bei der Love Parade in Duisburg schief gegangen? | |
Das war einfach eine Katastrophe. Kein professioneller Veranstalter hätte | |
das in der Form gemacht. Nie im Leben. Jeder Techniker hier im Haus würde | |
sagen: Ein 16 Meter breiter Ein- und Ausgang für 250.000 Menschen - vergiss | |
es. Das geht nicht. | |
Man hätte die Katastrophe im Vorfeld absehen können? | |
Ja. Es gibt ein Versammlungsstättengesetz, da steht drin: 1,20 Meter pro | |
600 Besucher. Bei 250.000 Besuchern reden wir über 500 Meter. Es ist | |
absolut unbegreiflich, dass diese Veranstaltung in Deutschland | |
genehmigungsfähig war. Wer da konkret Schuld hat, weiß ich nicht, aber sie | |
haben auf jeden Fall alle drei Schuld: Sowohl die Stadt, als auch die | |
Polizei, als auch der Veranstalter. | |
19 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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Junge Alternative (AfD) | |
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