# taz.de -- Wahlen in Venezuela: Das Parlament ist wieder da | |
> Weil es diesmal keinen Boykott gab, verliert Hugo Chávez die bisherige | |
> Machtfülle, die ihm seine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament gab. Dafür | |
> ist er besser legitimiert. | |
Bild: Da wird er künftig reinschauen müssen: Chavez nach dem Wahlsieg mit ein… | |
PORTO ALEGRE taz | In Venezuela hat die sozialistische Partei von Präsident | |
Hugo Chávez die Parlamentswahl am Sonntag deutlich gewonnen – allerdings | |
nur nach Mandaten. Der Regierungsblock, dem auch noch die kleine KP | |
angehört, verfehlte die von Chávez angestrebte Zweidrittelmehrheit | |
deutlich. Dies ergibt sich aus den bis zum Montagmorgen vom Nationalen | |
Wahlrat in Caracas veröffentlichten Teilergebnissen. | |
Demnach werden die Chavistas künftig mindestens 96 der 165 Sitze in der | |
Nationalversammlung stellen. Die bürgerliche Opposition erhält mindestens | |
61, die undogmatische Linkspartei PPT ("Vaterland für alle") zwei Sitze | |
oder mehr. Wer die noch ausstehenden sechs Mandate bekommen würde, war | |
wegen des komplizierten Wahlsystems zunächst noch unklar. | |
Die Wahlbeteiligung lag bei 67 Prozent, weshalb das Wahlergebnis diesemal | |
auch den Volkswillen wiederspiegelt. 2005, als die rechte Opposition den | |
Urnengang boykottiert hatte, gingen drei Viertel der VenezolanerInnen erst | |
gar nicht zur Wahl. | |
Im Ergebnis dominierte ein gutes Jahr lang der Chavismo die | |
Nationalversammlung völlig unangefochten. Doch 2007 regte sich unter der | |
linkssozialdemokratischen Partei "Podemos" Unmut gegen den zunehmend | |
autoritären Vereinnahmungskurs, den Chávez nach seinem überwältigenden | |
Wahlsieg im Dezember 2006 einschlug. | |
Diese Differenzen mündeten schließlich in der bislang einzigen | |
Abstimmungsschlappe, die Chávez seit seinem ersten Wahlsieg Ende 1999 | |
einstecken musste: der Niederlage im Referendum über eine umfassende | |
"sozialistische" Verfassungsreform im Dezember 2007. Damals waren Millionen | |
Chavistas einfach zu Hause geblieben. | |
Am Sonntag war das anders: Die von Chávez systematisch geschürte | |
Polarisierung äußerte sich in langen Wählerschlangen, was mit zur der | |
verspäteten Bekanntgabe der ersten Ergebnisse weit nach Mitternacht | |
beigetragen haben dürfte. Oppositionspolitiker behaupteten zunächst, das | |
bürgerliche Bündnis "Tisch der demokratischen Einheit" habe insgesamt 52 | |
Prozent der Stimmen erzielt – allerdings gab es am Montagvormittag Ortszeit | |
noch keine amtlichen Zahlen. | |
Über Twitter nannte Chávez das Ergebnis einen "soliden Sieg, der ausreicht, | |
um den bolivarianischen und demokratischen Sozialismus zu vertiefen". In | |
der Nacht zum Montag twitterte er: "Wir müssen die Revolution weiter | |
stärken." | |
Fest stand lediglich, dass die Zweidrittelmehrheit unerreichbar bleiben | |
würde. Nun können die Chávez-Kritiker also wieder bei der Besetzung des | |
Obersten Gerichtshofs oder des Nationalen Wahlrates mitreden. Ob das | |
Regierungslager auch die Dreifünftelmehrheit der Mandate verpassen würde, | |
die für Änderungen der Verfassung im Parlament notwendig wäre, war zunächst | |
offen. | |
Der Ökonom Luis Lander von der Nichtregierungsorganisation "Ojo Electoral" | |
hofft nun, dass "der Chavismo zum Dialog gedrängt wird". Seine Frau, die | |
Sozialhistorikerin Margarita López Maya, verfehlte in einem Wahlbezirk der | |
Hauptstadt Caracas das angestrebte Direktmandat für die PPT, die sich vor | |
einem halben Jahr von Chávez abgesetzt hatte. "Auch das landesweite | |
Resultat für die PPT ist enttäuschend", räumte Lander gegenüber der taz | |
ein. | |
28 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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