# taz.de -- Wichtigster Literaturpreis Frankreichs: Houellebecq kriegt Prix Gon… | |
> Der "Elementarteilchen"-Autor wird für "La carte et le territoire" | |
> ausgezeichnet. In dem Roman schildert er seine eigene Ermordung. Dabei | |
> wird ihm vorgeworfen, aus dem Netz abgekupfert zu haben. | |
Bild: Bingo beim dritten Versuch: Michel Houellebecq im Preisfieber. | |
PARIS afp | Nach zwei erfolglosen Anläufen erhält der Schriftsteller Michel | |
Houellebecq in diesem Jahr den wichtigsten französischen Literaturpreis | |
Goncourt. Sieben der neun Juroren stimmten für den Autor des Buches | |
"Elementarteilchen", wie die Jury am Montag in Paris mitteilte. Der weniger | |
bekannte Literaturpreis Renaudot geht an Virginie Despentes. | |
"Das ist ein komisches Gefühl, aber ich bin überglücklich", sagte | |
Houellebecq, der bereits 1998 und 2005 für den Preis nominiert war. Er | |
bekommt die Auszeichnung für seinen viel gelobten neuen Roman "La carte et | |
le territoire" (übersetzt: "Die Landkarte und der Landstrich"). Auf die | |
Frage, ob das Buch sein bestes sei, antwortete der Autor: "Ich weiß es | |
nicht, aber es ist am einfachsten zu lesen." | |
Der 52-Jährige, der für seine ironischen Beschreibungen des menschlichen | |
Scheiterns bekannt ist, schildert in seinem neuen Roman sadistisch seine | |
eigene Ermordung. Die Hauptfigur stinke "etwas weniger als eine Leiche" und | |
gleiche einer "alten, kranken Schildkröte", beschrieb Houellebecq seinen | |
literarischen Doppelgänger. | |
Die Internetseite Slate warf ihm vor, für das Buch Passagen aus dem | |
Internet abgeschrieben haben. Mindestens drei Passagen stammten laut Slate | |
vom Online-Nachschlagewerk Wikipedia, darunter eine Erläuterung zur | |
Hausfliege. Houellebecq tat den Vorwurf als "lächerlich" ab. Er sei nicht | |
der Einzige, der "echte Schriftstücke und Erfindung" miteinander verbinde. | |
Der auf der Insel Réunion geborene Autor wuchs bei seiner Großmutter auf | |
und kam dann ins Internat, wo er den Spitznamen "Einstein" erhielt. Sein | |
Berufsweg hatte zunächst nichts mit Literatur zu tun: 1980 machte er sein | |
Diplom als Landwirtschaftsingenieur. 1985 erschienen dann seine ersten | |
Gedichte. 1994 folgte sein erster Roman "Ausweitung der Kampfzone". Vier | |
Jahre später kam der Durchbruch mit "Elementarteilchen", das in mehr als 20 | |
Sprachen übersetzt wurde. | |
In seinen Büchern, in denen es viel um Sex und das Älterwerden geht, | |
zeichnet der Schriftsteller düstere Zukunftsvisionen. "Die Idee der | |
Hoffnung ist anfechtbar. Ich habe niemals diese Idee des Fortschritts, | |
einer besseren Zukunft gehabt, um es deutlich zu sagen." Dennoch ist | |
Houellebecq laut seinem Schriftstellerkollegen Bernhard-Henri Levy ein | |
lustiger Mensch. "Er ist viel weniger melancholisch als man denkt. Jemand, | |
mit dem ich auf alle Fälle viel lache." | |
Nachdem er 2001 in einem Interview den Islam als "die dümmste Religion" | |
bezeichnet hatte, musste Houellebecq sich wegen Islam-Feindlichkeit und | |
Rassismus vor Gericht verantworten. Trotz eines Freispruchs verließ der | |
Autor Frankreich und lebt seither in Irland und Spanien. | |
Im vergangenen Jahr war der Prix Goncourt an die in Berlin lebende Autorin | |
Marie NDiaye gegangen. Den Literaturpreis Renaudot erhielt damals Frédéric | |
Beigbeder, ein Freund von Houellebecq. Die diesjährige | |
Renaudot-Preisträgerin Despentes wurde in Deutschland vor allem durch ihren | |
selbst verfilmten Roman "Fick mich" bekannt. Den Preis erhält sie für ihr | |
neues Buch "Apocalypse bébé". | |
8 Nov 2010 | |
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