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# taz.de -- Party der saarländischen Jamaika-Koalition: Reggae-Imitation mit F…
> Ein Jahr nach Amtsantritt feiert die bundesweit erste Jamaika-Koalition
> im Saarland ihr Bestehen. Dabei gibt es überhaupt keinen Grund, um
> anzustoßen.
Bild: Reggae-Götter unter sich.
Um es gleich zu sagen: Auch die für alles Grüne eigentlich zuständige
Umweltministerin Simone Peter von den Grünen hatte zur Punky Reggae Party
der Jamaikakoalition im Saarland am Mittwochabend in Saarbrücken kein Dope
mitgebracht. Und auf der Fete zum 1. Geburtstag der Koalition in der
Volkshochschule am Schlossplatz spielte auch keine Reggaeband. Die Musik,
die nach den Vorgaben der drei Fraktionsvorsitzenden Hubert Ulrich (Grüne),
Klaus Meiser (CDU) und Horst Hinschberger (FDP) "nicht stören" sollte, kam
von Alleinunterhalter Christian Wolf und nannte sich "Soiree de groove".
Billige Exotik
Gegroovt hat allerdings nichts. Denn auch das Buffet glich eher dem
proletarisch ausgerichteten von Oskar Lafontaines vorletzter
Geburtstagsfeier im Bergmannsheim zu Ensdorf (Frikadelle, Schinkenröllchen
und Co.) als einem exotischen Communitydinner in karibischer Nacht. Da
halfen auch die Rastaperücken und Sonnenbrillen nicht, mit denen der
Caterer Grunder Gourmet sein Personal ausgestattet hatte. Jamaika an der
Saar: mehr Schein als Sein. Offenbar das Motto der Koalition.
"Jamaika, der Schrecken der Karibik" (Heiko Maas/SPD). Tatsächlich räumt
dort schon bald einer dieser crazy baldheads seinen Sessel. Der
Fraktionschef der FDP, "Ballermann" Hinschberger - der Unternehmer betreibt
mehrere Schießstände -, stolpert über die von ihm selbst initiierte Affäre
Villa Lessing. Der passionierte Glatzenträger hatte gut ein Dutzend
Parteifreunde wegen der angeblichen Veruntreuung von Geldern der liberalen
Stiftung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin - und
stellte fast alle Verfahren schnell wieder ein. Hinschberger war der
Blamierte. Und mit ihm sein Parteichef Christoph Hartmann, dem von der
Basis vorgeworfen wurde, dem Fraktionschef zu lange die Stange gehalten zu
haben. Hartmann warf überraschend nur Stunden vor der Reggaeparty hin,
Wirtschaftsminister will er aber bleiben. Hinschberger möchte sein Amt als
Fraktionschef wenigstens noch bis zum nächsten Parteitag "kommissarisch"
ausüben.
Hinschberger belegt im Beliebtheitsranking (Saarlandtrend) den letzten
Platz; Grünen-Chef Ulrich den vorletzten. Noch immer beschäftigt sich auch
ein Untersuchungsausschuss mit der mutmaßlichen Einflussnahme des
Unternehmers Norbert Ostermann (FDP) auf die Regierungsbildung an der Saar
2009. Großzügig hatte er die heutigen Regierungsparteien mit Geldgeschenken
bedacht. Der Kreischef der FDP Saarbrücken nahm dann an den
Koalitionsverhandlungen teil. Zudem arbeitete der grüne Ulrich viele Jahre
lang für ein Unternehmen, an dem Ostermann eine Beteiligung hält.
Viele Flops
Auf der Reggaeparty stand Ostermann wie bestellt und nicht abgeholt rum.
Zum gemeinsamen Feiern gab es ohnehin nicht viel Anlass. Das fünfte
Grundschuljahr? Ein Flop. Die Gemeinschaftsschule? Für die zu deren
Einführung notwenige Änderung der Landesverfassung braucht Jamaika die
Stimmen der SPD. Das rigorose Nichtraucherschutzgesetz? Wurde vom
Landesverfassungsgericht vorerst auf Eis gelegt. Immerhin. Die
Studiengebühren sind vom Tisch. Ein Erfolg für die Grünen.
Für etwas Sonnenschein (Solarenergie) neben all der Tristesse ist
Umweltministerin Peter (Grüne) zuständig. Sie zieht ihr Ding durch: Den
"Masterplan erneuerbare Energien". Und sie freut sich darüber, dass
Ministerpräsident Peter Müller (CDU) inzwischen ein Gegner von längeren
Laufzeiten für Atomkraftwerke - geworden - sei. Doch votiert der
Regierungschef auch bei einer eventuellen Abstimmung im Bundesrat dagegen?
Und wenn nicht, platzt dann die Jamaikakoalition? Simone Peter lächelt
bezaubernd - und schweigt.
Auch Sozialministerin Annegret Kramp-Karrenbauer freute sich eher still
über ihre Topplatzierung beim Beliebtheitsranking. Und vielleicht steht die
frühere Innenministerin ja bald tatsächlich statt dem amtsmüden Müller an
der Spitze der Koalition. Bei einer wichtigen Landtagsdebatte spielte er
schon gelangweilt auf seinem Schachcomputer herum. Retten jetzt die Frauen
Jamaika an der Saar? Stir it up!
11 Nov 2010
## AUTOREN
Klaus-Peter Klingelschmitt
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