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# taz.de -- Hausbesetzung: "Das ist hier kein Kinderspiel"
> Zum Auftakt der Kampagne "Leerstand zu Wohnraum" nehmen Aktivisten das
> Haus Juliusstraße 40 in Besitz. Polizei hat technische Probleme bei der
> Räumung.
Bild: Schöner wohnen im stilecht besetzten Stadthaus.
Anpfiff nach Abpfiff: Unmittelbar nach dem Fußballspiel des FC St. Pauli am
Samstagnachmittag entrollt eine Gruppe des Netzwerkes "Recht auf Stadt" auf
dem Balkon des Hauses Juliusstraße 40, Ecke Schulterblatt ein Transparent
mit der Forderung "Leerstand zu Wohnraum." Danach bringen sie im ersten
Stock ein Banner mit der Aufschrift "besetzt" an und schließlich ein Tuch
mit der Losung "Miethaie zu Fischstäbchen". Zum ersten Mal seit Jahren ist
in Hamburg wieder ein Haus besetzt worden.
Parallel dazu wird auf dem Portal der besetzten Roten Flora die Botschaft
angebracht: "Squat the City" - die Formel für die Inbesitznahme leer
stehenden Wohnraums gegen den Willen des Eigentümers. Die konzertierte
Aktion ist der Auftakt einer Kampagne gegen den Leerstand von Büroraum.
Deren vorläufiger Höhepunkt soll am kommenden Samstag eine Demonstration
von 98 Gruppen zum ehemaligen Astra-Turm sein.
Anlässlich der Hausbesetzung versammelten sich innerhalb kurzer Zeit rund
300 Leute vor dem Haus an der Schanzen-Piazza. Eine Volxküche wird
aufgebaut. Leute mit Masken des Bürgermeisters Christoph Ahlhaus (CDU)
werfen Luftschlangen von den Balkons und schießen Leuchtraketen in die
Luft. Aus Lautsprecherboxen dröhnen laute Rap-Strophen und gelegentlich
Parolen: "Wenn wir nicht den Raum bekommen, den wir brauchen, müssen wir
ihn uns nehmen". Oder: "Die Besetzung von Leerstand muss legalisiert
werden".
1,17 Millionen Quadratmeter Büroraum stünden leer. 40.000 Wohnungen hätten
darin Platz. Früher habe man "vergammelte Altbauten" besetzt, nun habe man
sich ein Haus genommen, dass zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden
solle. "Luxus für alle".
Die Juliusstraße 40 steht seit fast vier Jahren fast leer. Sie gehört dem
Immobilienbesitzer Ernst-August Landschulze, der weitere Wohnungen in der
Susannenstraße und Beim Grünen Jäger leer stehen lässt. Als Einzige hat ihm
Charlotte Schmidt (Name geändert) getrotzt. Die Mutter hat sich gegen ihren
Rausschmiss (taz berichtete) bislang erfolgreich zur Wehr gesetzt. Schmidts
Wohnung ist in dem neuen Grundriss nicht mehr vorgesehen (siehe Kasten).
Auf der Piazza findet die Aktion größtenteils Zustimmung. "Toll, dass
endlich was passiert", sagen viele unisono. Nur eine Frau erregt sich. "Ihr
macht alles kaputt, ich bin jetzt hier Anwohnerin", kreischt die
langhaarige blonde Enddreißigerin in Designer-Klamotten und mit weißen
Zwergpudel im Arm eine Unterstützerin an. "Das gehört doch jemanden",
stammelt sie. "Der kann doch tun, was er will."
Nach zwei Stunden rücken 400 Polizisten an. Ohne Pardon gehen sie gegen die
vor der Haustür Versammelten vor, schubsen sie weg und schlagen mit dem
Kampfstock Tonfa. Zwei Wasserwerfer spritzen in die Menge, die sich jedoch
von der Piazza nicht vertreiben lässt.
Währenddessen geht das Rap-Konzert und das Raketenfeuerwerk der Besetzer
aus dem Haus weiter. Vereinzelt fliegen Flaschen Richtung Polizei. Über die
Lautsprecher werden die Leute aufgefordert: "Distanzieren und entfernen Sie
sich von den Störern und Straftätern, sonst werden auch gegen Sie
Zwangsmittel eingesetzt. Das ist hier kein Kinderspiel." Stimmt, weshalb
auch niemand geht. Gelegentlich kommt es deshalb zu Ausfällen der
Polizei-Greiftrupps. Fast 30 Minuten braucht die Polizei, trotz Einsatz von
Rammbock, Brechstangen und Kettensäge, um die Treppenhaustür zu knacken.
Sieben Besetzer werden festgenommen, am Rande vier weitere Personen.
18 Oct 2010
## AUTOREN
Kai von Appen
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Prozess wegen Hausbesetzung in der Juliusstraße: Dubioses Angebot
Die Staatsanwaltschaft hat in einem Prozess wegen der Hausbesetzung in der
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