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# taz.de -- Kommentar Seehofer: Trennung zwischen "uns" und "denen"
> Auf dem Altar von Wahlprognosen und vor der Angst vor einer
> populistischen Partei droht ein Fundament unserer Gesellschaft geopfert
> zu werden: die Verschiedenheit.
Bild: Rechtspopulisten der Pro-Köln-Bewegung demonstrieren 2007 gegen den Bau …
Kultur ist eine prima Sache. Dank ihrer kann man im Kino einem Film
anschauen, ins Theater oder in die Oper gehen, ein Rockkonzert besuchen,
dicke Bücher lesen oder eine Performance zelebrieren. Oder einen
Kulturbeutel packen.
Horst Seehofer ist nun eine bedeutende Erweiterung des Kulturbegriffs zu
verdanken: Man kann, folgt man dem CSU-Vorsitzenden, mit dem Verweis auf
Kultur ausgrenzen, Zusammenleben zerstören und der eigenen Klientel
vermeintliche Sicherheit bieten. Denn, sagt Seehofer, "Zuwanderer aus
anderen Kulturkreisen" können wir in Deutschland nicht brauchen. Diese
Aussage ist die traurige letzte Wendung einer sich rasend beschleunigenden
Debatte, die schon einige Zeit vor Thilo Sarrazins Bestseller begonnen hat
und deren nächste Wendungen wir mit Grausen erwarten dürfen.
Im Kern geht es darum, einen immer schärferen Trennungsstrich herzustellen
zwischen "uns" und "denen". Wir, das ist das "Abendland" mit
"christlich-jüdischen Wurzeln", eine Gesellschaft, die stolz auf das
Erreichte sein darf. "Die", das repräsentieren die muslimischen
"Zuwanderer", die wahlweise unnütz sind und die Sozialkassen belasten, auf
"unsere" Kinder einschlagen oder terroristischen Bestrebungen anhängen. Und
weil es - unbestritten - in Deutschland lebende Muslime gibt, denen solche
Vorstellungen in der Tat nicht vollständig fremd sind, ist so sprechenden
Politikern ein gewisser Beifall aus "christlich-jüdischen Kulturkreisen"
gewiss.
Die Debatte aber ist ein Musterbeispiel dafür, wie man gesellschaftliche
Trennungen vorantreibt und bestimmte Gruppen bewusst und planmäßig
stigmatisiert. Dass es dabei ausgerechnet muslimische Einwanderer trifft,
ist kein Zufall, sondern pure Berechnung, weil diese den
Bedrohtheitsvorstellungen vieler Deutschen entsprechen.
Auf dem Altar von Wahlprognosen und der Ängste vor dem Entstehen einer
populistischen Partei droht dabei ein Fundament unserer Gesellschaft
geopfert zu werden: die Verschiedenheit.
Es hat Jahrzehnte gebraucht, bis Deutschland so weit entwickelt war, dass
unterschiedliche Lebensentwürfe, sexuelle Orientierungen, ethnische und
religiöse Bekenntnisse als Bereicherung und nicht als Bedrohung dieses
Landes anerkannt wurden. Es braucht offenbar nur ein paar Monate, um diesen
Fortschritt wieder rückgängig zu machen. Den Seehofers, Schröders und
Sarrazins sei Undank dafür.
11 Oct 2010
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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