# taz.de -- Illegale Migranten in Griechenland: Kriminalisiert und weggesperrt | |
> Die unmenschliche Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland gibt immer | |
> wieder Anlass zu Kritik. Jetzt will die Pasok-Regierung das Asylverfahren | |
> ändern. | |
Bild: Letztes Jahr hatten die illegalen Migranten gegen die Bedingungen ihrer A… | |
"Wenn du die Sprache kannst, hast du weniger Probleme", sagt Mohammad und | |
unterhält sich auf Griechisch mit einer Frau, die am Café vorbeiläuft. Er | |
kennt alle Einwohner des kleinen Dorfs auf der ostägäischen Insel Chios. | |
"Auch die Polizisten sind meine Freunde", lacht er. | |
Mohammad arbeitet im Café auf dem Dorfplatz, für 500 Euro pro Monat. Er hat | |
Holzstühle gestrichen und Elektroarbeiten erledigt, jetzt macht der | |
dunkelhaarige junge Mann Pause. Während er raucht, schaut er auf sein | |
Handy, das neben ihm auf dem Metalltisch liegt. Es ist die einzige | |
Verbindung in seine Heimat Afghanistan. Seit zehn Jahren hat er seine | |
Familie nicht mehr gesehen. | |
Er ging ins Ausland, um Geld zu verdienen und nach Hause zu schicken, | |
erzählt er. In Indien, Pakistan, Dubai und im Iran habe er gearbeitet. Dort | |
verdiente er 5.000 Euro pro Monat auf dem Bau, allerdings kassierte die | |
iranische Polizei ab bei den illegalen Arbeitern. | |
Schlepper hätten ihm versichert, in Griechenland sei alles besser. "Ich | |
habe ihnen geglaubt und meine Ersparnisse in die Flucht nach Europa | |
investiert", sagt Mohammad. "Mitten in der Nacht haben sie uns von der | |
Türkei aus nach Chios gebracht. Wir waren 33 Leute in einem winzigen Boot." | |
Fast 40 Flüchtlinge starben im ersten Halbjahr 2010 beim Versuch, die | |
türkisch-griechische Grenze zu überqueren. Menschenrechtsorganisationen | |
werfen der Küstenwache und der griechischen Polizei immer wieder | |
Misshandlung von Flüchtlingen vor. Doch die lassen sich davon nicht | |
abschrecken. | |
Griechenland sei für neun von zehn illegalen Einwanderern nach Europa das | |
Sprungbrett in die EU, sagt Gil Arias Fernández, stellvertretender Direktor | |
der Agentur Frontex, die die europäischen Außengrenzen kontrollieren soll. | |
Mohammad wurde noch in der Nacht seiner Ankunft gefasst und ins Lager auf | |
Chios gebracht. Drei Monate sei er dort gewesen, erzählt er. Er habe sich | |
nicht verständigen können, ihm seien weder ein Dolmetscher noch ein Anwalt | |
gestellt worden. | |
"Die Schlepper haben mich belogen", sagt Mohammad wütend. "So habe ich es | |
mir nicht vorgestellt, in Griechenland." Das Land behandle Flüchtlinge und | |
Asylbewerber wie Kriminelle, bemängelte die Menschenrechtsorganisation | |
Amnesty International im Sommer. | |
Jetzt warten alle auf die von der Pasok-Regierung angekündigten Änderungen | |
im Asylsystem. Angekündigt sind moderne Aufnahmezentren für Flüchtlinge. | |
Künftig soll statt der Polizei eine eigene Agentur für Asylverfahren | |
zuständig sein. Zudem sollen sich fünf Kommissionen mit neuen und den noch | |
46.000 anhängigen Asylverfahren befassen. | |
Mohammad wurde nach drei Monaten nach Athen gebracht und dort sich selbst | |
überlassen. Er ging freiwillig zurück nach Chios ins Lager. Eine | |
Mitarbeiterin dort habe ihm geholfen, eine Duldung zu bekommen und den Job | |
in dem Dorf. Allein hätte er das nicht geschafft, sagt er. | |
Mohammads Chef Giorgos ist zufrieden mit seinem afghanischen Mitarbeiter. | |
"Es ist die gleiche Geschichte wie bei meinem Schwiegervater damals", sagt | |
er. "Der ist aus wirtschaftlichen Gründen in die USA gegangen." Er würde | |
Mohammad weiterbeschäftigen, doch dessen Duldung gilt nur für sechs Monate, | |
und das Asylverfahren hat kaum Aussicht auf Erfolg. | |
Nur rund 0,5 Prozent aller Bewerber werden anerkannt. Künftig sollen es | |
rund 20 Prozent sein. Doch auf die angekündigten Änderungen im Asylsystem | |
will Mohammad nicht warten. Er will weiter nach England. "Ich brauche einen | |
Pass, um als Tourist einzureisen", sagt er. "Notfalls gehe ich aber auch | |
ohne." | |
25 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Caroline Wenzel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Einsatz an griechisch-türkischer Grenze: Deutsche Polizei hilft Frontex auch 2… | |
Bundesbeamte werden in Griechenland weiter mit der EU-Grenzschutzagentur | |
zusammenarbeiten. Trotz der Kritik am Vorgehen der Griechen an der Grenze. | |
EU-Grenzpolitik: Deutsche Polizei im Frontex-Einsatz | |
Die "Agentur zur Sicherung der europäischen Aussengrenzen" Frontex bekämpft | |
Flüchtlinge. Deutsche Beamte sollen an menschenrechtsverletzenden Einsätzen | |
beteiligt sein. | |
Europäische Flüchtlingspolitik: Bloß nicht zum Griechen | |
Die EU zwingt Griechenland die alleinige Verantwortung für zehntausende | |
Flüchtlinge auf. Das Land ist überfordert - und die humanitären Zustände | |
sind katastrophal. | |
Frontex-Einsatz in Griechenland: EU hilft bei Abwehr von Flüchtlingen | |
Vor kurzem warnte die UN wegen zu vieler illegaler Einwanderer in | |
Griechenland vor einer humanitären Krise. Nun will die EU die Grenze dicht | |
halten. | |
Erster schwarzer Bürgermeister Osteuropas: Slowenische Stadt wählt ihren "Oba… | |
Peter Bossman, ein aus Ghana stammender Arzt, wird künftig den Küstenort | |
Piran regieren. Dem Sozialdemokrat konnte auch die Kritik an seinem | |
"schlechten Slowenisch" nicht den Sieg vermasseln. | |
Unheimliche Anschlagsserie in Malmö: Schüsse aus dem Nichts auf Migranten | |
In der südschwedischen Stadt Malmö wurde in den vergangenen 12 Monaten | |
fünfzehn Mal auf ausländisch aussehende Menschen geschossen. Meist von | |
hinten: "Es knallt einfach nur." |