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# taz.de -- Ex-Ministerpräsident wird Konzernchef: Koch geht auf den Bau
> Sechs Monate nach seinem Rücktritt wechselt der hessische
> Ex-Ministerpräsident Koch zu Bilfinger Berger. Kritiker sehen einen
> Zusammenhang mit früheren politischen Entscheidungen.
Bild: Hat sich aus der Politik verabschiedet - und finanziell hat es sich offen…
FRANKFURT taz | Nach dem überraschen Rücktritt von Roland Koch zunächst vom
Vorsitz der hessischen CDU und dann auch vom Amt des Ministerpräsidenten
hatte kaum jemand geglaubt, dass der gerade mal 52 Jahre alte Polittycoon
aus Eschborn ab sofort nur noch den Privatier geben würde.
Tatsächlich wird Koch schon im Frühjahr 2011 neuer Vorstandsvorsitzender
des Mannheimer Mischkonzerns Bilfinger Berger SE (Societas Europaea). Sein
Jahressalär: schätzungsweise 1,5 Millionen Euro. Dafür hätte der gelernte
Jurist ganze zehn Jahre lang weiter Ministerpräsident bleiben müssen.
Der Aufsichtsrat von Bilfinger Berger kürte Koch am Freitag zum Nachfolger
des langjährigen Konzernchefs Herbert Bodner. Den Ausschlag für Kochs
Nominierung habe dessen "immer wieder bewiesene Führungskraft" gegeben,
sagte Aufsichtsratschef Bernhard Walter nach der Sitzung des
Kontrollgremiums.
Schließlich sei die Leitfigur der Konservativen in der Union "zeitweise
sogar als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt" worden. Koch - und da ist
sich Walter sicher - werde das Unternehmen, das im Jahr 2009 10Milliarden
Euro Umsatz machte und rund 67.000 Menschen beschäftigt, "in eine gute
Zukunft führen".
Das wird nicht einfach werden für Koch. Denn der Ruf der immer noch den
Konzern dominierenden Tochtergesellschaft Bauen und Baubetreuung (Building
and Facility Services) ist lädiert. Ingenieure von Bilfinger Berger sollen
beim Bau der Untergrundbahn in Köln Messprotokolle gefälscht haben. Anfang
2009 stürzte dort das Stadtarchiv ein; zwei Menschen kamen dabei ums Leben.
Beim Bau der ICE-Trasse Nürnberg-München und auch beim Bau der
Untergrundbahn in Düsseldorf tauchten im ersten Quartal 2010 erneut
gefälschte Protokolle auf. Zwei führende Mitarbeiter wurden entlassen, die
Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Konzernchef Bodner berief danach zwei
"unabhängige Expertenkommissionen" ein, die das Qualitätssicherungssystem
überprüfen sollten. Auf Ergebnisse wird noch gewartet.
Dass Koch den Job überhaupt annimmt, moniert die
Antikorruptionsorganisation Transparency International heftig. In der
Regierungszeit von Koch nämlich habe Bilfinger Berger den Zuschlag für den
Bau von Teilen der umstrittenen Landebahn Nordwest und anderer
Einrichtungen am Frankfurter Flughafen erhalten. Ein Auftrag im Wert von
rund 80 Millionen Euro.
Tatsächlich ist das Land Hessen zu einem Drittel Anteilseigner der die
Bauaufträge vergebenden Flughafenbetreibergesellschaft Fraport AG. Und
Kochs inzwischen ebenfalls zurückgetretener Finanzminister Karlheinz Weimar
war damals der Aufsichtsratsvorsitzende. Es sei "bedenklich, dass Koch
jetzt ausgerechnet bei diesem Baukonzern seine berufliche Zukunft sucht",
sagte die Vorsitzende von Transparency International, Edda Müller, in
Berlin. Spitzenpolitiker hätten eine Pause von wenigstens drei Jahren
einzulegen, denn es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass der neue Job
"eine Belohnung für früheres Wohlverhalten sein könnte".
Genau das aber sieht die Linke im Landtag als gegeben an. "Ein nettes
Dankeschön für den 80-Millionen-Auftrag am Flughafen" sei die Berufung von
Koch zum Konzernchef, meint Fraktionsvorsitzende Janine Wissler.
Schamfristen würden nicht mehr eingehalten. So arbeite die mit Koch
zurückgetretene Umweltministerin Silke Lautenschläger bereits für die
größte private Krankenversicherung Deutschlands.
Und Kochs früherer Minister Volker Hoff sei nach seiner Demission sofort
Cheflobbyist bei Opel geworden. Koch selbst ist da ganz anderer Meinung:
"Ich glaube, dass wir in Deutschland eher eine bedauernswert geringe
Tendenz zum Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik haben. Ich glaube, dass
darunter beide Seiten leiden", sagte er.
29 Oct 2010
## AUTOREN
Klaus-Peter Klingelschmitt
## TAGS
Rücktritt
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