# taz.de -- Rückschlag für internationale Piratenjagd: Kenia will keine Freib… | |
> Gefangene Piraten werden bisher zur Aburteilung nach Kenia gebracht. | |
> Jetzt hat ein Richter in Mombasa die Verfolgung exterritorial verübter | |
> Straftaten gestoppt. | |
Bild: Jubeln über ihre Freilassung: Mutmaßliche Piraten in Mombasa. | |
NAIROBI taz | Die internationalen Versuche, somalische Piraten zu | |
verfolgen, haben einen Rückschlag erlitten. Der kenianische Richter | |
Mohammed Ibrahim in Mombasa urteilte am Dienstag, dass neun mutmaßliche | |
somalische Piraten in kenianischer Haft freigelassen werden müssen, weil | |
Kenia nicht befugt ist, außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer verübte | |
Verbrechen zu verfolgen. Einen "großen Schlag gegen unsere Bemühungen", | |
nennt das Alan Cole vom UN-Verbrechensbekämpfungsbüro in Kenia. | |
Die neun betroffenen Somalier waren Anfang 2009 von die deutschen Marine | |
mit Unterstützung von US-Hubschraubern verhaftet und an Kenia überstellt | |
worden. Im Zuge der internationalen Marinemissionen zur Bekämpfung der | |
Piraterie vor Somalias Küsten hat Kenias Regierung mit unter anderem den | |
USA und der EU Ad-hoc-Verträge unterschrieben, die es ermöglichen sollen, | |
gefangene Piraten in Kenia vor Gericht zu stellen. | |
"Ibrahims Urteil bedeutet, dass sicher noch 60 andere, die der Piraterie | |
verdächtigt werden und auf ihre Prozesse warten, freigelassen werden | |
können", glaubt Jared Magolo, Verteidiger dutzender mutmaßlicher Piraten | |
aus Somalia in kenianischen Gefängnissen. | |
Ein Verband von überwiegend westlichen Marinen patrouilliert entlang der | |
somalischen Küste, im Golf von Aden und auf dem Indischen Ozean. Trotzdem | |
halten somalische Piraten 29 Schiffe und mehr als 500 Geiseln in ihrer | |
Gewalt. In Somalia herrscht schon seit zwanzig Jahren Anarchie und Gewalt, | |
Piraterie ist für Somalier eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu | |
verdienen. Ein anderes populäres Unternehmen ist, Ausländer zu kidnappen | |
und Lösegeld zu fordern. | |
Die Fläche, auf der somalische Piraten operieren, ist riesig und selbst für | |
ultramoderne Kriegsschiffe nicht völlig zu überwachen. Auch werden die | |
Angriffe von Piraten immer übermütiger. Schon einige Male haben sie selbst | |
Kriegsschiffe beschossen. Die von den Eingreifflotten verhafteten Piraten | |
werden zumeist nach Kenia oder auf die Seychellen gebracht, manche aber | |
auch in die USA und nach Europa. Manchmal werden sie einfach entwaffnet und | |
mit genügend Treibstoff versorgt, um nach Somalia zurückzufahren. | |
Prozesse in westlichen Ländern gegen Piraten sind nicht nur kostspielig, | |
sondern auch juristisch kompliziert, weil nur wenige Länder Gesetze gegen | |
Piraterie haben. Deshalb wurden die Verträge mit Kenia geschlossen, | |
Nachbarland von Somalia. Bis jetzt wurden mehr als 130 angebliche Piraten | |
nach Kenia überstellt, 18 sind mittlerweile verurteilt und 17 wurden | |
vergangene Woche freigesprochen. | |
Auf die bereits Verurteilten hat das Urteil von Dienstag keinen Einfluss. | |
Aber die neun Somalier, die jetzt freigelassen werden mussten, werden | |
womöglich doch noch vor Gericht gestellt. Kenias Generalstaatsanwalt hat | |
gegen Ibrahims Richterspruch Berufung eingelegt, und die neun sollen nun | |
vorerst erneut in Gewahrsam kommen. | |
Kenia bekommt Finanzhilfen von den USA und Europa für die Piraten-Prozesse. | |
Aber immer mehr kenianische Politiker fordern ein internationales | |
Sondertribunal für Piraterie, um Kenias Justiz zu entlasten. | |
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon untersucht bereits die Möglichkeiten dafür. | |
"Unsere Gerichte sind schon überfordert", erklärt Jurist Francis Kadima, | |
ebenfalls ein Anwalt angeblicher somalischer Piraten. "Es herrscht ein | |
chronischer Mangel an Richtern, und die Gefängnisse sind übervoll. Die | |
Justiz kämpft schon seit Jahren mit einem Rückstand von mehr als 800.000 | |
Klagen." | |
12 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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