# taz.de -- Punk-HipHop-Kollektiv Irie Révoltés: Stimmungskapelle für die Re… | |
> "Irie Révoltés" genießen in der Aktivisten-Szene einen sagenhaften Ruf. | |
> Erfolgreich bringen sie ihre politischen Botschaften an die Fans. Und die | |
> gehen auf den Konzerten richtig ab. | |
Bild: "Wir setzen alles in Bewegung": Das Punk-HipHop-Kollektiv Irie Révoltés. | |
Gewöhnlich läuft das doch so: Politiker machen Politik. Musiker machen | |
Musik. Manchmal ist das anders, dann spielen Musiker auch mal einen | |
politischen Song oder treten bei einer Wahlkampfveranstaltung auf, erzählen | |
was in einer Talkshow oder engagieren sich sozial. | |
Bei Irie Révoltés läuft das anders und zwar grundsätzlich. "Bei uns gehört | |
das zusammen", sagt Carlito, "die Musik und die Politik." Carlito ist ein | |
Neuntel von Irie Révoltés. Das ist wichtig zu wissen, sehr viel wichtiger | |
jedenfalls als sein Nachname. Denn Carlito mag einer von drei Sängern der | |
Band sein und auf dem neuen Album "Mouvement Mondial" ausführlich zu Wort | |
kommen, mehr zu sagen als die anderen acht Neuntel hat er aber auch nicht. | |
"Nächtelang diskutieren wir manchmal, bis wir eine Lösung finden", erklärt | |
Mal Élevé, ebenfalls Sänger, ebenfalls ein Neuntel von Irie Révoltés und | |
außerdem Carlitos Bruder, "wir sehen uns als Kollektiv." | |
Dieses Kollektiv hat sich, seit Irie Révoltés vor zehn Jahren in Heidelberg | |
gegründet wurden, unter Politaktivisten einen nachgerade sagenhaften Ruf | |
erarbeitet. Mit einer vor allem live ansteckend explosiven Mischung aus | |
Reggae, HipHop und Punk. Mit kämpferischen Texten, mit der Unterstützung | |
basisdemokratischer Initiativen und nicht zuletzt mit unzähligen | |
Soli-Konzerten hat man sich einen Status erspielt, wie ihn zuletzt | |
vielleicht Ton Steine Scherben genossen. | |
Wenn Irie Révoltés nun wieder durch die Lande reisen, dann wird das wie | |
üblich keine reguläre Tournee: Gern verbindet die Band ihre Auftritte mit | |
Aktionen, organisiert spontane Demonstrationen und kleine Proteste. Auch | |
die abendlichen Konzerte tragen Züge einer Propaganda-Veranstaltung: Nicht | |
nur dürfen sich Projekte und Initiativen mit Ständen präsentieren, auch auf | |
der Bühne erklärt die Band gern ausführlich, gegen was der folgende Song | |
denn nun agitiert oder was er propagiert. Und wer einen funktionstüchtigen | |
Rollstuhl mitbringt und für den von Mal Élevé mit gegründeten Verein | |
"Rollis für Afrika" spendet, der darf umsonst ins Konzert. | |
Das allerdings würde kaum funktionieren, wären die Lieder, die zwischen den | |
Ansagen aufgeführt werden, nicht unverschämt eingängig und rhythmisch | |
einfallsreich. Sind Irie Révoltés, die "Glücklichen Aufständischen", vor | |
allem eine Stimmungskapelle für die Revolte? "Mehr oder weniger", grinst | |
Mal Élevé. Und sein Bruder ergänzt: "Die Leute kommen erst mal, weil sie | |
wissen, dass es bei uns abgeht. Dann aber kriegen sie mit, worum es noch | |
geht. Wir bringen sie dazu, sich zu engagieren, sich zu bewegen." | |
Da ist es, das Lieblingswort von Irie Révoltés: Bewegung. "Ich habe das | |
Gefühl, dass wir etwas bewegen können", sagt Schlagzeuger Felix. Man sehe | |
sich, sagt Mal Élevé, "als Teil einer Bewegung, die versucht, die Welt | |
gerechter zu machen". Die Bewegung findet sich bereits im Titel ihres des | |
aktuellen Albums "Mouvement Mondial", aber auch in schöner Regelmäßigkeit | |
in den Songtexten, die in Deutsch und Französisch gehalten sind, weil die | |
beiden singenden Brüder mit diesen beiden Sprachen aufgewachsen sind. Da | |
heißt es dann: "Wir setzen alles in Bewegung". Oder: "Wir bleiben in | |
Bewegung." | |
"Solche Schlagworte, mögen sie auch ausgelutscht sein, braucht man", meint | |
Felix. In den drei Minuten, die ein Popsong dauert, kann man die Welt eben | |
