Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Umsturzversuch in Ecuador: "Wir wissen, woher sie kommen"
> Meuternde Polizisten haben Ecuadors Präsident Rafael Correa stundenlang
> in einem Krankenhaus festgehalten. Erst nach einer wilden Schießerei
> konnte er befreit werden.
Bild: Befreiung ihres Präsident: Soldaten stürmen das Krankenhaus.
BUENOS AIRES taz | "Machen wir uns nichts vor", sagte Ecuadors Präsident
Rafael Correa am späten Donnerstagabend im Präsidentenpalast, "das hier war
der Versuch eines Staatsstreiches." Wenige Stunden zuvor war Correa nach
einem heftigen Feuergefecht zwischen Militär und Polizei aus einen
Polizeikrankenhaus in der Hauptstadt Quito befreit worden, wo ihn meuternde
Polizisten 12 Stunden festgehalten hatten.
"Es ist der traurigste Tag meiner Amtszeit", sagte der 47-Jährige nach
seiner Befreiung zu jubelnden Anhängern vor dem Präsidentenpalast. "Völlig
unnötig wurde ecuadorianisches Blut vergossen", so Correa. Mindestens zwei
Menschen kam ums Leben, zahlreiche Personen wurden verletzt.
Die Unruhen hatten am Donnerstagmorgen begonnen, als eine Spezialeinheit
von rund 150 Soldaten der Luftwaffe die Landebahn des internationalen
Flughafens von Quito besetzte. Gleichzeitig waren in vielen Orten, darunter
der zweitgrößten Stadt Guayaquil im Süden des Landes, Polizisten auf die
Straße gegangen. In Quitos größter Polizeikaserne hatten sich etwa 1.000
Polizisten verbarrikadiert.
Auslöser der Proteste war ein vom Parlament am Mittwoch verabschiedetes
Gesetz, nachdem Angehörige von Polizei und Militär nicht mehr bei jeder
Beförderung Medaillen und Bonuszuschläge erhalten sollen. Die Maßnahmen
sind Teil der allgemeinen Sparmaßnahmen, mit denen die Regierung versucht,
die Staatsausgaben zu senken.
Präsident Correa war in Quito vor die Polizeikaserne gegangen, um dort mit
den Polizisten zu reden. Seine Rede wurde von lauten Buhrufen begleitet. In
einem Moment riss sich Correa die Krawatte und sein Hemd auf und rief den
Polizisten zu. "Wenn ihr den Präsidenten töten wollt, dann tötet ihn. Aber
ich weiche nicht zurück", sagte Correa.
Nachdem daraufhin neben ihm eine Tränengasgranate explodierte und er
tätlich angegriffen wurde, brachten ihn seine Leibwächter in das neben der
Polizeikaserne liegende Polizeikrankenhaus gebracht. Dort wurde er ärztlich
behandelt - und von Polizisten festgehalten.
Der Oberkommandant der Streitkräfte, Ernesto Gonzalez, sprach Correa die
Unterstützung der Militärs aus. "Die Streitkräfte befolgen die Befehle des
Oberbefehlshabers, des Präsidenten Rafael Correa. Wir stehen loyal zum
Präsidenten", sagte er.
Im Laufe des Tages beendete das Militär vielerorts die Proteste. Die
Soldaten der Luftwaffe hatten den Flughafen gegen Nachmittag geräumt,
nachdem ihnen das vom Parlament beschlossene Gesetz erläutert worden war.
Der Ausnahmezustand, den Correa am Mittag verhängt hatte, blieb zunächst
bestehen.
Am frühen Abend verkündete Correa abermals in einem Telefoninterview aus
dem Krankenhaus, alles für seine Befreiung wäre vorbereitet, er habe jedoch
noch nicht den Befehl dazu gegeben.
"Ich werde hier als Präsident rausgehen oder aber als Kadaver. Meine
Sicherheit ist keineswegs garantiert, ich werde aber unter keinen Umständen
verhandeln. Ich wollte diesen Posten nicht, um einen Stuhl warm zu halten",
sagte er übers Telefon. Seine Haltung mag als heroisch gelten, sie
offenbart aber auch den sturen und autoritären Charakter, der Correa schon
seit Jahren immer wieder vorgeworfen wird und auch bei früheren
Unterstützern Unmut erregt. Sein Umgang mit sozialen Bewegungen und
Umweltgruppen wird als autoritär und eigensinnig wahrgenommen. Die Proteste
von Indigenen- und Umweltgruppen gegen ein neues Bergbaugesetz, das den
multinationalen Minengesellschaften die weitere Ausbeutung von Lagerstätten
in ökologisch sensiblen Gebieten erlaubt, bezeichnete Correa etwa
wiederholt als "indigenen Kinderkram".
In einer Erklärung der indigenen Organisation CONAIE zu den Ereignissen
heißt es, "die heutige soziale Krise ist auch hervorgerufen durch den
autoritären Charakter und durch die Nichtaufnahme des Dialoges bei der
Ausarbeitung von Gesetzen. Wir haben gesehen, wie durch Kompromiss
geschlossene Gesetze durch das Veto des Präsidenten abgelehnt wurden, ohne
jede Möglichkeit, zu einem Einverständnis zu kommen." Anstatt mit den
indigenen Gemeinschaften zu einem gemeinsamen Vorgehen zu kommen, reagiere
die Regierung mit Repression auf ihre Proteste. Deshalb verurteile die
CONAIE sowohl den Umsturzversuch als auch die Politik von Präsident Correa.
Dessen Anhänger vermuten hinter dem geplanten Umsturz den ehemaligen
Präsidenten Lucio Gutierrez. Der meldete sich aus dem Ausland zu Wort und
lehnte jede Verantwortung ab. Der kolumbianischen Zeitschrift Semana sagte
Gutiérrez, das Ganze sei eine "Show", mit der Correa lediglich von seinen
Problemen ablenken wolle. Nur wer das Niveau eines Kleinkindes habe,
streite sich auf der Straße mit Polizisten herum.
Bei einem Teil der Bevölkerung genießt der 2005 nach Massenprotesten
abgesetzte Gutierrez noch immer den Ruf eines "Mannes des Volkes". 2002
hatte er vor allem mit der Unterstützung aus dem indigenen Lager die
Präsidentschaftswahl gewonnen. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im
April 2009 lag er mit immerhin 28 Prozent der Stimmen auf Platz zwei hinter
Correa und im Parlament ist seine Sozialpatriotische Partei zweitstärkste
Kraft.
1 Oct 2010
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Referendum in Ecuador: Sieg für Staatspräsident Rafael Correa
Die Mehrheit der Wähler in Ecuador stimmt für umstrittene innenpolitische
Reformen. Die Opposition warnt vor einer weiteren Machtkonzentration.
Ministerin Espinosa über Yasuni-Projekt: "Das wäre unklug"
Entwicklungsminister Dirk Niebel will das Yasuni-Projekt nicht
unterstützen. Ecuador verliert viel Geld, aber Deutschland das Gesicht,
sagt Ministerin Maria Espinosa.
Kommentar Ecuador: Schlecht für die US-Agenda
Das Signal des südamerikanischen Staatenbundes Unasur ist eindeutig: Die
Zeit der Staatsstreiche ist endgültig vorbei.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.