# taz.de -- Robert Rodriguez' "Machete": Keine Geste ist zu dreist | |
> Berstende Bilder, eine wandelnde Machtfantasie und grell ins Comichafte | |
> überdreht: So ist "Machete", der neue B-Film von Robert Rodriguez und | |
> Ethan Maniquis. | |
Bild: So sieht er aus, wenn er gute Laune hat: Machete Cortez (Danny Trejo). | |
Die für einen mexikanischen Flüchtling so wichtigen US-Papiere schlägt er, | |
als sie ihm auf dem Tablett serviert werden, mit cooler Geste aus: "Ich bin | |
bereits ein Mythos." Und Mythen brauchen keinen Ausweis. | |
Der da so spricht, ist Machete Cortez (Danny Trejo), berüchtigter Ex-Cop | |
aus Mexiko und illegal in den USA. Zu markigen Sprüchen hat er allen | |
Anlass: Gefürchtet auf beiden Seiten der Grenze, gesegnet mit einer in | |
Stein gemeißelten Physiognomie, zäh im Nehmen, die Frauen kriegt er alle. | |
Machete ist eine wandelnde Machtfantasie, grell ins Comichafte überdreht: | |
bigger than life. | |
Bigger than life zu sein, das verspricht auch der Exploitationfilm der | |
70er, an dessen Manierismen - schöne Frauen, absurd übersteigerte Gewalt, | |
unwahrscheinliche Storys und ein oft plumper, bildpolitisch aber effektiver | |
Aufgriff sozialer Krisen - sich Robert Rodriguez und Ethan Maniquis | |
orientieren. Schon in den 90ern will Rodriguez seinen mexikanischen | |
Superhelden erdacht haben. | |
Mit einem für "Grindhouse" - Quentin Tarantinos und Rodriguez' Hommage ans | |
Bahnhofskino - erstellten Faketrailer nahm "Machete" Gestalt an und wurde | |
nach enthusiastischen Reaktionen schließlich zum eigenständigen Projekt. | |
Danny Trejo ist die Rolle buchstäblich auf den 66 Jahre alten, | |
narbenübersäten Leib geschrieben. | |
Der Plot ist reinster Pulp: Als er von undurchsichtigen Typen mit dem Mord | |
an dem Senator McLaughlin (Robert De Niro) beauftragt wird, der mit miesen | |
Parolen gegen mexikanische Einwanderer hetzt, gerät Machete zwischen die | |
Fronten. Der Auftrag ist fingiert und Teil einer Kampagne, die McLaughlin | |
den Wahlerfolg sichern soll. Von den Behörden, der Polizei und McLaughlins | |
Häschern gejagt, muss Machete unter Mithilfe der mexikanischen Community | |
nicht nur seine Unschuld beweisen, sondern auch McLaughlin stellen. | |
Nebenbei wird er dabei zum Messias der Entrechteten. | |
Wie Tarantinos "Inglourious Basterds" ist auch "Machete" die Herbeisehnung | |
eines wenigstens im Kino für einmal umgedrehten Spießes, eine Film | |
gewordene Rachefantasie, die Ikonen gewordene Bilder - etwa Kennedymord - | |
aufsaugt, in die Exploitationmangel nimmt und umgedeutet in den Kinosaal | |
wirft. Das ist mal blöde, immer geschmacklos, sehr oft aber von galligem | |
Witz. | |
Doch während Tarantino ein minutiös recherchiertes Panorama entwirft, das | |
einen fast glauben lässt, Hitler sei tatsächlich in einem Pariser Kino ums | |
Leben gekommen, katapultiert Rodriguez seinen "Machete" fröhlich lachend | |
ins kinematografische Delirium: keine Geste zu dreist, kein Gag zu flach, | |
kein Pyroeffekt zu laut. Weil die berstenden Bilder auf diese Weise auch | |
das Wissen um ihre eigene Unmöglichkeit mitliefern, legt sich unter sie | |
beinahe schon leise Melancholie. | |
Das macht Rodriguez' Film noch nicht besser als Tarantinos, in gewisser | |
Hinsicht aber aufrichtiger. Und er legt Zeugnis davon ab, wie dicht sich | |
das amerikanische Kino noch in seinen lautesten Genres an die sozialen | |
Brennpunkte annähern kann. Ein vergleichbar gut gelaunter bösartiger | |
Exorzismus des Sarrazin-Rummels etwa ist vom kreuzbraven deutschen Kino | |
kaum zu erwarten. | |
3 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Groh | |
## TAGS | |
Kino | |
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