nicht erklären. Die Lieder sind nicht Analyse, sondern vor allem | |
Seelenmassage, Motivationshilfe. Politische Inhalte müssen aber auch | |
deswegen bisweilen radikal verkürzt werden, weil in der Band selbst, die | |
mittlerweile verteilt in ganz Deutschland lebt, ein weit gefächertes | |
politisches Spektrum vertreten ist. | |
"Ich persönlich würde mich als Anarchisten bezeichnen", sagt Mal Élevé, was | |
sich als "Der Unartige" übersetzt, "aber andere in der Band sind das ganz | |
entschieden nicht." Wie um die Aussage des Sängers zu illustrieren, ergänzt | |
der eigene Bruder: "Ich halte gar nichts von solchen Einordnungen. Der | |
Grundkonsens der Band ist bestenfalls: Wir sind gegen Schubladen. Links ist | |
auch schon so eine Schublade." | |
Auch ohne Schubladen geht es in den Songs, die die Welt in Bewegung setzen | |
sollen, dann bisweilen recht konkret um illegale Immigranten, politische | |
Utopien oder den bösen Kapitalismus. Wichtiger aber ist Irie Révoltés, dass | |
ihre Musik einen kämpferischen Grundton transportiert, dass sie klarmacht, | |
dass politische Basisarbeit nicht sauertöpfisch sein muss. Die bereits | |
Bewegten sollen so gestärkt werden in ihrem Bemühen um eine bessere Welt, | |
die bislang Inaktiven aktiviert werden, in Bewegung gesetzt eben. | |
Glaubwürdigkeit und Kommerz | |
Bei solch einer engen Verbindung zwischen Politik und Pop können allerdings | |
auch allerhand Verwerfungen auftreten. Es ist ein ständiges Balancieren | |
zwischen Kommerz und Glaubwürdigkeit, zwischen Ausverkaufsvorwürfen und der | |
Notwendigkeit, dann doch auch mal Geld zu verdienen mit der Musik. Bis | |
heute, trotz des unübersehbaren Erfolgs, aber aufgrund einer weitestgehend | |
möglichen Verweigerung gewöhnlicher Vermarktungsstrategien, muss mehr als | |
die Hälfte der Band immer noch in Nebenjobs dazuverdienen. | |
Trotzdem gäbe es da, sagt Felix, bisweilen "unrealistische Erwartungen" aus | |
der linken Szene. Wenn der Eintritt zum Konzert nicht zum Spottpreis zu | |
haben ist, wenn sie keine Zeit haben, zum Benefiz anzutreten: "Dann kommen | |
Vorwürfe", sagt Mal Élevé, "man kann es nicht jedem recht machen." Wären | |
sie physisch dazu in der Lage, könnten Irie Révoltés "fünfzig Soli-Konzerte | |
jeden Tag" spielen, schätzt Carlito, so viele Anfragen gehen ein. | |
Um möglichst viele davon befriedigen zu können, hat man eigens eine | |
Unterabteilung gebildet. Im Falle eines Falles kommt dann nicht die ganze | |
Band, sondern nur das Soundsystem, also ein DJ, dazu Sänger und Rapper. | |
"Instrumentalisiert werden, das ist Alltag", sagt Mal Élevé, "aber das ist | |
schon okay." | |
Die Widersprüche symbolisiert niemand so wie Schlagzeuger Felix. Denn der | |
hat neben seinem Job hinter den Trommeln auch noch die Aufgabe übernommen, | |
über die wirtschaftlichen Belange der Band zu amten. Er ist, man muss es | |
wohl so sagen: der Manager von Irie Révoltés. Dass das Management Teil der | |
Band bleibt, dass diese Aufgabe nicht nach außen vergeben wird, fügt sich | |
in den basisdemokratischen Anspruch, in der Pop zur Politik findet. | |
Dass man überhaupt einen Manager braucht, ist ein Zugeständnis an die | |
radikalkapitalistischen Zustände im Musikgeschäft. Aber wenn Irie Révoltés | |
dereinst ihre Mission erfüllt haben, wenn die Bewegung erst in Gang | |
gekommen ist, wenn diese Welt nicht nur besser, sondern sogar die | |
allerbeste geworden ist, dann wird Felix wieder nur der Schlagzeuger von | |
Irie Révoltés sein. Denn dann wird es überhaupt keine Manager mehr geben. | |
24 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
Thomas Winkler | |
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Schwerpunkt Antifa | |
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