# taz.de -- Besetzte Häuser in Amsterdam: Räumkommando wird zurückgepfiffen | |
> Der Haager Gerichtshof verhindert die Räumung mehrerer besetzter Häuser | |
> in Amsterdam. Hausbewohner hätten das Recht, die Entmietung anzufechten. | |
Bild: Bleiben bewohnt: Die Räumung von Häusern in Amsterdam wurde gestoppt. | |
AMSTERDAM taz | Im Streit um das Verbot von Hausbesetzungen hat es in den | |
Niederlanden eine überraschende Wendung gegeben: Zwar wurden am | |
Dienstagnachmittag in Amsterdam drei Gebäude durch die Polizei geräumt. Die | |
Mehrzahl der eigentlich vorgesehenen Häuser jedoch blieb unangetastet. | |
Verantwortlich dafür ist der Beschluss des Gerichtshofs in Den Haag. Dieser | |
hatte zu Wochenbeginn geurteilt, das seit vergangenem Oktober geltende | |
"Kraak"-Verbot verstoße gegen die europäische Menschenrechtskonvention. | |
Hausbewohner, so das Urteil, hätten durch die Konvention das Recht, eine | |
drohende Räumung gerichtlich anzufechten. Da das Gesetz dies nicht vorsehe, | |
stelle es keine ausreichende rechtliche Grundlage dar. Den durchgeführten | |
Räumungen lag jeweils ein entsprechender zivilrechtlicher Beschluss | |
zugrunde. | |
Das Urteil setzt ein Fragezeichen hinter das umstrittene Gesetz, das 2009 | |
mit den Stimmen der heutigen Regierungsparteien VVD und CDA sowie der | |
rechtspopulistischen PVV zustande kam. Die vorgesehene "Räumungsrunde" vom | |
Dienstag sollte der Beginn einer zügigen Umsetzung des Verbots sein. | |
Amsterdamer Hausbesetzer reagierten euphorisch. Eine Demonstration, die als | |
Protest gegen die Räumungspläne gedacht war, geriet zum fröhlichen Umzug. | |
Ein Redner beschwor "erste Risse" in dem Gesetz, das auch von einer | |
Mehrheit des Stadtparlaments abgelehnt wird. "Kraakverbot gekraakt", hieß | |
es in einem Kommentar des Kulturzentrums Schijnheilig, das ebenfalls | |
geräumt werden sollte. | |
Hausbesetzungen wurden in den Niederlanden bisher nicht strafrechtlich | |
verfolgt, wenn das Gebäude nachweislich seit einem Jahr unbenutzt war. | |
Gesetzwidrig war nur das Aufbrechen des Hauses. War das unbemerkt | |
geschehen, riefen die Aktivisten selbst die Polizei, auf dass diese | |
Leerstand feststellte. Die obligatorische "Wohnsituation" wurde mittels | |
eines "kraaksetje", bestehend aus Bett, Tisch und Stuhl, inszeniert. | |
Konservative Politiker bekräftigten nach dem Urteil, das Verbot lasse sich | |
nicht so einfach kippen. Der rechtsliberale Justiz- Staatssekretär Fred | |
Teeven erklärte, der Staat prüfe derzeit, gegen den Beschluss in Berufung | |
zu gehen. "Es ist unmissverständlich, dass das Besetzen von Häusern | |
strafbar ist und die Räumung erfolgt", so Teeven. André Rouvoet, der | |
Fraktionsvorsitzende der Christen-Union, die für das Verbot stimmte, | |
konstatierte: "Verrückter muss es nicht mehr werden." | |
10 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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