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# taz.de -- Streit der Woche zum Rechtsruck: „Bis ins grundgesetzliche Aus“
> So plötzlich rückt kein Volk nach rechts, sagt die Chefin des Zentralrats
> der Juden. Deutschland war ohnehin schon immer rechts, meint der
> Al-Dschasira-Korrespondent.
Bild: Hat sich klar positioniert: CSU-Parteichef Horst Seehofer.
Auch wenn Thilo Sarrazin Muslimen Dummheit vorwirft, und Horst Seehofer auf
Stimmenfang gegen Araber wettert: Charlotte Knobloch, die Präsidentin des
Zentralrates der Juden, fürchtet keinen Rechtsruck in Deutschland. „Kein
Staat, kein Volk rückt plötzlich nach links oder rechts“, schreibt Knobloch
im Streit der Woche der sonntaz. Allenfalls sinke die Hemmschwelle, die
eigene, gefestigte Meinung in eine gesellschaftliche Diskussion
einzubringen.
Der Meinungsbildungprozess falle also „aktuell ein wenig öffentlicher und
lauter aus“ als das in der Bundesrepublik üblich sei, betont Knobloch.
Trotzdem sei das Ausloten moralischer Grenzen ein normaler, demokratischer
Vorgang – wichtig sei allein, dass nun die Gegenseite Einspruch erhebe, und
sage: „Bis hierhin und nicht weiter!“.
Weniger gelassen betrachtet die Leiterin des Instituts für
Medienverantwortung, Sabine Schiffer, die aktuelle Debatte. Es gebe
„wichtige Signale für ein Driften nach rechts“, warnt sie. Mit dem Versuch
Stimmen am rechten Rand einzufangen, stärkten Politiker wie Seehofer und
Sarrazin Nationalismus und Rassismus. Schon seit Jahrzehnten würden
Ressentiments geschürt, die Populisten nun abzuschöpfen versuchten. Es
handle sich in Deutschland nicht um einen plötzlichen Rechtsruck – vielmehr
rücke die Republik beständig nach rechts. Sogar bis „ins grundgesetzliche
Aus“.
Die integrationspolitische Sprecherin der Bundestags-Linken, Sevim Dagdelen
vermutet: Hinter der Integrationsdebatte stecken noch ganz andere Gründe.
Sie hält die Debatte vor allem für ein Ablenkungsmanöver. „Je heftiger die
Verteilungskämpfe werden, desto mehr wird versucht, von der
Verteilungsfrage abzulenken“, ist sich Dagdelen sicher. Das eigentliche
Problem liege jedoch in einer Politik, die Ausgrenzung und Armut
produziere; nicht in der Anwesenheit von Migranten und Armen, betont
Dagdelen. Diesen Unterschied müsse die Bevölkerung begreifen, um einen
langfristigen Rechtsruck zu vermeiden.
Keine Bewegung nach rechts erkennt hingegen Aktham Suliman. Eine Entwarnung
will der seit 20 Jahren in Berlin lebende Deutschland-Korrespondent
Al-Dschasiras mit seiner Einschätzung aber nicht geben. „Die Republik steht
genau da, wo sie der alte Konrad Adenauer kurz nach dem zweiten Weltkrieg
gelassen hat: Rechts nämlich“, schreibt er in seinem Beitrag zum Streit der
Woche.
In den 90er Jahren habe man die Verantwortung für Angriffe auf Ausländer
den Ostdeutschen in die Schuhe schieben können. Mittlerweile werde aber
deutlich: „Das konservativ-rechte Lager braucht eine sozial und
wirtschaftlich schwache Gruppe, die Angriffsfläche bietet“. Seien das nun
„Türken“, „Ausländer“, „Ossis“ oder „Muslime“. Immerhin: In d…
als Angriffsfläche nämlich, „gehört der Islam inzwischen tatsächlich zu
Deutschland“.
Im Streit der Woche äußerten sich außerdem Nordrhein-Westfalens
Integrationsminister Guntram Schneider, Serkan Tören, der
integrationspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und taz.de-Leser
Stephan Kaufmann.
16 Oct 2010
## AUTOREN
Florian Naumann
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