# taz.de -- Gute Abiturienten-Quote nützt wenig: Der Osten bildet für den Wes… | |
> Eigentlich könnte es so gut laufen mit dem Osten, die Jugend ist gut | |
> ausgebildet. Doch davon profitiert vor allem der Westen: Dort finden | |
> junge Menschen Jobs, dort wird investiert. | |
Bild: Straßenszene in Wittstock (Kleinstadt in Brandenburg) 2007. | |
Da ist sie wieder - die DDR. In Umrissen freilich nur, aber erkennbar. Eine | |
Landkarte der Abiturientenquoten in der Bundesrepublik zeigt: Der Osten ist | |
orange und damit schlau. Insgesamt liegt der Anteil der Abiturienten mit 41 | |
Prozent deutlich über dem gesamtdeutschen Querschnitt von 30 Prozent. | |
Die Abiturientenkarte ist Teil des Innovationsatlas Ost, den das | |
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in dieser Woche | |
vorgestellt hat. Die Daten für diese Bestandsaufnahme lieferten vorrangig | |
die statistischen Ämter des Bundes und der Länder. In den meisten | |
ostdeutschen Regionen erreicht die Abiturientenquote demnach 30 bis 67 | |
Prozent. Im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern hat jeder zweite | |
Schulabgänger Abitur. | |
In den alten Bundesländern, besonders im Süden, gibt es hingegen viele | |
weiße Flecken. Maximal jeder sechste Schulabgänger hat dort das Abi. | |
Doch schaffen es die neuen Länder nicht, ihr hohes Bildungsniveau in | |
Kapital umzumünzen. Zwar ist die Wirtschaftsleistung im Osten in den | |
vergangenen 10 Jahren gestiegen - allein im Westen stieg sie schneller. | |
1999 erwirtschaftet jeder Einwohner der alten Bundesländer jährlich rund | |
8.500 Euro mehr als ein Bürger der neuen Länder, 2008 betrug die | |
Leistungsdifferenz 9.300 Euro. | |
"Die Schere ist wieder aufgegangen", bestätigt Udo Ludwig vom Institut für | |
Wirtschaftsforschung in Halle. "Die Regionen im Osten haben strukturelle | |
Nachteile, die verhindern, dass sie aufholen." So seien viele Betriebe | |
Filialen von Großkonzernen, die ihren Sitz im Ausland oder in den alten | |
Bundesländern haben. Der Großteil der Gewinne fließe dorthin ab. Die | |
kleinen und mittleren Betriebe, die sich um die Leuchttürme ansiedelten, | |
seien zu klein, um von sich aus aufzuholen. "Der Osten ist innovativ, aber | |
die alten Länder sind innovativer", sagt Ludwig. | |
Tatsächlich wird Geld für Forschung und Entwicklung hauptsächlich in Bayern | |
und Baden-Württemberg ausgegeben. Hier fließen jeweils bis zu 4,4 Prozent | |
des erwirtschafteten Gesamtvermögens in Innovationen. In Sachsen-Anhalt | |
wird dagegen nur etwa 1 Prozent in die Verbesserung der | |
Wettbewerbsfähigkeit investiert. Auch das eingesetzte Personal für | |
Forschung und Entwicklung ist im Süden anteilig höher als in den neuen | |
Ländern, Berlin und Sachsen ausgenommen. Während in Bayern, | |
Baden-Württemberg und Hessen jede siebte bis fünfte Vollzeitstelle mit | |
einem kreativen Kopf besetzt ist, ist es in Mecklenburg-Vorpommern jede | |
fünfzehnte. So klappt auch die kommerzielle Verwertung von Ideen besser: In | |
den neuen Ländern inklusive Berlin wurden vor zwei Jahren 21 Patente | |
bezogen auf 1.000 Einwohner angemeldet, in den alten Ländern war die Quote | |
dreieinhalbmal höher. | |
Die Absolventenbefragungen des von Bund und Ländern getragen | |
Hochschulinformationssystems zeigen deutliche Wanderungsbewegung von Ost | |
nach West. "Bei den Akademikern können wir einen maßgeblichen Braindrain | |
aus dem Osten beobachten", sagt HIS-Forscher Michael Leszczensky: "Man kann | |
schon sagen, der Osten bildet für den Westen aus." | |
29 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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