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# taz.de -- Berlusconis Vertrauensabstimmung: Italien vor politischer Wende
> Das politische Ende von Italiens Ministerpräsident Berlusconi ist
> absehbar. Die jüngste Vertrauensabstimmung gewann er nur, weil seine
> Konkurrenten sofortige Neuwahlen derzeit nicht wollen.
Bild: Sieg vor der Niederlage? Silvio Berlusconi.
Zwar hat Silvio Berlusconi am Mittwochabend die Vertrauensabstimmung im
italienischen Abgeordnetenhaus klar gewonnen, dennoch ist er jetzt nur noch
ein Ministerpräsident auf Abruf. 342 der 630 Abgeordneten stimmten für, nur
275 gegen den Ministerpräsidenten; doch diese Mehrheit präsentiert sich
deutlicher denn je als brüchiger Pakt tief verfeindeter Brüder, die nur der
Wunsch eint, die unvermeidlichen Neuwahlen wenigstens bis ins nächste
Frühjahr zu schieben.
Nötig war die Vertrauensabstimmung geworden, weil Berlusconi im Sommer den
Bruch mit dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses Gianfranco Fini vollzogen
hatte. Erst im Jahr 2008 hatten die beiden ihre Parteien - Berlusconis
Forza Italia und Finis postfaschistische Alleanza Nazionale - in der neuen
rechten Sammelpartei Popolo della Libertà (PdL - "Volk der Freiheit")
zusammengeführt. Der PdL gelang zusammen mit dem Koalitionspartner, der
rechtspopulistischen Lega Nord, bei den letzten Wahlen im April 2008 ein
überzeugender Wahlsieg. Doch schnell brach der Konflikt zwischen Fini und
Berlusconi auf: Fini träumt von einer gemäßigten, seriösen Rechten, die
auch Themen wie die Schwulenehe oder das Ausländerwahlrecht aufnimmt - und
die vor allem Schluss macht mit Berlusconis Feldzug gegen die Justiz.
All dies war für Berlusconi unerträglich; Ende Juli warf er Fini aus dem
PdL. Doch Fini gelang es, 35 Abgeordnete in der neuen Fraktion Futuro e
Libertà per lItalia (FLI) um sich zu scharen; die Koalitionsfraktionen PdL
und Lega Nord hatten damit nur noch 295 der 630 Abgeordneten.
Berlusconis Medien begleiteten den politischen Bruch mit einer Kampagne
gegen Fini, die auf dessen völlige Diskreditierung zielt. Politische
Feindschaft, persönlicher Hass prägen das Verhältnis der beiden ehemaligen
Partner. Berlusconi unternahm in den letzten Tagen alles, um Abgeordnete
der Opposition auf seine Seite zu ziehen und eine Mehrheit auch ohne Finis
Gefolgsleute zusammenzukratzen.
Dieses Ansinnen scheiterte mit dem Votum von gestern völlig. Und Berlusconi
weiß nur zu gut, dass die Fini-Fraktion bloß aus einem Grund für ihn
stimmte: weil sie noch Zeit für den Aufbau ihrer neuen Partei braucht.
Berlusconi wiederum hofft darauf, bis Dezember ein neues Immunitätsgesetz
in eigener Sache durchzubringen. Denn kurz vor Weihnachten dürfte das
Verfassungsgericht das bisher geltende Immunitätsgesetz als
verfassungswidrig verwerfen - zwei Prozesse gegen den Regierungschef würden
dann sofort wieder aufgenommen.
Dagegen drängt Umberto Bossis Lega Nord auf Wahlen zum frühestmöglichen
Termin. Denn sie ist momentan der lachende Dritte auf der italienischen
Rechten. Statt gut 8 Prozent beim letzten Urnengang 2008 würde die offen
fremdenfeindliche Partei etwa 12 Prozent erzielen. Dagegen konnte die
Opposition, vorneweg die gemäßigt linke Demokratische Partei, bisher von
Berlusconis Niedergang nicht profitieren. Die Demokraten sind mit 25
Prozent in den Umfragen auf einem Tiefstand. Auch wenn ihr Vorsitzender
Pierluigi Bersani in der Parlamentsdebatte Berlusconis sofortigen Rücktritt
verlangte, ist doch sein wahres Ziel nicht ein sofortiger Urnengang,
sondern eine Übergangsregierung.
30 Sep 2010
## AUTOREN
Michael Braun
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