# taz.de -- Wachstumsprognose der Bundesregierung: Wirtschaft und Minister wohl… | |
> Die Bundesregierung erhöht ihre Wachstumsprognose für 2010 auf 3,4 | |
> Prozent und will trotzdem weiter sparen - wohl um später doch noch die | |
> Steuern senken zu können. | |
Bild: Für 2011 rechnen Brüderles Mitarbeiter mit einer Zunahme der Wirtschaft… | |
Dem Wirtschaftsminister geht es wieder gut. Rainer Brüderle (FDP) schmückte | |
seinen Vortrag am Donnerstag mit Aufschwung- und Erfolgsfloskeln. Nach | |
einem vergeigten ersten Regierungsjahr präsentierte er wohlgelaunt die | |
Wachstumsprognose für 2010: 3,4 Prozent. Mit einer solch starken Erholung | |
nach der Finanz- und Wirtschaftskrise hatte vor Monaten kaum jemand | |
gerechnet. | |
Die Wachstumserwartung der schwarz-gelben Regierung liegt damit etwas höher | |
als die mancher Wirtschaftsforscher. Für 2011 rechnen Brüderles Mitarbeiter | |
mit einer Zunahme der Wirtschaftsleistung um 1,8 Prozent. Und selbst für | |
die mittelfristige Zukunft wagte der FDP-Minister eine Prognose: Um "knapp | |
2 Prozent jährlich" werde die deutsche Ökonomie in den kommenden fünf | |
Jahren wachsen. Auf die Krise folge ein "sich selbst tragender Aufschwung". | |
Behält die Regierung recht, dann wird die deutsche Wirtschaft Mitte bis | |
Ende 2011 wieder auf dem Niveau angekommen sein, das sie vor der Krise | |
hatte. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung 2009 betrug 4,7 Prozent. | |
Brüderle war so euphorisch, dass er von "Vollbeschäftigung" sprach. In den | |
südlichen Bundesländern sei diese mit Arbeitslosenraten von unter 5 Prozent | |
heute schon fast erreicht. Für das kommende Jahr erwartet der Minister, | |
dass die Zahl der Arbeitslosen durchschnittlich unter drei Millionen sinkt. | |
Die Erwerbstätigkeit soll mit 40,6 Millionen Menschen einen neuen | |
Höchststand erreichen. | |
Der Analyse des Wirtschaftsministeriums zufolge wird der Aufschwung | |
inzwischen überwiegend von der Binnennachfrage getrieben. Diese soll 2010 | |
um 2,4 Prozent zunehmen und damit den größeren Teil zum gesamten | |
Wirtschaftswachstum beitragen. Dieser Effekt werde sich demnächst noch | |
verstärken, schätzte Brüderle und stellte den Beschäftigten "erfreuliche | |
Tarifabschlüsse" in Aussicht, die die Nachfrage weiter erhöhten. | |
Diesen Optimismus teilen aber nicht alle Ökonomen. So warnte Gustav Horn | |
vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie, dass die Sparprogramme | |
in Staaten wie Großbritannien die Nachfrage nach deutschen Produkten | |
reduzieren und damit auch den hiesigen Aufschwung bremsen könnten. | |
Von solchen Zweifeln abgesehen, fällt die Prognose so gut aus, dass die | |
Regierung jetzt eigentlich ihre Haushaltsplanung für die kommenden Jahre | |
ändern müsste. Doch davon will die Koalition nichts wissen. "Wir halten am | |
Sparpaket fest und ändern nichts an seinem Volumen", sagte Brüderle. | |
Schwarz-Gelb will bis 2011 rund 11 Milliarden Euro und bis 2012 nochmals 8 | |
Milliarden Euro einsparen - einen guten Teil davon durch Kürzungen im | |
Sozialbereich. | |
Bislang ging die Regierung davon aus, dass sie in diesem Jahr ein | |
strukturelles Defizit im Bundeshaushalt von rund 53 Milliarden Euro durch | |
neue Kredite finanzieren muss. Weil die im Grundgesetz verankerte | |
Schuldenbremse zur Reduzierung der Neuverschuldung zwingt, muss dieses | |
Defizit aber pro Jahr um rund 8 Milliarden Euro sinken - deshalb das | |
Sparpaket. Die bessere Wirtschaftslage verändert die Rechnung nun jedoch. | |
Weil die Steuereinnahmen stark zunehmen, sinkt das Defizit, und die | |
notwendigen Reduzierungsschritte bis zur Einhaltung der Schuldenbremse | |
verkleinern sich auf rund 5 Milliarden Euro pro Jahr. | |
Wozu, so fragt sich nicht der Deutsche Gewerkschaftsbund, soll man dann | |
noch 11 Milliarden Euro bis 2011 und weitere 8 Milliarden bis 2012 | |
einsparen? Minister Brüderle deutete die Antwort selbst an: Die FDP habe | |
ihren Plan, die Einkommensteuer zu senken, nicht aufgegeben, sondern nur | |
verschoben. Dafür will zumindest der liberale Teil der Bundesregierung den | |
neuen finanziellen Spielraum nutzen - nicht für Sozialpolitik oder | |
zusätzliche öffentliche Investitionen. | |
21 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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